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Der Welt-Detektiv Band 6

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Neue Gespenster – 3. Erzählung

Samuel Christoph Wagener
Neue Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit
Erster Teil
Dritte Erzählung

Auch der Teufel ist kein Kostverächter

Der Einfluss des leidigen Satans auf die Lage und Entscheidung aller Welthändel ist zur Genüge bekannt, und in der alten Behauptung, dass er umhergehe wie ein brüllender Löwe und suche, welchen er verschlinge, schon oft bewährt und erhärtet ist. Durchläuft man die Annalen seiner Bewunderer, so muss man staunen, wie dieser erhabene Souverän, der überall das Spiel mischt, sich von seinen wichtigeren Geschäften für das scheinbar unbedeutendste Detail löst, denn so liefert ja zum Beispiel die zwanzigste Erzählung des zweiten Teils dieses Werkes den ganz unumstößlichen Beweis, dass der Teufel von den noch jetzt in der preußischen Infanterie gebräuchlichen schwarzen Stiefeletten die einzige Ursache sei.

Desto interessanter möchte es daher sein, das Wirken des Fürsten der Finsternis auf das Genaueste zu beobachten und seine Handelsweise auch in den kleinsten Zügen zu belauschen.

In einem abgelegenen Teile von K…g lebte eine hochbejahrte Bürgerswitwe, welche mit einer armen Muhme von einem geringen Einkommen genügsam haushielt und der Rede nach große Summen beilegte. Unbekümmert um alles, was außerhalb ihrer Wohnung vorging, kannte sie kaum die Leute, die um und neben ihr lebten, und verließ nur selten ihre Wohnung, die sie schon seit siebzehn Jahren nicht geändert hatte.

Im letzten Winter verreiste die Muhme einmal, um entfernte Verwandte auf einige Wochen zu besuchen. Der Teufel erfuhr, dass die sehr furchtsame Alte inzwischen allein schlief. Hierauf gründete er den Entwurf zu einem Überfall. Probemäßig angetan und mit pathetischem Schritt erschien er plötzlich zur zwölften Stunde der dritten Mitternacht. Das Mütterchen hätte auf der Stelle des Todes sein können, so fuhr es beim scheußlichen Anblick des Gehörnten schreckhaft zusammen. Aber die holde Stimme der Erscheinung ließ sich – zweifach wunderbar – wie folgt vernehmen.

»Fürchte nichts, du Gerechte vor Gott! Dir soll kein Leid widerfahren. Ich weiß, dass dein Geld ungenutzt daliegt und komme, um zweihundert Gulden zur Unterstützung Notleidender, die der harte Winter drückt, dir abzufordern.«

Kaum hörte die Alte diese wohltätige Verfügung über ihren Beutel, als sie ohnmächtig auf ihr Lager zurückfiel. Doch die angestammte Galanterie des Höllenfürsten verließ ihn auch hier nicht. Er trat hinzu, reichte ihr höflich die eine Klaue, richtete sie auf und ermunterte sie durch wohlriechende Pomade.

Die Alte überdachte nun den Vorfall. Im angenehmsten Erstaunen über die veränderte Sinnesart des Teufels hielt sie dies für göttliche Fügung, verließ trippelnd ihr Bett, öffnete einen Schrank, und zentnerschwer glitten die alten harten Taler aus ihrer Hand und von ihrem Herzen.

Beelzebub, welcher sich bisher in ehrerbietiger Ferne hielt, strich sie sogleich ein und offerierte dagegen eine mit Blut ausgestellte Quittung, die die gute Alte aber mit Grausen zurückwies.

