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Neue Gespenster – 7. Erzählung

Samuel Christoph Wagener
Neue Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit
Erster Teil
Siebente Erzählung

Herr von Tsch… ersticht ein Gespenst, welches Wasser anstatt des Blut vergießt.

Meine Eltern, die ein kleines Gut bei Haynau in Schlesien besaßen, hatten mich und meinen jüngeren Bruder nach Liegnitz auf die Ritterakademie geschickt, wo wir uns zu unsrer militärischen Bestimmung ausbilden sollten. Als wir einst im Winter unsere Eltern besuchten, traf es sich, dass eben zu der Zeit auch andere Verwandte zum Besuch dort angekommen waren. Uns konnte daher kein anderes Zimmer zum Schlafen angewiesen werden, als eine Kammer, die nun zwar reinlich war, vormals aber bloß zum Aufenthalt für diejenigen jungen Kälber gedient hatte, die im Winter fielen, und dort einquartiert wurden, um gegen den strengen Frost gesichert zu sein. Man hatte uns hier ein Doppelbett aufgeschlagen. Da wir beide von der Reise und von der Kälte sehr ermüdet waren, legten wir uns bald nach dem Abendessen nieder, ohne uns um das Lokal unseres Schlafzimmers weiter zu bekümmern, und schliefen ein.

Mitten in der Nacht erwachte mein Bruder und erblickte nicht weit vom Bett eine weiße Figur mit einem feurigen Kopf. Es lässt sich denken, dass er durch das Überraschende und Unbegreifliche dieses Anblicks heftig erschüttert wurde.

Er wandte sich leise zu mir und stieß mich mit dem Ellenbogen an. Mein tiefer Schlaf nötigte ihn, die Mahnung zu wiederholen und stärker einzurichten. Endlich fuhr ich mit der Frage auf: »Was gibt es denn?«

Flüsternd erwiderte er: »Siehe doch nur, was da steht.«

Indem erblicke auch ich die Figur, die allerdings Schrecken einjagen konnte. Sie hatte ungefähr die Größe eines kleinen Mannes; ihr Kopf war durchaus feurig; der Körper aber bis auf die Erde weiß verhüllt. Nachdem ich mich durch einen nochmaligen, scharfprüfenden Blick überzeugt zu haben glaubte, dass die Erscheinung nicht bloß in unserem, Gehirn existierte, nahm ich meinen hinter dem Bett stehenden Degen, zog ihn aus der Scheide, richtete mich im Bett auf und fragte mit lauter Stimme: »Wer ist da?«

Das Gespenst blieb stumm.

«Rede«, rief ich, »oder ich steche dich über den Haufen.«

Da auch hierauf keine Antwort erfolgte, stach ich, über meinen Bruder weg, mitten in diese Gestalt hinein. Das Gefühl und ein pfeifender Ton überzeugten mich, dass ich kein Geschöpf der bloßen Einbildung, keine Mondscheinfigur durchbohrt hatte. Der Geist gab einen rauschenden Blutstrom von sich.

Indem trat ein Bedienter, der nicht weit von uns geschlafen und mein Rufen gehört hatte, hinein, und fragte, was ich verlange.

Das Licht, welches er mitbrachte, löste augenblicklich das ganze Rätsel. Unser Schlafgemach war einst, der frierenden Kälber wegen, mit einem Kachelofen versehen worden. In denselben war ein sogenannter Ofentopf mit eingemauert, damit stets warmes Wasser für das jung Vieh bei der Hand sein sollte.

Dieser Topf hatte einen kupfernen Deckel, der in die Höhe gelehnt war, und von dem Ofentopf selbst hing ein Handtuch herab. Der Mond schien durch das in der Kammer oben angebrachte kleine Fenster gerade auf den aufrecht stehenden, blank gescheuerten, kupfernen Deckel und bildete den feurigen Kopf. Aus dem Loch, das ich in den Topf gestochen hatte, sprudelte das darin befindliche Wasser hervor.

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