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Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reise und Abenteuer … 10

Des Freiherrn von Münchhausen
wunderbare Reise und Abenteuer zu Wasser und zu Lande, wie er dieselbe bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte
Mit 16 Federzeichnungen von Hosemann
Neue Originalausgabe, Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen, Berlin, 1840

Des Freiherrn von Münchhausen Seeabenteuer
Fünftes Seeabenteuer

Da wir noch Zeit haben, meine Herren, eine frische Flasche auszutrinken, so will ich Ihnen noch eine andere sehr seltsame Begebenheit erzählen, die mir wenige Monate vor meiner letzten Rückreise nach Europa begegnete.

Der Großherr, welchem ich durch die römisch- und russisch-kaiserlichen, wie auch französischen Botschafter vorgestellt worden war, bediente sich meiner, ein Geschäft von großer Wichtigkeit zu Großkairo zu betreiben, welches zugleich so beschaffen war, dass es immer und ewig ein Geheimnis bleiben musste.

Ich ritt mit großem Pomp und einem sehr zahlreichen Gefolge zu Lande ab. Unterwegs hatte ich Gelegenheit, meine Dienerschaft mit einigen sehr brauchbaren Subjekten zu vermehren. Denn als ich kaum einige Meilen weit von Konstantinopel entfernt sein mochte, sah ich einen kleine schmächtigen Menschen mit großer Schnelligkeit querfeldein daher laufen. Gleichwohl trug das Männchen an jedem Bein ein bleiernes Gewicht, an die fünfzig Pfund schwer. Verwunderungsvoll über diesen Anblick sprach ich ihn an und fragte: »Wohin, wohin so schnell, mein Freund? Und warum erschwerst du dir deinen Lauf durch eine solche Last?«

»Ich lief«, versetzte der Läufer, »seit einer halben Stunde aus Wien, wo ich bisher bei einer vornehmen Herrschaft in Diensten stand und heute meinen Abschied nahm. Ich gedenke nach Konstantinopel, um daselbst wieder anzukommen. Durch die Gewichte an meinen Beinen habe ich meine Schnelligkeit, die jetzt nicht nötig ist, ein wenig mindern wollen, denn moderata durant pflegte weiland mein Präzeptor zu sagen.«

Dieser Mensch gefiel mir nicht übel. Ich fragte ihn, ob er bei mir in Dienste treten wollte, und er war dazu bereit. Wir zogen hierauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land.

Nicht fern vom Weg auf einem schönen Grasrain lag mäuschenstill ein Kerl, als ob er schliefe. Allein das tat er nicht, er hielt vielmehr sein Ohr so aufmerksam zur Erde, als hätte er die Einwohner der untersten Hölle behorchen wollen.

»Was horcht du da, mein Freund?«

»Ich horche da zum Zeitvertreib auf das Gras und höre, wie es wächst.«

»Und kannst du das?«

»O, Kleinigkeit!«

»So tritt in meine Dienste, Freund, wer weiß, was es bisweilen nicht zu horchen geben kann.«

Mein Kerl sprang auf und folgte mir.

Nicht weit davon auf einem Hügel stand mit angelegtem Gewehr ein Jäger und knallte in die blaue leere Luft.

»Glück zu, Glück zu, Herr Weidmann! Doch wonach schießt du? Ich sehe nichts als blaue leere Luft.«

»O, ich versuche nur dies neue Kuchenreuterische Gewehr. Dort auf der Spitze des Münsters zu Straßburg saß ein Sperling, den schoss ich eben jetzt herab.«

Wer meine Passion für das edle Waid- und Schützenwerk kennt, den wird es nicht Wunder nehmen, dass ich dem vortrefflichen Schützen sogleich um den Hals fiel. Dass ich nichts sparte, auch ihn in meine Dienste zu ziehen, versteht sich von selbst.

Wir zogen darauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land und kamen endlich an dem Berg Libanon vorbei. Dort vor einem großen Zedernwald, stand ein derber untersetzter Kerl und zog an einem Strick, der um den ganzen Wald herum geschlungen war.

»Was ziehst du da, mein Freund?«, fragte ich den Kerl.

»O, ich soll Bauholz holen, und habe meine Axt zu Hause gelassen. Nun muss ich mir so gut helfen, wie es angehen will.«

Mit diesen Worten zog er in einem Ruck den ganzen Wald, bei einer Quadratmeile groß, wie einen Schilfbusch vor meinen Augen nieder. Was ich tat, das lässt sich raten. Ich hätte den Kerl nicht fahren lassen, und hätte es mir mein ganzes Ambassadeur-Gehalt gekostet.

Als ich hierauf fürbass und endlich auf ägyptischen Grund und Boden kam, erhob sich ein so ungeheurer Sturm, dass ich mit all meinen Wagen, Pferden und Gefolge schier umgerissen und in die Luft davon geführt zu werden fürchtete. Zur linken Seite unseres Weges standen sieben Windmühlen in einer Reihe, deren Flügel so schnell um ihre Achsen schwirrten, wies eine Rockenspindel der schnellsten Spinnerin. Nicht weit davon zur Rechten stand ein Kerl von Sir John Falstaffs Korpulenz und hielt sein rechtes Nasenloch mit seinem Zeigefinger zu. Sobald der Kerl unsere Not und uns so kümmerlich in diesem Sturm haspeln sah, drehte er sich halb um, machte Front gegen uns und zog ehrerbietig wie ein Musketier vor seinem Obersten den Hut vor mir ab. Auf einmal regte sich kein Lüftchen mehr und alle sieben Windmühlen standen plötzlich still.

Erstaunt über diesen Vorfall, der nicht natürlich zuzugehen schien, schrie ich dem Unhold zu: »Kerl was ist das? Sitzt dir der Teufel im Leib oder bist du der Teufel selbst?«

»Um Vergebung, Ihro Excellenz!«, antwortete mir der Mensch, »ich mache da nur meinem Herrn, dem Windmüller, ein wenig Wind. Um nun die sieben Windmühlen nicht umzublasen, musste ich mir wohl das eine Nasenloch zuhalten.«

Ei, ein vortreffliches Subjekt!, dachte ich in meinem stillen Sinn, der Kerl lässt sich gebrauchen, wenn du dereinst nach Hause kommst und es dir an Atem fehlt, all die Wunderdinge zu erzählen, die dir auf deinen Reisen zu Lande und Wasser aufgestoßen sind. Wir wurden daher bald des Handels eins. Der Windmacher ließ seine Mühlen stehen und folgte mir.

Nach gerade war es nun Zeit, in Großkairo anzukommen. Sobald ich dort meinen Auftrag nach Wunsch ausgerichtet hatte, gefiel es mir, mein ganzes unnützes Gesandten Gefolge, außer meinen neu angenommenen nützlicheren Subjekten zu verabschieden und mit diesen als ein bloßer Privatmann zurückzureisen. Da nun das Wetter gar herrlich und der berufene Nils über alle Beschreibung reizend war, so geriet ich in Versuchung, eine Barke zu mieten und bis Alexandria zu Wasser zu reisen. Das ging nun vortrefflich, bis in den dritten Tag.

Sie haben, meine Herren, vermutlich schon mehrmals von den jährlichen Überschwemmungen des Nils gehört. Am dritten Tag, wie gesagt, fing der Nil ganz unbändig anzuschwellen. Am folgenden Tag war links und rechts das ganze Land viele Meilen weit und breit überschwemmt. Am fünften Tag nach Sonnenuntergang verwickelte sich meine Barke auf einmal in etwas, das ich für Ranken und Strauchwerk hielt. Sobald es aber am nächsten Morgen heller wurde, fand ich mich überall von Mandeln umgeben, welche vollkommen reif und ganz vortrefflich waren. Als wir das Senkblei auswarfen, fand sich, dass wir wenigstens sechzig Fuß hoch über dem Boden schwebten und schlechterdings weder vor noch rückwärts konnten. Ungefähr gegen acht oder neun Uhr, so viel ich aus der Höhe der Sonne abnehmen konnte, erhob sich ein plötzlicher Wind, der unsere Barke ganz auf eine Seite umlegte. Hierdurch schöpfte die Wasser, sank unter. Ich hörte und sah in langer Zeit nichts wieder davon, wie Sie gleich vernehmen werden.

Glücklicherweise retteten wir uns insgesamt, nämlich acht Männer und zwei Knaben, indem wir uns an den Bäumen festhielten, deren Zweige zwar für uns, allein nicht für die Last unserer Barke hinreichten. In dieser Situation verblieben wir drei Tage und lebten ganz allein von Mandeln. Dass es am Trunk nicht fehlte, versteht sich von selbst. Am zweiundzwanzigsten Tag unteres Unsterns fiel das Wasser wieder ebenso schnell, wie es gestiegen war, und am sechsundzwanzigsten konnten wir wieder auf Terrafirma fußen. Unsere Barke war der erste angenehme Gegenstand, den wir erblickten. Sie lag ungefähr zweihundert Klafter weit von dem Ort, wo sie gesunken war. Nachdem wir nun alles, was uns nötig und nützlich war, an der Sonne getrocknet hatten, so versahen wir uns mit der Notwendigkeit aus unserem Schiffsvorrat und machten uns auf, unsere verlorene Straße wiederzugewinnen. Nach der genauesten Berechnung fand sich, dass wir an die einhundertfünfzig Meilen weit über Gartenwände und mancherlei Gehege hinweggetrieben waren. In sieben Tagen erreichten wir den Fluss, der nun wieder in seinem Bett strömte, und erzählten unser Abenteuer einem Bey. Liebreich half dieser allen unseren Bedürfnissen ab und sendete uns in einer von seinen eigenen Barken weiter. In ungefähr sechs Tagen kamen wir zu Alexandria an, allwo wir uns nach Konstantinopel einschifften. Ich wurde von dem Großherrn überaus gnädig empfangen und hatte die Ehre, seinen Harem zu sehen, wo seine Hoheit selbst mich hineinzuführen und mir so viele Damen, selbst die Weiber nicht ausgenommen, anzubieten geruhten, als ich nur immer zu meinem Vergnügen auserlesen wollte.

Mit meinen Liebesabenteuern pflege ich nie groß zu tun, daher wünsche ich Ihnen, meine Herren, nun insgesamt eine angenehme Ruhe.

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