»Hure!«, so tönte es nun aus dem höllischen Rachen, »durch deine Folgsamkeit erwirbst du das ewige Leben! Nach zweimal drei Nächten kehre ich wieder zurück, um noch hundert Taler zu empfangen. Bereite mir dann süßsaure Keilchen mit Speck, die ich gerne speise. Wirst du aber das Geringste von meinem Besuch verraten, so gilts dein Leben. Das merke dir!«1

Die Witwe, sprachlos zitternd, nickte, und Satanas verließ darauf ihr Gemach, indem er, hergebrachtermaßen, die Tatsache durch einen pestilenzialischen Gestank besiegelte.

Wie im Traum stand die Alte. Nur der offene Spind und die entflohenen Schäfchen riefen ihr die Wirklichkeit zurück. Nun zündete sie ihren ganzen Lichtvorrat an und erwartet räuchernd unter Beten und Singen den Morgen.

Als der östliche Himmel sich erhellte, sank sie ermattet in ihr Bett und erwachte erst gegen Abend, wo sie die Pomade fand.

Wo kam die her? Auf ihrer Toilette war so etwas Contrebande. Offenbar konnte sie also niemand anders zurückgelassen haben als der Teufel selbst. Von Schrecken starr entfernte sie diese traurige Erinnerung und schritt, unbesorgt für ihr körperliches Bedürfnis, wieder zu den Bußübungen, die sie auch in den folgenden Nächten fortsetzte, um womöglich den zweiten Besuch abzuwenden.

Alle Gespenster- und Hexenmärchen ihrer Jugend traten nun wieder lebhaft vor ihre Seele. So sehr sie auch den Verlust ihrer schönen harten Taler bedauerte, so tröstete sie doch deren menschenfreundliche Verwendung sowie die ganz außerordentliche Artigkeit des Satans, mit dem sie sich beinahe aussöhnte, weil er ihr hierbei als ein Werkzeug der Vorsehung erschien. Wirklich hatte er diesmal in den Ton guter Christen eingestimmt und recht erbaulich gesprochen. Auch hatte sie eine lebhafte Freude darüber, dass der Gott sei bei uns sie nicht etwa zu einer Buhlschaft habe verleiten wollen, wie er denn dem schönen Geschlecht oft dergleichen Schlingen gelegt haben soll. All dies bestätigte ihr die Vermutung, er habe dieses Mal wirklich wahr geredet und wolle einmal der notleidenden Armut ein wohltätiger Beistand sein. Einen Betrug ahnte sie daher gar nicht; nur die Pomade war und blieb ihr bedenklich.

Demnach kasteite sie ihren Leib in der Hoffnung, dass der Himmel ihr Gebet erhören und dieser Kelch vorübergehen möge.

Unter solchen qualvollen Vorstellungen und Zweifeln verstrich die Zeit bis zur Schreckensnacht.

Spät am Abend vorher schickte sie sich endlich an, die süßsauren Keilchen zu besorgen, und ging in dieser Absicht zu einem benachbarten Krämer, von welchem sie ihren Hausbedarf zu nehmen pflegte. Der Ladendiener, wohlbekannt mit ihrer ganzen Einrichtung und durch diesen ungewöhnlichen und späten Besuch überrascht, erkundigte sich äußerst teilnehmend nach der Ursache eines so dringenden Geschäftes. Dies erleichterte zwar das Herz der Alten, aber die Drohung des Bösen, die ihr noch immer in den Ohren gellte, und die Nähe der Gefahr schlossen ihr den Mund

Sie zitterte, wurde leichenblass. Ihre Angst löste sich endlich in Tränen auf.

Der neugierige Sohn Merkurs, welcher hierunter ein noch wichtigeres Geheimnis vermutete, wurde immer dringender, bis das weibliche Herz endlich unter der Last brechen wollte. Nun beichtete ihm die Alte offenherzig den ganzen Handel. Dieser unterdrückte mit aller Gewalt das Lachen über die Närrin, erklärte ihr seinen Verdacht, tröstete sie und versprach ihr Schutz und Beistand.

