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Ein Ostseepirat Band 1 – Folgen des Übermuts

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
IV.

Folgen des Übermuts

Auf dem Deck der Postjacht befand sich nun alles in schönster Disharmonie. Die jungen Damen, besonders Clara, waren empört, dass der Fähnrich aus knabenhafter Eitelkeit wider seine Pflicht sie gefährdete. Klassen kämpfte mit einer gelinden Verzweiflung aus Furcht vor dem Ausgang des Abenteuers und würde sicher dem Geschütz eine Richtung gegeben haben, dass die Kugel fehlgehen musste, wenn nicht Wardow höchst eigenhändig die Kanone gerichtet und abgefeuert hätte. Die Mannschaft endlich sah ärgerlich, wie ihr Kommandeur noch taktloser als der dümmste Schiffsjunge handelte; doch das alles verschlug dem jungen Herrn nichts. Er schwebte lediglich auf Flügeln des Ruhmes und seiner Allgewaltigkeit in höheren Regionen umher.

Als Kapitän Dyk seinen Fuß auf das Deck der Jacht gesetzt hatte, flog ein Blick seiner dunklen Augen über das ganze Verdeck und die Zurüstungen, welche auf demselben zum Kampf getroffen worden waren, wobei ein leichtes Lächeln um seine Lippen spielte. Sodann grüßte er achtungsvoll die Damen und danach erst die beiden Offiziere, jedoch ziemlich kalt.

»Sie wünschen mich zu sprechen!«, sagte er dabei zum Junker.

»Allerdings!«, sagte der junge Herr mit stolz gehobenem Haupt. »Euer Schiff sowie dessen Bewegungen erscheinen verdächtig. Ich muss deshalb Eure Papiere ansehen, vielleicht das Schiff durchsuchen lassen. Wo sind die Papiere?«

»Hier!«, sagte Dyk, mit finsteren Blicken den Knaben messend, während er die Papiere überreichte. »Ich frage nicht mehr, mit welchem Recht Ihr dies tut, junger Mann, aber ich erkläre, dass ich der Gewalt weiche und später für den gegen mich angewendeten ungerechtfertigten Zwang Rechenschaft fordern werde!«

Wardow errötete, was sowohl Zorn als auch Verlegenheit andeutete; denn unzweifelhaft imponierte ihm das Benehmen des Kapitäns.

»Man vergesse nicht, mit wem man spricht!«, erwiderte er unsicher. »Klassen, seht die Papiere durch!«

Dyk lächelte, denn es entging ihm nicht, wie der Junker aus dem Grund die Papiere fortgab, weil er selbst sie nicht zu beurteilen verstand. Klassen sah dieselben an und trat ganz dicht zu Wardow.

»Sie sind in Ordnung, Junker?«, flüsterte er in deutscher Sprache, während man bisher Schwedisch gesprochen hatte. »Lassen Sie den Mann mit einer höflichen Entschuldigung gehen. Er sieht nicht aus, als ob mit ihm zu scherzen wäre!«

Es fiel jedoch dem übermütigen jungen Mann nicht ein, diesen Wink zu beachten.

»Die Papiere scheinen zwar in Ordnung«, sagte er »dennoch muss ich sie einstweilen behalten und Beschlag auf das Schiff legen, weil Ihr den Befehlen eines Flottenoffiziers nicht sofort Folge geleistet habt. Klassen, Ihr geht hinüber, das Kommando dort zu führen. Ihr, mein Freund, bleibt hier als mein Gefangener!«

Diese Worte machten einen merkwürdigen Eindruck auf diejenigen Personen, an welche sie gerichtet waren, sie erröteten beide.

»Herr!«, rief Dyk im drohenden Ton, doch gleich fügte er ruhiger hinzu, »es ist wahr, Ihr habt die Macht dazu, wenn auch nicht das Recht, mich zu halten, die Folgen also auf Euer Haupt!«

»Kein Wort weiter!«, quäkte der Fähnrich, »ich habe auch die Mittel, Euch zum Schweigen zu bringen; habt Ihr gehört, Klassen?«

»Ja, Herr Fähnrich!«, sagte der alte Mann, dem nun ebenfalls der Kamm schwoll, mit der Hand am Hut, »aber ich habe nicht Lust, die Verantwortlichkeit, welche Sie auf sich laden, zu teilen. Ich bin hier an Bord Ihr Untergebener, ich habe hier auf der Postjacht zu dienen, sonst nirgends.«

»Ihr seid Eurer Funktionen enthoben und Arrestant!«, rief der Fähnrich. »Das Sprachrohr!«

Der Kapitän lächelte wiederum, aber in seinen Augen, die zugleich mit einem schnellen Blick den übrigen Teil der Mannschaft musterten, leuchtete es hell auf. Der alte Klassen seufzte schwer.

»Ihr da drüben!«, rief der Junker den Schoner an.

»Wohl! Wohl!«, hieß es von dort.

»Ihr haltet Strich mit uns und bleibt auf zwei Kabellängen nahe!«

»Wohl! Wohl!«

»Kürzt Segel … versucht Ihr zu fliehen, gibt es Feuer!«

»Schon gut!«, brummte es zurück.

