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Ein Ostseepirat Band 1 – Die Order

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
VII.

Die Order

Klassen hatte, als er nach erteilter Erlaubnis eintrat, seinen Kopf noch verbunden. In seinen Händen befanden sich verschiedene Briefschaften. Der Baron gab ihm einen Wink, sich nicht an seine Vorgesetztenschaft zu kehren, und Klassen wendete sich an den Major.

»Was macht der Fähnrich?«, rief dieser, über die Erscheinung des alten Knaben froh, »ist für ihn gesorgt?«

»Ja, gnädiger Herr,« entgegnete der Hochbootsmann, »er ist verbunden und der Arzt noch bei ihm. Der Bruch soll zu den gefährlicheren gehören.«

»Bedaure und auch Euch, Klassen,« sagte der Major, »aber das kommt davon, wenn man unerfahrenen jungen Leuten Kommandos anvertraut. Zu meiner Zeit war das nicht Sitte. Kommt, trinkt ein Glas Wein, Klassen.«

»Euer Gnaden Wohl!«, sagte Klassen, das angebotene Glas nehmend. »Es war viel Unglück dabei, ich hoffe, man wird uns nicht zu sehr angeklagt haben.«

Der alte Mann blickte bei diesen Worten schüchtern sowohl auf den Baron als auch auf Dyk.

»Hier hat niemand geklagt,« sagte der Letztere schnell, »sondern wir alle haben nur bedauert, namentlich Euch, Hochbootsmann.«

»Danke allerseits!«, erwiderte der Alte mit ganz vergnüglichem Gesicht, »wider Wetter kann niemand, gnädiger Herr Baron, gegen Unglück noch viel weniger. Es trifft aber doppelt, wenn es den Menschen am Anfang seiner Laufbahn trifft!«

»Ich verstehe,« sagte Staelswerd, »doch ich bin nicht der Richter des jungen Herrn und werde wahrlich nicht zum Ankläger werden, nachdem jener Herr so edelmütig verziehen hat. Seht zu, wie Ihr Euch vor der Admiralität herauswindet.«

Klassen verbeugte sich mit unverkennbaren Zeichen von Hochachtung vor dem Kapitän und reichte dann einen Teil seiner Papiere dem Major hin.

»Ihre Briefschaften, gnädiger Herr,« sagte er. »Herr Baron, ich habe die Buger Post abgesandt und den Postmeister bitten lassen, für Weiterschaffung der Stralsunder und der Frachtstücke recht bald zu sorgen, doch was ich mit der Kiste für den General und der Depeschentasche anfangen soll, weiß ich nicht. Vielleicht bestimmen Euer Gnaden darüber, hier ist auch noch eine Order für die Aurora

»Falls man mir jene noch einmal anvertrauen will,« sagte Dyk schnell, zu dem Baron gewendet, »bin ich bereit, sie nach Stralsund mitzunehmen und dort abzuliefern. Ich gehe morgen mit Tagesanbruch jedenfalls binnen.«

Staelswerd war bereits mit dem Entsiegeln der an ihn gerichteten Depesche beschäftigt, während Dyk sprach. Er hob seinen Kopf zu demselben auf und sah ihm länger prüfend ins Gesicht.

»Ich werde selbst ein Boot absenden,« sagte er endlich langsam, »Sie würden eine zu große Verantwortlichkeit auf sich laden, mein Herr, und das ohne Grund dazu oder Gewinn dafür.«

Dyk verbeugte sich lächelnd, und der Baron begann seine Order zu lesen, stieß jedoch bald einen Ausruf hervor und sprang von seinem Platz auf. Aller Augen richteten sich auf ihn.

