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Der Welt-Detektiv Band 6

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Elbsagen 80

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

81. Der böse Rotmann zu Tangermünde

Vor uralten Zeiten lebte in der kleinen Straße zu Tangermünde ein altes ehrwürdiges Ehepaar. Ein kleines Häuschen war ihr Eigentum, ihr Erwerb bestand in Handarbeiten und Bienenzucht, die der Mann in seinem Hausgärtchen betrieb. Eines Tages war der Greis auch in seinem Gärtchen und sah nach seinen arbeitsamen Lieblingen. Die Frau wollte ihn zum Mittagessen hereinrufen und trat in die Hintertür des Hauses, die in den Garten führte. Sie fand aber ihren Mann nicht allein, sondern gewahrte, dass er einen Zuschauer bei seiner Arbeit hatte, dessen sonderbare Tracht und unheimliches Aussehen sie mit Schrecken erfüllte. Ein langes, feuerfarbenes Gewand umschloss die kleine Gestalt und eine rote Kappe bedeckte sein Haupt, das mit todbleichem Gesicht sich über die Schulter des emsig arbeitenden Greises neigte. Entsetzt zog sich das Mütterchen zurück und wagte es nicht, ihren Gatten zu rufen. Ihr Schrecken wurde aber noch vermehrt, als sie, im Wohnzimmer angekommen, auf ein altes, seit undenklichen Zeiten an der Wand dieses Hauses hängendes Gemälde blickte, das täuschende Ähnlichkeit mit dem Fremden im Garten hatte. Als nach längerer Zeit ihr Mann ins Zimmer trat und sie fragte, warum sie ihn denn nicht schon längst zum Essen gerufen habe, da wagte sie es, ihn nach dem Fremden zu fragen. Ihr Mann aber wollte von keinem Fremden etwas wissen und meinte, sie müsse geträumt haben und wolle ihn wohl zum Besten haben. Da sie das Gegenteil behauptete, so entstand zwischen den beiden Eheleuten ein Zank, der erste in ihrer langen Ehe. Als nun die Frau am anderen Tag wieder um Mittag ihren Mann aus dem Garten zum Essen hereinrufen wallte, sah sie dieselbe gespenstische Gestalt ihrem Mann bei der Arbeit zuschauen. Der Fremde und der Alte sprachen kein Wort miteinander, ja sie bemerkte, wie ihr Mann dicht zu der Erscheinung hintrat, sogar durch sie hindurchzugehen schien und darauf ihr freundlich zunickend sagte: »Nun, ist das Essen fertig und siehst du etwa wieder den gestrigen Besuch neben mir?«

Diese Worte gaben der armen Frau die Überzeugung, ihr Mann habe entweder ein Bündnis mit dem Bösen gemacht oder diesen gelüste nach seiner Seele. Sie antwortete deshalb nicht, sondern ging noch am demselben Tag zu ihrem Beichtvater, um ihm ihre Besorgnisse mitzuteilen. Dieser gab ihr den Rat, des anderen Tags zur Mittagsstunde in den Garten zu gehen, vor der Erscheinung ein Kreuz zu schlagen und sie im Namen Jesu Christi zu fragen: »Von wannen kommst du und wohin willst du?« Dann werde der Geist, ob heilig oder unheilig, ihr gewiss Antwort geben. Die alte Frau erwartete mit Zagen und Beben den folgenden Tag. Ihr Mann ging, obwohl sie ihn drängte, nicht in den Garten, und so musste sie allein die Beschwörung unternehmen. Mit der Mittagsglocke war auch die feuerfarbene Gestalt da. Die Frau tat zitternd die ihr gebotenen Fragen. Da berührte die Erscheinung mit eiskalter Hand ihre Wange, sodass sie ohnmächtig niederstürzte. Ihr Mann fand sie ausgestreckt auf der Stelle, wo im Garten sich zwei Steige kreuzten, liegen, hatte aber selbst den Rotmann nicht erblickt. Die Frau starb, nachdem sie ihrem Mann und dem Beichtvater die Begebenheit erzählt hatte, am dritten Tag und nahm fünf schwarze Streifen im Gesicht als Malzeichen des bösen Geistes mit ins Grab. Seitdem geht der rote Mann in dem Garten besonders am Kreuzsteig um, spricht aber nie und tut niemand etwas zuleide.

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