Die Schwestern, von dieser Szene wenig erbaut und überzeugt, dass der junge Mann ein großes Unrecht begangen hatte, zogen sich in die Kajüte zurück. Wardow schritt unwillig auf und ab, die Ausübung seiner Macht gewährte ihm sichtlich keinen rechten Genuss. Klassen setzte sich ärgerlich neben eine Kanone, die Matrosen blickten finster nach hinten und der Einzige, der seinen Gleichmut bewahrte, schien der Kapitän zu sein.

Der Wind lullte sich inzwischen immer mehr ein und obwohl noch fünf bis sechs Kreuzschläge gemacht wurden, kam man doch nur bis zur Höhe von Haste, als die Windstille vollkommen und die Hitze sengend wurde. Alles suchte Schatten und Schutz gegen die brennende Sonne, nur Kapitän Dyk blieb, wo er war, um abwechselnd das Schiff, das Wasser und den Horizont zu mustern, seinem eigenen Schiff, welches natürlich ebenso wie tot da lag wie die Jacht, schenkte er kaum einen flüchtigen Blick.

So vergingen vier peinliche Stunden. Windstille ist dem Seemann viel unangenehmer als Sturm, und es liegt etwas Trauriges in diesen so schlaff herabhängenden Segeln, dem bewegungslosen Gebäude. Ein solches Fahrzeug gleicht einem flügellahmen Vogel, der sich nicht zu erheben vermag. Während dieser ganzen Zeit wurde auf dem Deck der Jacht kein Wort gesprochen.

Aber allgemach begannen sich nun die unzweifelhaften Zeichen eines zusammenziehenden Gewitters zu zeigen, und bei ihnen konnte es Klassen nicht über das Herz bringen, zu schweigen, besonders als der Schoner wie im Nu trotz des aufspringenden Windes, jeden Lappen barg.

Wardow nahm die Vorschläge des alten Seemannes brummend und dem Anschein nach unwillig auf, jedoch gab er seine Erlaubnis, ebenfalls die Segel zu bergen. Beide Schisse trieben tot vor dem wechselnden Lufthauch bald hier, bald dorthin.

Es war gar nicht mehr zu verkennen, dass das Wetter über den Schiffen zum Ausbruch kommen, und ebenso, dass es sich als eines der schwersten zeigen werde, was Klassen im vorwurfsvollen Ton bemerklich machte. Wardow hieß ihn schweigen.

Das ganze Firmament hatte allgemach eine schwarze Färbung angenommen. Im Zenit jedoch zeigten sich zwei mächtige, schwarze Wolkenballen, die sich langsam nach Nordost wälzten, der Wind blies pfeifend von verschiedenen Seiten und ließ die See kochen. Doch noch hatte es nicht geblitzt, noch sich kein Donner hören lassen. Die Schwestern, die kommenden Szenen ahnend, blickten ab und zu angstvoll durch die Kajütenklappe.

Da plötzlich erfolgte Blitz und Schlag zugleich, Ersterer fuhr zwischen den Schiffen in die See, Letzterer war der Art, dass man hätte glauben können, der Erdball berste. Zugleich gewannen die veränderlichen Windstöße an Vehemenz, und von nun an war der Kampf der Elemente unausgesetzt im vollen Gange. Klassen hatte die Leitung des Schiffes übernommen, Wardow war blass wie eine Leiche. Dyk ging lächelnd an ihm vorüber in die Kajüte, der Junker hatte nichts dagegen und jener versuchte die Damen zu beruhigen, was ihm auch fast gelungen war, als plötzlich das Feuer in ganzen Massen vom Himmel zu fallen schien und ein fürchterlicher Schlag erdröhnte, der das ganze Schiss erschütterte. Diesem ersten folgte sofort ein zweiter, von gewaltigem Zerbrechen begleitet.

Dyk sprang aus der Kajüte und die Treppe hinauf, wobei er gegen die Wand geschleudert wurde, was ihn erkennen ließ, dass die Jacht nicht mehr stetig lief. Sein erster Blick war dieses Mal zu dem Schoner gerichtet, der stolz dahinzog. Mit dem zweiten fasste er die Gräuel der Verwüstung auf dem Verdeck der Jacht ins Auge.

Der Blitz hatte den Mast getroffen und die ganze Stenge mit ihrem Takelwerk auf den Roof geworfen und diesen dadurch zerschmettert. Der Mast selbst war von oben bis unten gespalten, im Hinterschiff lagen Wardow und Klassen, ebenfalls von der Stenge getroffen; Ersterer wimmernd, Letzterer ohne Besinnung und aus einer Kopfwunde blutend. Die Matrosen standen vor Entsetzen starr und regungslos im Vorderschiff.

»Holla!«, rief Dyk, »Mut gefasst, Leute … herbei, das Deck klar!«

Durch seine Zurufe zur Besinnung kommend, sprangen die Matrosen hinzu. Die Stenge wurde über Bord geworfen, die Takelage zerhauen.

»Kappt auch den Mast!«, rief Dyk, selbst tätig überall zugreifend, »zwei Mann an die Pumpe, wir sind leck … Ruder festgehalten!«

Nachdem die nötigsten Anordnungen getroffen waren, kümmerte sich der Kapitän um die beiden Verletzten. Dem Junker war ein Bein zerschmettert, Klassen hatte eine klaffende Wunde am Kopf. Er kam zu sich, als man ihn aufhob. Beide wurden einstweilen in die Kajüte gebracht.

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