»Meine Herrschasten – Dalström!«, rief der Baron, »wir müssen sofort aufbrechen, unsere Untätigkeit hat ein Ende, damit Sie aber diese sonst unzeitige Entfernung entschuldigen, hören Sie den Inhalt der Order – die Veröffentlichung derselben kann hier nichts schaden. Die Brigg Aurora, als erstes abkömmlich von ihrer Position, hat dieselbe angesichts dieses sofort zu verlassen, um in kürzester Zeit die Höhe zwischen Riga und Memel zu gewinnen, dort zwei Tage zu kreuzen, um auf das unten näher bezeichnete Schiff zu achten. Wird sie desselben nicht ansichtig, so geht sie bis zur Höhe der Alandsinseln hinauf und sucht nach einer Spur desselben, bis sie solche gefunden hat. Alsdann ist ihre Aufgabe, dasselbe zu verfolgen und zu nehmen. Es ist jenes Schiff eine Brigg, Spitze genannt, von Stockholm auf Riga beladen und klariert und soll das Fahrzeug des berüchtigten Freibeuters Peter Jacobson sein, welcher gewissen Nachrichten zufolge durch den Sund passiert ist und sich sogar zwei Wochen in Stockholm aufgehalten hat. Die Papiere des Freibeuters lauten auf den Namen Lund und soll derselbe ein kolossal großer, unförmlich dicker Mensch sein. Die Brigg ist besonders daran erkennbar, dass sie nur eine halbe Vorderstenge führt!«

Kapitän Dyk hatte wie alle mit gespannter Aufmerksamkeit der Verlesung der Order zugehört, doch sehr bald ging seine Aufmerksamkeit in ein Stutzen über. Er schrak leicht zusammen, als der Name Peter Jacobson ausgesprochen wurde. Ein scheuer Blick, den er sofort um sich warf, ließ ihn erkennen, dass jene Bewegung nicht unbemerkt vorübergegangen sei.

»Ah!«, rief er schnell, als der Baron geendet hatte, »ein solcher Bursche hat mich zwei Tage lang begleitet. Da bin ich also wohl nur durch einen Glückszufall seinen Klauen entronnen!«

»Gut möglich!«, sagte der Baron. »Dalström, eilen Sie, der Brigg ein Signal zu geben, ich folge ihnen gleich. Meine Herrschaften!«

»Aber die Kiste und die Depeschen!«, rief Klassen ängstlich.

»Richtig!«, erwiderte der Baron, sich nach Dyk umwendend. »Nun, Herr Kapitän, werde ich Ihr Anerbieten allerdings annehmen müssen!«

»Ich bin bereit!«, erwiderte der Kapitän sich verbeugend, wobei ihm alles Blut in das Gesicht schoss.

»Leben Sie wohl, Herr – Ihr untertänigster Diener! Meine Herrschaften!«, rief Dalström, reichte dem Kapitän die Hand, verbeugte sich gegen die Übrigen und eilte hinaus.

Mit etwas mehr Umständen und Worten empfahl sich nun auch der Baron. Der Hausherr bedauerte, seiner Gesellschaft beraubt zu werden, der Baron bedauerte, die Schwestern nur gesehen zu haben, ohne ihre nähere Bekanntschaft machen zu dürfen, doch man lud zu neuen Besuchen ein, versprach wiederzukommen, kurz, man machte viel Wesen, bis endlich der Baron auch Dyk die Hand reichte.

»Ich hoffe, wir werden uns einst wieder begegnen!«, sagte dabei der Baron. »Einstweilen meinen Dank für Ihre Gefälligkeit. Verzeihen Sie mein kurzes Misstrauen gegen Sie. Es gehört zu den Artikeln eines Schiffskommandanten, der Baron Staelswerd weiß davon nichts!«

»Sehr gütig, Herr Baron!«, antwortete der Kapitän mit etwas spöttischem Lächeln; »es wird mich stets freuen, Sie wiederzusehen. Ich weiß jenes Misstrauen wie auch das mir bewiesene Vertrauen nach Gebühr zu schätzen!«

Noch eine Verbeugung für alle, die alle erwiderten; und dann eilte auch der Baron, von dem Major zum Haus hinaus begleitet, davon. So wie sich die Tür hinter dem Baron geschlossen hatte, seufzte Dyk, als wolle er dadurch seiner gepressten Brust Erleichterung verschaffen, wendete sich aber sofort an den Prediger.

»Seit wann war der Kapitän auf der Station?«, fragte er denselben.

»Seit zwei Monaten!«, lautete die Antwort.

Eine halbe Stunde später war die Brigg bereits hinter Arkona verschwunden.

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