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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XXXIX

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XXXIX. Stadt Denver. Abenteuer auf dem Weg nach Wyoming Territory. Laramie an der Union-Pacific-Bahn. Black Hills von Wyoming. Emigrant von Missouri. Green River City. Übergang über den Green River. Per Ochsenpost zu den Sweetwater Goldminen. Über das Felsengebirge. Little Wind River. Shoshonen. Onkel Billy. Skalptanz. Häuptling Washakee. Der Rübenacker.

Von Colorado Springs ging ich direkt nach Norden und verbrachte die erste Nacht mit einigen Engländern, die da eine Schafranch besaßen. Da sie alle musikalisch und mit Violinen, Tamburine usw. versehen waren, so fehlte es nicht an Abendunterhaltung. Am nächsten Tag ritt ich weiter, den schönen Gebirgen entlang und erreichte am fünften Tag die Stadt Denver, oder die Hauptstadt des Territoriums von Colorado. Hier stellte ich meine Pferde in den Stall, ging zum Planters Hotel, um einige Tage da zu logieren. Ich besuchte das Theater jeden Abend, die Bier- und Esshäuser beim Tag und amüsierte mich sehr gut. Bald jedoch hatte ich wieder genug von der Stadt und machte mich auf den Weg, um frische Gebirgsluft zu genießen. Meine Richtung war etwas nordwestlich durch die Gebirge, wo es viel Wild und Geflügel gab, und ich nahm mir daher auch Zeit. Gewöhnlich brach ich früh auf und ritt bis gegen elf Uhr, sah mich dann nach Wasser und Gras um, ließ meine Pferde ein paar Stunden laufen, um nur selbst ein Mittagsmahl zu kochen und während der Hitze des Tages im Schatten eines Baumes oder Strauches mein Pfeifchen zu rauchen.

Zwischen drei und vier Uhr brach ich dann wieder auf und ritt zehn bis zwölf Meilen weiter, je nachdem, bis ich einen guten Platz für mein Nachtlager fand. Eines Vormittags ritt ich lange, ehe ich gutes Gras für die Pferde und für mich einen passenden Platz zum Mittag halten fand. Endlich traf ich auf einen solchen ganz nach meinem Geschmack. Ich nahm schnell die Sättel von meinen Pferden, ließ sie laufen und beschäftigte mich mit der Zubereitung eines Präriehuhnes. Zweihundert Schritte weiter stand ein Haus.

Als ich in der besten Arbeit war, kam ein Junge herüber und redete mich mit den Worten an: »Mein Vater sagt, er erlaube niemand, hier sein Lager zu machen.«

Nun wusste ich recht gut, dass das Gesetz in Colorado jeden Farmer zwang, sein Land einzuzäunen. Und dieser Herr hatte, wie ich sah, bereits zweimal so viel eingezäunt, als er recht dazu hatte. Er wollte demnach noch die ganze Umgegend für sich reservieren, was mir etwas zu unverschämt vorkam.

Ich sprach daher zu dem Jungen: »Sag deinem Vater, er solle zum T…l gehen, und dann sag ihm auch, dass der Sombrero von Texas da sei. Wenn er etwas wünsche, möchte er sobald als möglich herauskommen, denn vor der Hand würde ich noch einige Zeit hier bleiben.«

Während ich so sprach, wischte ich den Staub von meinem Gewehr, lehnte es gegen meinen Sattel, holte meinen großen Revolver hervor und legte ihn neben das Gewehr. Dann säuberte ich mir mit meinem langen Messer die Zähne. Das machte den richtigen Eindruck. Der Junge lief nach Hause, um seinem Vater meine Antwort zu überbringen und ihm die wilde Erscheinung Sombreros zu beschreiben. Ich hörte aber nichts mehr von beiden, obwohl ich sie hinter dem Haus hervorsehen und mich beobachten sah, blieb daher statt zwei Stunden gleich bis nächsten Morgen auf dem Platz, der mir nun erst recht gut gefiel.