Die Matrone, viel zu vertraut mit ihrer vorgefassten Meinung, weigerte sich, dies anzunehmen. Es entspann sich nun ein großmütiger Wettstreit zwischen dem jungen Mann, welcher die persönliche Bekanntschaft des Höllengeistes suchte und gern den Strauß bestehen wollte, und der gutmütigen Alten, die sich verpflichtet hielt, diesen tollkühnen jungen Mann, den schon ausgestreckten Krallen des Teufels zu entreißen.

List und Überredung brachten jedoch endlich eine Übereinkunft zustande, nach deren förmlichen Abschluss die Dame ruhig in ihre Küche zurückkehrte. Zwar wurde ihr himmelangst, denn sie hatte ihr Wort gebrochen, jedoch rechnete sie auf die Hilfe des wackeren Dieners, mit dem sie eben einen Bund errichtet hatte.

Fünfhundert Gulden zu verlieren, wenn sie auch für Bedürftige bestimmt sind; tatsächlich, das bleibt ein böser Spaß! Sie liebte ihr Geld, sie wünschte es wieder zu erhalten, und überhaut kam ihr der Teufel nun bei Weitem nicht mehr so liebenswürdig vor, wie vorhin.

Schon schwankte sie indessen und neigte sich wieder mehr zu ihrem alten System, je näher die Stunde des gefürchteten Besuches heranrückte.

Gegen elf Uhr schlich ihr Schutzengel in Begleitung eines rüstigen Burschen herbei. Beide nahmen unter dem Bett Platz. Ein handfester Markthelfer legte sich in den Hinterhalt. Bald war alles in Ordnung. Schon durchkräuselten Ambradüfte die Atmosphäre des Zimmere, schon flammten sieben helle Kerzen, hundert blanke Adler blitzen, wo das Lieblingsgericht dampfte auf dem Tisch, wo Madame am Kruzifix, mit dem Brevier in der Hand, den Regenten der Unterwelt erwartete.

Man wird diese künstliche Position bewundern müssen; allein Herr Bockfuß bleibt immer ein furchtbarer Gegner.

Alles war mäuschenstill.

Auf einmal summte die Glocke und Satan erschien, nach Versicherung der Alten, wo möglich fürchterlicher als je. Die Matrone schlug ehrfurchtsvoll ihre drei Kreuze und senkte den Blick voll Demut. Sans façon näherte sich der Grobian dem Tisch, fasste ganz gemächlich das Geld und die rauchende Schüssel.

»Das hat dir Gott geheißen!«, so sprach er, wendete den Rücken und ging davon. Ihm nach stürzte das Korps der Teufelsjäger. Man fasste ihn etwas unsanft auf der Treppe zum höheren Stockwerk und führte ihn unter herzhaften Stößen wieder auf den Schauplatz zurück, wo er noch vor wenig Sekunden mit so vielem Nachdruck aufgetreten war.

Die Alte, welche noch nicht absah, für welche Partei sich der Sieg entscheiden würde, erblickte kaum den Schwarzen, als sie besinnungslos niedersank. Eine derbe Inquisition erhob sich demnächst, und man denke! Ein Friseur, der in dem nämlichen Haus wohnte und um die Umstände der Witwe sehr genau wusste, hatte die Maske des Teufels angelegt, um das einfältige Mütterchen zu plündern.

Als einen geringen Ersatz ihrer Angst erhielt sie auf der Stelle die letzten hundert Taler und noch einen Teil des ersten Kapitals zurück, der Teufel aber wurde sogleich dem Gericht übergeben und bald darauf in seiner Maske öffentlich gestäupt.

Die schönen Klößchen waren über dem Intermezzo verdorben.

War das nicht ein dummer Teufel?

[1]

Show 1 footnote

  1. Soviel man bis hierher abnehmen kann, war der Höllenbote ein preußischer Landsmann, weil er zu einem beliebten Provinzialgericht so starken Appetit zeigte. Auch sprach er plattdeutsch, denn er ist sehr populär.