Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Ein Lykanthrop, den das Kriminalgericht in Angers …

Ein Lykanthrop, den das Kriminalgericht in Angers zum Tode verurteilt, wird vom Parlament in Paris ins Irrenhaus geschickt. (1598)

Am 4. August 1598 hatte Symphorien Damon, ein Bogenschütze aus Angers, mit dem Prior des Klosters der Augustiner, dem er die erste Anzeige gemacht hatte, an einem abgelegenen Ort eine Stunde von Caude, in der Nähe eines zerfallenen Hauses, einen Lykanthrop gefunden. Sie hatten einen Menschen gesehen, der flach auf dem Boden lag, das Gesicht gegen die Erde gerichtet, sehr hässlich, mit langen Haaren und einem böswilligen Blick, der sich bei der Annäherung von Menschen in einen nahen Ginsterbusch flüchtete. In Caude erzählte man sich, dass auf dem Grasanger von Dantos, nahe bei Route Hallière die Wölfe einen Knaben von fünfzehn Jahren zerrissen hätten. Bald darauf brachte man an die Pforte des Klosters der Augustiner auf einem Karren die Überreste des von den Wölfen zerrissenen Kindes. Der Vater des Kindes und drei andere Männer führten angebunden an dem Karren einen gewissen Jacques Roulet mit, der von Damon als derselbe Mensch erkannt wurde, den er flach auf dem Bauch liegend gefunden hatte. Die Begleiter des Karrens sagten öffentlich aus, sie hätten den Leichnam des Kindes unter den Klauen von zwei Wölfen gefunden, Roulet hätte sich als Wolf auf ein benachbartes Feld geflüchtet; denn als sie die Spur der beiden anderen Wölfe verloren und den dritten verfolgten, hätten sie den Roulet auf dem benachbarten Feld als Mensch mit einem verwilderten Gesicht, langen Haaren und mit blutigen, mit langen Nägeln bewaffneten Händen wiedergefunden. Sie ergriffen ihn und fragten ihn, was er da mache. Er antwortete, es wäre nichts Besonderes; aber er gab zu, dass er den größten Teil des Kindes aufgezehrt habe, bevor noch sein Bruder und sein Cousin zu ihm gekommen wären. Der Prozess wurde im August 1598 eröffnet.

Bei dem Kind waren die Schenkel, die Geschlechtsteile, das dicke Fleisch des Körpers und die Hälfte des Gesichts aufgezehrt. Das Fleisch, was an einer Seite noch übrig war, schien offenbar von Zähnen und Nägeln zerrissen zu sein. Es waren außerdem in Caude noch drei Kinder von Wölfen angefallen worden, wozu Roulet sich ebenfalls als Täter bekannte. Als Roulet von dem Karren losgemacht wurde, sah man, dass die Nägel an den Fingern weit über das Fleisch hinausragten. Sein Bauch war groß, gespannt und sehr hart. Im Gefängnis trank er am Abend einen ganzen Eimer voll Wasser aus und wollte seitdem nichts mehr trinken.

In dem Verhör gestand er, dass er mit seinem Bruder Jean und seinem Cousin Julien betteln gehen müsse und dass sie sich am Ende in Wölfe verwandelten. Um dies möglich zu machen, rieben sie sich mit einer Salbe, die sie von ihren Eltern erhielten, ein und dann würden sie Wölfe. Dasselbe sei auch am 4. August 1598 geschehen. Er war damals schon seit acht Tagen von der Wohnung seiner Eltern entfernt. Er habe das Kind Cornier zuerst angefallen und durch Ersticken getötet, erkannte die Kleider, die er damals trug, und den Leichnam des Kindes, gab die Stelle an, an der er es zuerst angefallen und gerissen hatte, erkannte den Vater des Kindes als denjenigen, der auf das Geschrei des Kindes zur Hilfe herbeigeeilt sei. Er gestand, schon mehrere Kinder getötet zu haben.