Am Morgen machte ich mich wieder auf den Weg und ging der alten Emigrantenstraße zu, welcher ich einige Tage folgte. Hier holte mich ein einzelner Reiter ein und wir ritten ein paar Tage zusammen. Er war von Los Angeles Cal., hatte Pferde in den Osten gebracht und war nun auf dem Weg nach Raft River in Utah, von wo aus er eine andere Herde Pferde nach Colorado zu bringen hatte. Wir holten einen großen Wagenzug von Emigranten, welche nach Oregon zusteuerten, ein. Die Emigranten engagierten meinen Begleiter Sh. als Führer, da die Wasserplätze oft schwer zu finden waren und nun gerade eine lange trockene Stelle vor ihnen lag. Sie zogen miteinander ab, während ich zurückblieb, um einen Tag zu jagen und meine Pferde ausruhen zu lassen. Ich hatte eine fünfzig Meilen lange Strecke ohne Wasser zu passieren. Deshalb wollte ich meine Pferde frisch haben, um ohne Aufenthalt und so schnell als möglich darüber zu kommen.

Am zweiten Tag machte ich mich in aller Frühe auf den Weg und ritt über Hügel und durch öde Strecken, welche von verschiedenen Arten des Osage-Busches bewachsen waren. Außer einigen Antilopen bekam ich kein lebendes Wesen zu sehen. Es wurde Abend und noch kein Zeichen von Wasser, so weit das Auge reichte. Ich hatte während der Hitze des Tages meine Pferde geschont, nun aber wurde es kühl, die Sonne ging unter und ich ging über alles weg, bis ich zwischen zehn und elf Uhr abends eine kleine Quelle erreichte, neben welcher ich die Gestalt eines Mannes erblickte, den ich alsbald als Sh. erkannte und begrüßte. Er erzählte mir, dass er die Emigranten verlassen habe und sich einem anderen Zug angeschlossen habe, der eine Meile von der Quelle sein Lager hatte; er wäre nur zurückgekommen, um ein Fässchen Wasser zu holen. Wir ritten miteinander zum Lager, wo ich absattelte und meine Pferde laufen ließ. Die Emigranten, die immer den Kopf voll Indianern, Prärieräubern und Pferdedieben hatten, machten bedenkliche Gesichter, in dieser wilden Gegend einen einzigen bewaffneten Mann, der wie es schien, ein alter Bekannter ihres Führers war, gegen welchen sie schon einiges Misstrauen hegten, bei Nacht und Nebel in ihr Lager reiten zu sehen. Doch die Prärie ist frei für jedermann. Ihnen einen guten Abend hinwerfend, hielt ich auf dem ersten Fleck, der mir gefiel, ließ meine Pferde laufen und machte mich an die Zubereitung meines Abendmahles, wobei mich Sh. nach Kräften unterstützte. Die Emigranten steckten die Köpfe zusammen und berieten sich leise. Das ging nicht mit rechten Dingen zu, dass wir beide alte Bekannte waren. Bilder von Verrat, nächtlichen Überfällen, Blut und Mördern schwebten vor ihrer Seele.

Sh., der ihre Ideen kannte, benachrichtigte mich davon. Als die Emigranten sich neugierig um unser Feuer drängten, sprachen wir von einigen Pferdedieben, die am Bitter Creek lebten und von ihren Abenteuern wie von alten Bekannten. Während unsere Zuhörer auf jedes Wort horchten, wechselten wir unsere Sprache von Englisch in Spanisch. Nun waren sie ihrer Sache gewiss. Jedenfalls müssten wir Mitglieder einer dieser Banden sein, welche die Gegend schon seit Jahren unsicher gemacht hatten, und somit wäre die höchste Wachsamkeit von ihrer Seite nötig geworden. Einer fragte mich, ob ich nicht fürchtete, meine Pferde zu verlieren, wenn ich sie so frei laufen ließ, worauf ich ihm antwortete, dass diese das Lager nie verließen und dass sie schon deswegen nicht gestohlen würden, weil jedermann wisse, dass es meine Pferde seien.

Nun, die Emigranten banden ihre Pferde fest an die Wagen, manche sogar mit Ketten, die sie mit einem Schloss befestigten, und stellten doppelte Wachen auf. Die Nacht ging ohne irgendein Ereignis vorüber und das erste am Morgen war, dass sie ihre Pferde und Maultiere laufen ließen, während sie Frühstück kochten, ohne auch nur einen Mann zu ihrer Bewachung mit hinauszuschicken. Daher hielt ich dem Anführer der Auswanderer eine Vorlesung und zeigte ihm seine Unvorsichtigkeit. Während sie ihre Tiere die ganze Nacht ängstlich bewacht hatten, ließen sie bei Tagesanbruch sämtliche eine Meile vom Lager grasen, ohne die geringste Aussicht oder Bewachung, sodass ein Mann die ganze Herde forttreiben konnte, ohne von den Auswanderern im Lager nur im Geringsten daran gehindert zu werden.

Am Morgen verließ ich sie wieder und ging meinem eigenen Weg nach. Ich hatte schon viele Tage keine Ansiedlung getroffen, außer am Platte, Cache La Poudre, Big Thomson und anderen Flüssen, welche ich überschritt, kurz nachdem ich Denver verlassen hatte. Mit der Zeit kam ich heraus auf die Union-Pacific-Bahn zu, welche ich bei Laramie zum ersten Mal zu sehen bekam. Da hielt ich mich einige Stunden auf, um im Laramie River zu angeln, der ganz mit Fischen (Suckers) angefüllt schien. Dann verließ ich die Bahn wieder, die Laramie Plains rechts liegend lassend, und stürzte mich in die Black Hills von Wyoming, wo ich ausgezeichnete Jagd fand und sehr langsam reiste, um die frische Luft und schöne Gegend zu genießen.

Zunächst kam ich zum Bitter Creek Land, wo das Wasser so viel Alkali und Salz enthält, dass es weder für Mann noch Pferd genießbar ist. Ich war deshalb oft genötigt, fünfzig Meilen in einer Strecke zu reiten. Auf der alten Emigrantenstraße traf ich wieder einen Auswanderer, der vom Staat Missouri kam und nach Oregon zu gehen beabsichtigte. Er hatte seine Familie, bestehend aus einer Frau und zwei Kindern, mit sich, die in einem von zwei Ochsen gezogenen Wagen fuhren. Es waren sehr nette Leute und ich schloss mich ihnen an, wurde dabei auch der Last des Kochens überhoben, da ich meine Provisionen Frau W. übergab, welche sie für mich zubereitete. Mit der Zeit erreichten wir Rock Springs an der Union-Pacific-Bahn, eine Station, wo sehr reiche Kohlenminen bearbeitet werden, wo aber so wenig Wasser ist, dass der Kaufmann, welcher den einzigen Brunnen in Beschlag genommen hatte, die Frechheit besaß, Wasser für 25 Cent per Eimer an Reisende zu verkaufen. Da ich aber Wasser immer für einen notwendigen Artikel gehalten habe, auf welchen jedermann so gut wie zum Gebrauch der frischen Luft volles Recht hat, so hatte ich nicht die geringste Lust, für etwas zu bezahlen, das für das Wohl aller Menschen geschaffen ist. Als daher ein Kommis aus dem Laden kam, mit dem Schlüssel versehen, um das Schloss, mit welchem die Pumpe gesichert war, zu öffnen, so wartete ich ruhig, bis er seinen Eimer voll Wasser gepumpt hatte, ritt hin und stieg ab. Als er seinen Eimer wegnehmen wollte, packte ich ihn sanft beim Kragen, schob ihn auf die Seite und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, dass er sich am besten neutral verhalten solle. So pumpte ich Wasser, bis meine Pferde ihren Durst gelöscht hatten, worauf ich selbst einen halben Eimer trank, meine Feldflasche füllte, dann dem dienstbaren Geist mit einem gnädigen Wink zu verstehen gab, dass ich fertig sei und dass er von mir aus sein Wasser wieder versperren könnte. Er stand noch lange da und sah mir mit offenem Mund nach, als ich stolz dahin ritt mit einer Haltung, wie es sich für den Krieger Sombrero gebührte. Schon seit einigen Tagen hatte W. und Familie von nichts als ein wenig Kornmehl gelebt. Ich stellte ihm meinen Vorrat Provisionen zur Verfügung.

Nach einigen Tagen erreichten wir Green River City, eine bedeutende Station der Union-Pacific-Eisenbahn, wo ich wieder frische Vorräte anlegte. Nachdem aber W. keine Vorbereitung traf, etwas zu kaufen, fand ich auf mein Fragen, dass er nicht einen Pfennig Geld mehr übrig hätte. Dies war eine schöne Situation für eine Familie Auswanderer, die noch über tausend Meilen vor sich hatte, ehe sie an den Ort ihrer Bestimmung in Oregon gelangte, die dazu noch den ganzen Winter vor sich hatte, ehe sie nur beginnen konnte, Land zu bebauen. Glücklicherweise war ich zurzeit ein halber Millionär. Ich kaufte ihnen also für einen Monat Vorrat von allem Nötigen, gab dem Mann einiges Geld für den Notfall und setzte ihn zu meinem Universalerben ein, im Falle ich auf der Reise skalpiert würde, was aber nicht vorkam. Hier hatten wir über den Green River zu gehen, welcher sehr groß und zurzeit sehr angeschwollen war, mussten daher mit dem Kahn übersetzen. Da ich aber keine Lust hatte, für die Überfahrt meiner Pferde zu bezahlen, welche sich immer ein Vergnügen daraus machten, zu schwimmen, so legte ich Sättel und Gepäck in W.s Wagen, führte meine Pferde an das Wasser, gab ihnen einen leichten Schlag mit der Peitsche und fort gingen sie in den rauschenden Strom. Bald erreichten sie das Ufer auf der anderen Seite, wo sie sich belustigten, im Sand zu rollen und Gras zu fressen, bis wir mit dem Wagen hinüberkamen.

Die Nacht kampierten wir am Fluss und am nächsten Tag ging es durch eine hügelige Gegend, wo mir einige freundliche Shoshonen begegneten, welche eine Ladung Hirschfelle zum Verkauf zum Städtchen Green River brachten. Der nächste Tag führte uns nach Bryan Station an der Bahn, wo ich ein paar Tage auszuruhen gedachte. Hier hörte ich von den einhundert Meilen entfernten Sweet Water Goldminen und beschloss, hinzusteuern, um einige Zeit dort zu verweilen. Ich teilte daher Freund W. meinen Entschluss mit und riet ihm, es auch zu probieren. Er stimmte mir sogleich bei und wir setzten unsere Abreise für den zweiten Tag fest. Nun war es sehr schwer, in den Minen Pferde zu behalten, sowohl wegen der Kälte im Winter als auch wegen der Indianer im Sommer. Da mir gerade jemand eine gute Offerte für meine Pferde machte, verkaufte ich beide und nahm meine Passage in W.̓s Ochsenpost. Es war ein ziemlich langsames Reisen, doch kamen wir auch vorwärts, setzten über den von Indianern her berüchtigten Fluss Sweet Water und lenkten am fünften Tag unsere Ochsen in die Hauptstraße des Minenstädtchens South Pass ein, wo wir von der Bevölkerung, die aus sieben Personen bestand, sehr freundlich empfangen wurden. Diese Stadt war, wie so viele Minenstädte, von Spielern und Spekulanten in sehr kurzer Zeit aufgebaut und ebenso schnell wieder verlassen worden. Die Häuser waren hübsch, viele zweistöckig, mit eisernen Öfen, manche sogar noch mit Möbeln versehen. Weil die Eigentümer schon lange nicht mehr da waren, so konnte jeder in Besetz nehmen, was er wollte. W. richtete sich ein hübsches Haus für seine Familie ein, schleppte Möbel von allen Seiten herbei, wobei ihm die alten Bewohner, welche die besten Sachen versteckt hatten, nach Kräften halfen, und in zwei Tagen hatte er Möbel und Sachen genug, um drei Familien auszustaffieren.

Einige Meilen von South Pass liegt das militärische Fort Stambough, in welchem gerade Heukontrakte ausgegeben wurden, und da W. ein industrieller Mensch war, nahm er selbst einen kleinen Kontrakt und verdiente damit in einem Monat über siebenhundert Dollar. Für mich war jedoch diese Gegend noch zu stark bewohnt. Ich packte daher meinen Reisesack und machte mich über das Felsengebirge. Auf der anderen Seite stieg ich hinab nach Red Canyon, einer tiefen Schlucht, von hohen roten Felswänden eingeschlossen, wo ein kleines Haus stand, welches Herrn Tweed in South Pass gehörte. Er hielt eine Herde Schafe hier und bebaute auch sehr ausgezeichnetes Gartenland. Mein Weg führte nun von einer Schlucht zu der anderen, bis ich am dritten Tag in das fünf Meilen breite Tal des großen Popoagia River eintrat, welches von einigen Kanadiern (Franzosen) bebaut wurde. Sie trugen beim Pflügen die Gewehre auf dem Rücken und verließen überhaupt das Haus nie, ohne vollständig bewaffnet zu sein, denn ich befand mich nun in einer Gegend, die fortwährend von den feindlichen Sioux heimgesucht wurde, was die frischen Gräber am Weg deutlich bewiesen. Ich nahm Quartier bei einem Herrn Meiggs, einem Original von Menschen, der eben sein bestes Maultier erschossen hatte, weil es nicht schwer ziehen wollte. Ich wnurde bei ihm sehr gut bewirtet. Am Abend kam ein Wagen von der Indian Agentur am Wind River an, welcher am Morgen wieder zurückgehen wollte. Ich engagierte sogleich einen Sitz, um mit hinüberzufahren. In aller Frühe aber hatten wir ein Scheibenschießen und andere Unterhaltungen, sodass wir die Ansiedlung erst gegen Abend verließen.

Gegen Mitternacht erreichten wir Wind River. Ich begab mich zu der Ranch eines alten Schottens, Onkel Billy Rogers genannt, der immer ein offenes Haus hielt, und legte mich zur Ruhe. Bei Tagesanbruch war alles lebendig, die Betten, von welchen jeder sein eigenes mitbringt, mussten zusammengerollt und auf die Seite gelegt werden, um Raum zu machen für die Zubereitung des Frühstücks. Da sämtliche Anwesende mithalfen, so war es bald fertig und die Gesellschaft setzte sich um den Tisch. Das Haus war von Adobe gebaut, sehr stark und ringsum mit Schießscharten versehen. Es enthielt zwei Zimmer, ein kleines, welches als Proviantkammer und Schlafzimmer für Onkel Billy diente, und ein großes, das Küche, Wohn-, Spiel- und Schlaf- zimmerstelle vertrat. Wenn spät nachts die Gesellschaft mit Kartenspielen fertig war, wurden die Tische auf die Seite geschoben, Decken ausgebreitet und der Schlafsalon war fertig. Gegenwärtig waren außer Onkel Billys Leuten noch vierzehn Mann Jäger und Trapper da versammelt, welche alle ihre Waffen an den Wänden aufgehängt hatten, sodass das Zimmer mehr einem Arsenal als einer friedlichen Wohnung glich. Nach dem Frühstück machte ich meinen Spaziergang, um mich in der Gegend umzusehen. Eine Meile vom Haus waren die Gebäude der Shoshone-Indianer-Agentur, wo der Agent mit seinem Personal wohnte. Dann kamen die Lagerhäuser, Werkstätten usw. Hinter der Agentur kam Camp Brown, welches eine Garnison von drei Kompanien Soldaten hatte. Als Nächstes kam die Ranch eines Texaners, welcher mit einer Indianerin verheiratet war und der im letzten Indianerkrieg in den Black Hills die Shoshone führte. Auf der anderen Seite war das Haus des Amerikaners Bill Boyd, welcher ebenfalls mit eine Halbblutindianerin, Cousine des großen Häuptlings Washakee, verheiratet war. Diese hatte aber im Osten auf den Schulen ihre Ausbildung genossen und war eine fehr nette Frau. Neben ihm war das Lager der Shoshone, welches aus sieben- bis achthundert Wigwams, von Büffel- und Elkhäuten gemacht, bestand. Das war die ganze Bevölkerung des großen Wind River Valley, welches häufig von feindlichen Indianern heimgesucht worden und bereits der Schauplatz mancher blutigen Szene gewesen war. Die Shoshone waren erst von dem Big Horn River zurückgekommen, wo sie mithilfe der hiesigen Truppen die Sioux in einer Schlacht geschlagen, fünfhundert Pferde nebst einer Anzahl Skalpe erbeutet hatten und nun ihre Skalptanz hielten. Ich begegnete einer Anzahl festlich geschmückter Indianerinnen. Jede trug eine Stange, an dessen Ende ein feindlicher Skalp hing. Eine Menge Krieger, Frauen und Männer schlossen sich dem Zug an, als er sich langsam durch das Dorf bewegte. Die Skalpträgerinnen stimmten einen Gesang an, in welchen die Menge als Chor einstimmte. So zogen sie mit viel Lärmen und Singen zu dem Beratungswigwam, wo die Festlichkeit und der Tanz, der über eine Woche die ganzen Nächte hindurch dauerte, begann.

Für eine längere Zeit waren auf dem Berg nächtlich große Feuer, an welchen die Frauen der im Gefecht getöteten Shoshone ihre Trauerzeit abhielten und die Gegend mit ihrem Geheul, das sie während der ganzen Nacht unterhielten, erfüllten. Die erbeuteten Pferde wurden geritten, probiert und Wettrennen abgehalten, bei welchen ein Pferd Boyds, das sein Bruder ritt, stürzte, sodass wir diesen bewusstlos nach Hause trugen, wo er viele Tage in einem kritischen Zustand lag. Ich blieb zwei Monate bei Boyd. Während dieser Zeit schlichen sich oft feindliche Indianer herein und stahlen Pferde, sowohl von uns als auch von den Shosnone. Wir verloren trotz aller Vorsicht viele Pferde. In einer Nacht holten sie sogar eine sehr feine Mähre, die an der Tür festgebunden war, mit einem einjährigen Füllen, ohne dass wir es eher bemerkten, als zu spät. Das Unangenehme war, dass von den Shoshone immer mehr oder weniger bei Nacht umherritten und gingen, sodass, wenn feindliche Indianer sich um das Haus bewegten, wir sie in der Finsternis für Shoshone hielten und sie nicht weiter beachteten. Doch wurde mancher diefer Marodeure von den wachsamen Shoshone entdeckt und ohne Weiteres niedergemacht.

