Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Deutsche Märchen und Sagen 102

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

135. Gespenst als Ehemann

In Nordholland auf dem Bobeldijk, gegenüber der Kirche von Berckhout, hat sich Folgendes ereignet.

Am 25. des Sommermonats im Jahre 1616 erschien einer dort wohl bekannten Frau ein Gespenst in Gestalt ihres Mannes Cornelius Theuniß. Sie fragte: »Wer ist da?«

Es antwortete: »Ich bin es, dein Mann.«

»Der ist zur See und kann also nicht hier sein«, sprach sie.

»Ich kam ein wenig zu spät«, entgegnete es, »und das Schiff war bereits vom Land abgestoßen.«

»Wie bist du denn ins Haus gekommen?«, fragte die Frau.

»Ganz gut«, sprach es und legte sich mit den Armen auf die Bettlade. Es trug auf dem Haupt einen großen Filzhut, dessen breiten Rand sie mehrere Male aufbog, um zu sehen, ob es auch wirklich ihr Ehemann wäre, aber sie konnte weder an der Gestalt noch an der Stimme jemand anders denn ihn erkennen, befahl ihm also, zu sorgen, dass er sich zu Bett lege, welches er auch tat. Weil sie jedoch immer noch zweifelte, gab sie genau Acht, als er seine Strümpfe auszog, um zu sehen, ob er auch so dicke Füße hätte wie ihr Mann, befand aber auch darin keinen Unterschied.

Als er sich nun neben ihr niederlegte, fühlte sie, dass er, obwohl es Mitte Sommer war, so kalt war wie Eis. Da erschrak sie aufs Höchste und rief Gott aus der Fülle ihres Herzens um Hilfe und Beistand an. Das hatte sie nicht sobald begonnen, als das Gespenst verschwand; hat sich auch nicht weiter sehen lassen.

136. Zwei Geister

Eine Frau in Kortryk war gar kühnen Mutes, doch nicht frevelhaft, wie es der Leute so viele gibt. Ihr Mann dagegen war ein wüster Mensch, der mit allem spottete. Eines Samstags kam die Frau spät nach Hause und der Mann gedachte sich einen Spaß zu machen und sie zu erschrecken. Er hing am Ende ein weißes Tuch um und wartete beim Kreuz auf dem Kirchhof, wo die Frau vorbei musste. Nach zehn Uhr kam die Frau mit ihrer Nachbarin und der Mann richtete sich mit dem weißen Tuch auf und blieb so ruhig stehen.

»Ei, sieh doch«, sprach die Nachbarin, »da steht ein Geist.«

»Lass ihn stehen«, sprach die Frau, »und uns ein Vaterunser für ihn beten.«

»Um Gottes willen!«, rief die Nachbarin, als sie einige Schritte weiter waren, »da ist noch einer und jetzt sehe ich ihrer zwei!«

Die Frau gab aber keine Antwort und betete. Der Mann hatte das Letzte gehört und ein Schauder lief ihm durch Mark und Bein, doch wollte er sich von der Sache überzeugen, ehe er sich auf die Flucht begäbe. Er drehte darum den Kopf ein wenig und sah ein Gerippe im Leichentuch neben sich. Da verließ ihn sein Mut und er rannte, so schnell er konnte, den Frauen nach, die erschreckt auch liefen und die Haustür hinter sich schlossen.

»Frau, mach auf!«, schrie der Mann, »ich bin es!«

Aber die Frau machte nicht auf und er fiel vor Schreck und Angst in Ohnmacht, aus der er erst am anderen Morgen erwachte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert