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Der Welt-Detektiv Band 6

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Ritter Busso von Falkenstein – 2. Teil

Ritter Busso von Falkenstein
oder die Geheimnisse der Totengruft
Ein schauderhaftes Gemälde aus den Ritterzeiten
Verlegt durch Gottfried Basse zu Quedlinburg, 1813

Nun hatten sie das Tor erreicht und der Turmwächter stieß ins Horn. Rasselnd flogen die Flügel auf.

Der Burgvogt trat ihm entgegen und bat den Ritter, nur geradezu auf die Burg zu gehen, da heute jedermann freien Zutritt habe.

»Welchem glücklichen Ereignis zu Ehren«, fragte Ritter Busso, »ist die auf der Burg statthabende Festlichkeit veranstaltet worden?«

»Es ist«, erwiderte der Burgvogt, »die Vorfeier einer baldigen Vermählung des Burgherrn mit einem Fräulein, mit welchem er bereits seit einiger Zeit verlobt ist, und welche in drei Tagen hier eintreffen wird.«

»Ist es mir wohl vergönnt, den Ritter Friedrich allein sprechen zu können?«

»Folgt mir nur, gestrenger Herr.«

Der Burgvogt führte ihn sogleich eine steinerne Treppe hinauf, in einen großen und prachtvoll erleuchteten Saal. Schon nach einigen Sekunden erschien Ritter Friedrich. Busso trat im entgegen und öffnete das Visier seines Helms.

»Traun, Ritter! Ich kenne Euch so noch nicht. Vergönnt es mir, Euer Gesicht näher beim Licht zu betrachten!  Ha, Ritter Busso von Falkenstein.« Mit diesen Worten lag er dem Ritter in den Armen. »Aber, Busso, welcher glückliche Zufall führt Euch hierher? Eure Gegenwart an diesem fröhlichen Tag war mein sehnlichster Wunsch. Ich konnte jedoch nicht mit Gewissheit auf dieses Glück rechnen.«

»Eine so freundschaftliche Aufnahme, lieber Friedrich, ist mir ein neuer Beweis Eurer Zuneigung und Freundschaft; sie erhöht mein Vergnügen, Euch wiederzusehen.«

»Rechnet meine Freude nicht allein meiner Freundschaft, sondern zugleich meinem Vorteil zu. Euch zu sehen, ist ohne Zweifel zu allen Zeiten das größte Vergnügen für mich, zumal heute, wo Eure Gegenwart mich einer nahen Verzweiflung entreißt.«

»Was für ein Unglück ist Euch widerfahren, guter Friedrich? Was setzt Euch in Verzweiflung? Welchen Dienst begehrt Ihr von mir? Soll ich das Glück haben, Euch mit der Kraft meines Arms irgendeinen Dienst zu erweisen?«

»In diesem Augenblick kann ich Euch keine nähere Erklärung geben. Es könnte uns irgendjemand aus der Menge, die alle Gemächer des Schlosses erfüllt, belauschen. Morgen mit Tagesanbruch soll uns der Dickicht des Waldes verbergen. Dort will ich Euch sagen, was mir auf dem Herzen liegt. Jetzt folgt mit in den Gesellschaftssaal. Nach einer so beschwerlichen Reise werden Euch einige Humpen voll Wein nicht unwillkommen sein; aber mitten unter den törichten und niedrigen Schmeichlern, die meinen Vater umgeben, erinnert Euch unserer alten Freundschaft. Lasst mich Euch so finden, wie Ihr mir bisher geschienen habt, nämlich als einen Freund, auf den ich jederzeit sicher rechnen kann.«

Diese Worte des Ritters Friedrich und noch mehr die Bewegung und Heftigkeit, mit welcher er sie sprach, setzten unseren Busso in Erstaunen und beunruhigten ihn sehr. Inzwischen erneuerte er sein Versprechen und sicherte ihm von Neuem seine Dienste zu.

Sie gingen zusammen in den großen Saal der Burg. Friedrich stellte seinen Freund seinem Vater vor, der eben mit einer zahlreichen Menge Gäste umgeben war, die an dem Ritterschmaus teilzunehmen gekommen waren. Sobald der Burgherr des Ritters Busso Namen nennen hörte, drehte er sich schnell nach ihn um; aber anstatt ihm die gewöhnliche Bewillkommnung zu machen, sah er ihn einige Augenblicke starr an und sagte kein Wort.

Busso, der auf eine solche Aufnahme nicht vorbereitet war, blieb erstaunt stehen. Friedrich wurde durch die Kälte, mit welcher sein Vater einen Freund aufnahm, dem er so viele Verbindlichkeiten schuldig war, sehr beleidigt.

»Vater!«, sagte er zum Burgherrn, »ich habe Euch schon oftmals von diesem wackeren Ritter erzählt, welcher sein Leben der drohenden Gefahr aussetzte, um mich den Händen unserer Feinde zu entreißen, da ich durch einen zu starken Blutverlust so erschöpft war, dass ich die Lanze nicht mehr schwingen konnte.«

Diese Worte weckten den alten Ecko von der Eulenburg aus seinem Traum. Er wandte sich nun zum Ritter Busso.

»Tapferer Ritter«, hob er an, »verzeiht mir mein sonderbares Benehmen. In dem Augenblick Eures Eintritts war mein Geist dergestalt in Gedanken vertieft, dass ich mich bei Nennung Eures Namens nicht sogleich an den Befreier meines Sohnes erinnerte. Tretet näher! Mit herzlicher und aufrichtiger Freude will ich den Retter meines Sohnes umarmen und ihm die Empfindungen der aufrichtigsten Erkenntlichkeit, die ich schon so lange für ihn hege, an den Tag zu legen suchen. Seid willkommen in meiner Burg. Je länger Ihr bei mir verweilen werdet, desto mehr werde ich Euch zu beweisen suchen, wie angenehm mir Eure Gegenwart ist.«

Ritter Busso erwiderte dieses Kompliment mit einer passenden Antwort. Der Burgherr bat ihn, seine Rüstung abzulegen.

Busso weigerte sich anfänglich. Als man aber zu sehr mit Bitten in ihn drang, willigte er ein und verfügte sich in ein Nebenzimmer, wo er seinen Robert und einen dienenden Knappe antraf, welcher Letztere ihm auf Befehl des Burgherrn einen kostbaren Anzug überreichte, womit er sich nach Ablegung seiner Rüstung bekleiden möchte.

Indem ihm Robert seinen Gürtel abschnallte, bemerkte Busso, dass dessen Hände zitterten.

»Was ist dir? Hast du dich von dem Schrecken des Waldes noch nicht wieder erholt?«

»Ist Euch irgendein Unglück im Wald begegnet?«, fragte der Diener.

»Wir ritten nahe an einer Höhe vorbei«, erwiderte der Ritter. »Robert selbst wird dir jedoch die beste Aufklärung über die Erscheinungen, welche er dort gesehen zu haben behauptet, geben können.«

»Eine Höhle?«, fragte der Bediente. »War es weit von der Burg?«

»Kaum eine halbe Meile«, erwiderte der Ritter.

»Habt Ihr nichts darin gesehen?«

»Was sollen wir gesehen haben?«, fragte Busso mit einigem Unwillen.

»Man hat in jener Gegend«, erwiderte der Bediente, »seit längerer Zeit so schreckliche Erscheinungen wahrgenommen, dass es niemand mehr ihr zu nähern wagt. Jene Höhe ist sicherlich der Aufenthalt höllischer Geister. Man hat sie bisweilen dumpfe Seufzer und Angstgeschrei darin vernommen; auch wohl ein Getöse, dem des Donners ähnlich. Man glaubt allgemein, an diesem Ort liege der Körper eines Mörders begraben und die Seele wolle den Ort bewohnen, wo sie von dem Körper getrennt worden war.«

»Robert«, fragte Ritter Busso, »hast du etwa jenes Gebrüll wieder gehört, da wir diese Burg schon erreicht hatten?«

»Ach ja, gestrenger Ritter«, antwortete der Knappe, am ganzen Leib zitternd.

»Sind denn schon mehrere Bewohner dieser Burg durch die Schrecken jener Höhle geängstigt worden?«

»Bereits vor vierundzwanzig Jahren, gestrenger Ritter, als der jetzige Besitzer dieser Burg seinen Sitz hier nahm, hat ein glühender Feuerklumpen, welcher über dem Eingang jener berüchtigten Höhle schweben soll, die Blicke der Durchreisenden auf sich gezogen. Übrigens kann ich Euch nichts mit Gewissheit davon sagen, denn ich diene dem Burgherrn kaum drei Monate und alles, was sich seit jener Zeit in hiesiger Gegend begeben hat, ist mir von meinen Kameraden halb auf dies, halb auf jene Art wieder erzählt worden.«

»Hat diese Höhle einen besonderen Namen?«

»Man nennt sie die Totengruft«, erwiderte der Bediente.

Busso fragte nun nicht weiter und blieb in tiefes Schweigen versunken. Was ihm selbst begegnet, das Abenteuer im Wald, wovon er Zeuge gewesen war, machte sein Nachdenken rege und einen tiefen Eindruck auf sein Gemüt. Der Wunsch, in den innersten Abgrund der Totengruft zu dringen, wurde immer lebhafter bei ihm. Er hielt es aber der Klugheit gemäß, seinen Vorsatz niemanden bekannt zu machen, indem man vielleicht aus Gründen ihm Hindernisse in den Weg zu legen versuchen würde.

Sobald er sich umgekleidet hatte, kehrte er in den großen Saal zurück, wo ihn der Burgherr und sein Sohn mit neuen Freudenbezeugungen empfingen. Ein köstliches Mahl war bereitet. Der Burgherr ließ den Ritter Busse den ersten Platz an seiner Seite einnehmen und behandelte ihn wie den vornehmsten Gast. Inzwischen machte Busse die Bemerkung, dass der Burgherr ihn von Zeit zu Zeit scharf ins Auge fasste uns seinen Blick sogleich wieder abwandte, wenn er dem des Ritters begegnete. Friedrich war traurig und niedergeschlagen. Er nahm keinen Anteil an dem Gespräch, und wenn er einmal lächelte, so war es nur dann, wenn er seinen neuen Gast anblickte.

Da Busso einmal seine Hand über die Tafel ausstreckte, zog der helle Schimmer eines mit kostbaren Steinen besetzten Ringes die Aufmerksamkeit des Burgherrn auf sich. Er rühmte dessen Wert und bat um die Erlaubnis, ihn aus der Nähe betrachten zu dürfen. Busso nahm ihn sogleich vom Finger und überreichte ihm denselben. Der Burgherr besah ihn mit der größten Aufmerksamkeit und versicherte, dass er nie einen kostbareren Ring gesehen habe. »Übrigens«, setzte er hinzu, »bin ich ein großer Kenner von Edelsteinen und glaube, behaupten zu können, Ritter, das Ihr die Wahl dieser vorzüglichen Stücke nicht selbst getroffen habt. Ich möchte sie fast die vollkommensten, ja sogar die unübertreffbarsten nennen.«

»Ich muss es selbst gestehen, dass ich ein schlechter Kenner solcher Steine bin und deren Wert keineswegs zu schätzen weiß«, erwiderte Busse. »Was diesem Ring aber einen vorzüglichen Wert in meinen Augen gibt, ist, das er das einzige Andenken von meinem verstorbenen Vater ist, dessen Verlust ich noch fast täglich beweine.«

Der Burgherr erschöpfte sich noch in Lobeserhebungen des Ringes und gab ihn endlich dem Eigentümer zurück.

Der Schmaus dauerte bis nach Mitternacht, und erst beim Aufgang der Sonne ließ der größte Teil der Ritter die Rosse satteln und reiste, dem Burgherrn für freundschaftliche Aufnahme dankend, fröhlich von dannen.

Ritter Busso aber blieb und der Burgherr selbst geleitete ihn in ein besonders für ihn eingerichtetes Schlafgemach. Im Hinausgehen traf der alte Ecko den Robert an, der eben hinzutrat seinem Herrn dienlich zu sein Dieser hatte vor längerer Zeit in Eckos Diensten gestanden. Der Burgherr erkannte ihn sogleich und grüßte ihn freundlich. »Ich zürnte damals auf meinen Sohn«, sagte er, »indem ich glaubte, dass du mit dessen Benehmen gegen dich nicht zufrieden warst. Obwohl du uns gleich heimlich verlassen hast, so kannst du dennoch zu allen Zeiten auf meinen Schutz rechnen.«

Der Knappe verneigte sich, indem er dankte, und der Burgherr sagte zu ihm, wenn er noch über dies und jenes mit ihm zu sprechen wünsche, möchte er sich am folgenden Tag in seine Rüstkammer begeben, wo er ihn finden würde.

Robert bediente nun seinen Herrn, welcher ihn jedoch bald wieder gehen ließ, indem er sich zur Ruhe begeben wollte. Er konnte aber nicht einschlafen. Die rätselhaften Worte seines Freundes und die Schwermut, womit dieser befallen zu sein schien, ließen dem Ritter die Entdeckung eines wichtigen Geheimnisses erwarten, welches ihm derselbe anvertrauen wolle. Mit einer weit größeren Ungeduld aber erwartet er eine Gelegenheit, jene ihm so merkwürdige Höhle genauer zu untersuchen, worüber man ihm so viele wunderbare Dinge erzählt hatte.

Er erschöpfte sich in Mutmaßungen über das fürchterliche Geschrei, welches man darin gehört hatte und die übernatürlichen Erscheinungen, die man zugleich gesehen haben wollte, und war nun selbst der Meinung, diese Höhe müsse die Wohnung höllischer Geister sein. Bevor er sich aber nicht selbst davon überzeugte, wolle er den Aussagen der abergläubischen Diener und furchtsamen Landleute keinen weiteren Glauben beimessen.

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