In einer schönen mondhellen Nacht, als wir keine Gefahr fürchteten, ließen wir die Pferde in einer großen Einzäunung laufen. Da stellte sich gegen zehn Uhr eine Bande Sioux ein, welche die Pferde herauszunehmen anfingen. Einer davon war unvorsichtig genug, einen Hengst, der sich nie von Indianern berühren ließ, mit dem Lasso zu fangen und reiten zu wollen. Dieser warf ihn jedoch sogleich ab und galoppierte zum Haus, was uns aufweckte, worauf wir ihn einfingen, uns schnell zu der Einzäunung begaben und den Herren Rothäuten mit einigen Schüssen unsere Anwesenheit kund taten. Nachdem durch den Lärm bereits das ganze Dorf geweckt war und bewaffnete Shoshone von allen Richtungen herangesprengt kamen, so ergriffen die Räuber eilig die Flucht, entkamen auch alle, mit Ausnahme von drei Kriegern, welchen unsere Freunde schnell die Kopfhaut abzogen.

Eine kleine Viertelstunde von unserem Haus entfernt waren einige heiße Quellen, welche einen Weiher bildeten, in welchem das Wasser eine Tiefe von zehn bis fünfzehn Fuß erreichte. In der Mitte dieses Weihers befanden sich die Quellen, wo das Wasser aus dem Boden heraussprudelte. Das Wasser hatte eine hellblaue Farbe, enthielt viel Sulfur, Salz und Alkali und wurde von den Indianern, welche oft darin badeten, als Große Medizin betrachtet. Im Winter konnte man den Dampf viele Meilen weit aus dem Weiher aufsteigen sehen, auch war dann das Wasser duch Wildgänse und -enten besucht. Häuptling Washakee, der ein naher Verwandter Bill Boyds war, machte jeden Sonntag mittags seine Erscheinung und speiste nebst Familie mit uns. Es war natürlich viel daran gelegen, diesen großen Häuptling zum Freund zu haben, da er allein imstande war, uns vor seinem hie und da übermütig werdenden Volk zu schützen, wie zum Beispiel eines Tages, als sie ihr Lager verlegten, was sie gewöhnlich tun, wenn der alte Lagerplatz zu schmutzig geworden ist. Sie schlugen ihre Wigwams rings um unser Haus auf, was uns wenig genierte, bis drei Familien ihre Zelte in unserer Korral errichteten, wo wir jede Nacht über einhundert Stück feine Durham-Kühe einsperrten, sodass wir die Einzäunung natürlich nicht benutzen konnten. Wir ersuchten sie, sich aus unserem Korral herauszuscheren, was sie verweigerten, zu tun, worauf Bill zum Agenten ging, welcher ihnen befahl, unseren Platz zu räumen. Diesen aber lachten sie nur aus. Als Washakee etwas später vorbeikam, rief ihn Bill an und beklagte sich bei ihm. Nach zwanzig Minuten war der Korral geräumt und wir trieben sogleich das Vieh hinein, um anderen daran zu hindern, sich dort zu lagern. Da wir die lieben Indianer nun dicht um unser Haus hatten, so fehlte es an Besuchen nicht, und wir waren genötigt, alles unter Schloss und Riegel zu halten, wenn es nicht verschwinden sollte.

Nicht weit von uns wohnte Jones, ein englischer Ökonom, der hier Ackerbau trieb und einen Acker mit großen Rüben gepflanzt habe, für welche es nun Zeit war, geerntet zu werden, besonders da ihre Blätter bereits gelb waren. Er beschloss also, seine Nübenernte zu halten, ging aufs Feld und begann seine Rüben auszureißen. Die Erste kam sehr leicht aus der Erde, war auch keine Rübe daran, sondern nur das Kraut. Bei der Zweiten ging es ebenso, bei der Dritten auch usw. Im ganzen Feld war auch nicht eine Rübe zu finden, denn die Indianer hatten sämtliche Rüben gestohlen, das Kraut abgeschnitten und wieder in die Erde gesteckt, sodass unser Farmer seinen Verlust gar nicht eher bemerkte, als bis er seine Rüben ernten wollte, wo ihm dann ein Licht aufging. Er stieß schreckliche Verwünschungen gegen den edlen roten Mann aus, was ihm zwar eine Erleichterung verschaffte, die Rüben aber nicht wieder zurückbrachte. Die Regierung verschwendete jährlich viel Geld, um dieses Volk zu zivilisieren, hatte aber bisher noch nicht den geringsten Eindruck zum Guten bei ihnen gemacht. Man hatte hier, um die Indianer zu bewegen, sich niederzulassen und Ackerbau zu betreiben, Häuser für sie gebaut, Land gepflügt und eingezäunt, ja sogar gesät. Sie waren zu faul zum Ernten und ließen ihre Pferde daran, welche es bald abfraßen. ln den Häusern hatten sie großen Spaß, d. h. sie stellten bei schlechtem Wetter ihre Pferde hinein, mochten sie aber nie selbst bewohnen. Manchmal zündeten ihre Kinder eines an, welches dann unter Gesang und Gelächter der Indianer bis auf den Grund abbrannte. Keinen von ihnen konnte man bewegen, auch nur einen Becher Wasser zu tragen, um das Feuer zu löschen.

Vor unserer Haustür war eine Stange angebracht, um Pferde anzubinden, die etwa drei bis vier Fuß vom Boden war. Nun hielt sich um das Haus immer eine Menge Kinder auf, die jedoch, sobald sich ihnenjemand näherte, fortliefen wie wilde Tiere. Als ich eines Abends zur Tür ging, stand ein Junge darunter, mit dem Kopf im Haus, alles wie ein Wunder betrachtend. Er hörte mich gar nicht kommen, bis ich dicht neben ihm war. Sobald er mich erblickte, ergriff er die Flucht wie ein gescheuchtes Reh, bemerkte aber die Stange vor dem Haus nicht und lief so dagegen, dass er sie gerade mit seinem Hals traf. Er prallte zurück und stürzte auf den Boden, wo er wie tot lag. Ich hob ihn sogleich auf, goss einiges Wasser über ihn, fürchtete aber, dass er den Hals gebrochen hatte. Indianer eilten herbei. Für mich hätte eine hässliche Geschichte daraus werden können, wenn der Junge gestorben wäre, besonders, da eine alte Hexe behauptete, dass ich den Jungen zur Erde geworfen hätte. Da aber Madame Boyd auftrat und ihnen in ihrer eigenen Sprache erklärte, wie die Sache gekommen war, beruhigten sie sich einigermaßen. Als vollends der Verunglückte zu sich kam, aufstand und fortlief, zerstreute sich die Versammlung und ein jeder ging wieder seinen eigenen Geschäften nach.

Fort Brown brauchte viel Heu für den Winter. Onkel Billy und Bohd nahmen daher den Kontrakt, fünfhundert Tonnen zu schneiden. Da sie mich darum ersuchten und zu gleicher Zeit gut bezahlten, so fuhr ich eine Mähmaschine für Onkel Billy. Neben der Agentur war eine große Wiese, auf welcher man leicht fünfzig Tonnen hatte schneiden können, aber der Agent wollte es für sich selbst haben, verbot uns deshalb davon zu mähen. Dies ärgerte Onkel Billy, der hier schon Jahre lang, ehe das Land Indianerreservation oder an eine Agentur gedacht war, gelegt hatte. Er sprach daher mit Washakee darüber, welcher sich bereit erklärte, die Sache in die Hand zu nehmen. In aller Frühe am nächsten Tag war eine große Bewegung im Indianerdorf bemerkbar. Die Zelte wurden eingerissen, Pferde gepackt und bald bewegte sich ein langer Zug Indianer zu der betreffenden Wiese, wo sie ihr Lager aufschlugen. Am nächsten Tag war keine Spur vom schönen Gras zu sehen, sondern alles war von Pferden und Menschen in den Boden hineingetreten. Dem Agenten, der sie abhalten wollte, sagten sie, dass sie entweder auf dieser Wiese wohnen müssten oder über die Berge gehen nach Utah, d. h. die Reservation verlassen. Er war machtlos, etwas dagegen zu tun.

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