Die genaueren Antworten, die er Pierre Herault, Lieutenant criminel zu Angers, auf seine Fragen gab, sind: „Ich heiße Jacques Roulet, bin 35 Jahr alt, bin arm und ein Bettler.«

»Wessen bist du angeklagt?«

»Ein Räuber zu sein und das göttliche Gebot übertreten zu haben. Mein Vater und meine Mutter haben mir eine Salbe gegeben. Ich weiß nicht, woraus sie bestand.«

»Bist du durch die Einreibung mit dieser Salbe Wolf geworden?«

»Nein, doch ich habe das Kind Cornier getötet und aufgezehrt. Ich war Wolf, als ich es verzehrte.«

»Warst du Wolf, als man dich festnahm?«

»Ich war Wolf.«

»Warst du als Wolf verkleidet?«

»Ich war so angekleidet, wie ich es jetzt bin, aber mein Gesicht und meine Hände waren blutig, weil ich eben von dem Fleisch des Kindes gegessen hatte.«

»Waren die Füße und Hände zu Wolfsklauen geworden?«

»Ja.«

»War der Kopf zum Kopf eines Wolfes und der Mund größer geworden?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe meine Zähne gebraucht. Ich habe noch andere Kinder aufgezehrt. Ich bin auch beim Sabbat gewesen.«

Der Lieutenant criminel verurteilte Roulet zum Tode. Er appellierte an das Parlament zu Paris, und dieser Gerichtshof erkannte, es steckte mehr Tollheit in dem armen Unglücklichen als Zauberei und Bosheit und befahl, Roulet auf zwei Jahre in das zur Aufbewahrung von Irren bestimmte Hospital von St. Germain des Prés zu stecken, damit er dort unterrichtet und zur Erkenntnis Gottes zurückgeführt würde, die er in seiner bitteren Armut außer Acht gelassen hatte.

Es scheint sicher, dass das Kind Cornier von Wölfen verzehrt worden ist. Es lässt sich aber die Frage aufwerfen, ob es von Roulet oder von den Wölfen getötet worden sei. Es ist leicht denkbar, dass Roulet, der blutarm war, seit acht Tagen in den Wäldern herumirrte, wahrscheinlich vom Hunger gequält, halb wahnsinnig, seines klaren Bewusstseins schon verlustig, sodass er glaubt, zu Zeiten Wolf werden zu können, sich auf das Kind gestürzt und es getötet habe. Seine Hände sind mit Blut besudelt, er selbst gesteht den Mord des Kindes, er erkennt die Personen, welche den Leichnam des Kindes den Wölfen entrissen haben. So scheint er der eigentliche Täter zu sein. Es ist jedoch nicht unmöglich, dass sich die Sache auch anders verhalte. Als der Vater Cornier auf das Geschrei seines Kindes hinzueilt, sieht er zwei Wölfe, die von dem schon zerfleischten Körper fliehen. Wie wären die Wölfe sogleich dazu gekommen, wenn Roulet das Kind umgebracht oder wie würde Roulet seine Beute sogleich verlassen haben? Es ist wahrscheinlich, dass wirkliche Wölfe das Kind überfallen, getötet und angefressen haben, wie dies in jenen mit dichten Waldungen bedeckten Gegenden häufig genug geschah; dass Roulet gerade in der Nähe in demselben Gehölz lag, da er der Überzeugung war, dass sein Cousin und sein Bruder sich ebenso wie er in Wölfe umwandeln könnten, die entfliehenden Wölfe für seine Verwandten gehalten habe, die sich gar nicht an demselben Ort befanden. Während die beiden Wölfe verfolgt wurden, mag Roulet die günstige Gelegenheit benutzt haben, an den Überbleibseln des Leichnams seinen Hunger zu stillen, wobei er seine Hände und sein Gesicht mit Blut besudeln musste.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert