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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XXXV

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XXXV. Abbruch der Stadt Kit Carson. Übersiedlung nach New Las Animas. Unser Koch als Kutscher. Übergang über den Arkansas River. Neues Wohnhaus am Picketwire River. Meine Nachbarn. Tollwütiger Hund. Das lebende Gerippe einer Kuh. Zweiter Winter in Colorado.

Der Winter nahte heran und ich hatte wieder viel zu tun. Man hatte eine Zweigbahn von Kit Carson zur Mündung des Picketwire River am Arkansas gebaut. Daher verließen sämtliche Bewohner die sonst so belebte Stadt Kit Carson, um sich am Terminus der Bahn ein neues Städtchen zu bauen, welches New Las Animas genannt wurde und fünf Meilen weiter flussaufwärts von Las Animas lag. Das war nun eine rege Zeit. Sämtliche Häuser der Stadt, aus Brettern gebaut, wurden eingerissen und per Bahn zur neuen Stadt geschafft, wo man sie ebenso schnell wieder zusammennagelte. Bald war außer dem Eisenbahndepot nichts mehr in Kit Carson zu sehen.

Mein Prinzipal hatte eine Ranch am Picketwire River gekauft, etwa neun Meilen von der Mündung entfernt, und gedachte, das Vieh dorthin zu bringen. Ich nahm also einige Männer und ging ans Sammeln, was mich acht Tage beschäftigte. In Kit Carson brachte ich es in einen großen Korral, um es frisch zu branden und zu markieren, was uns drei Tage tüchtiger Arbeit kostete. Dann machten wir uns auf den Weg mit Vieh, Pferden und einem Wagen. Da der Koch des Herrn Jay – ein außer der Küche unbrauchbarer Mensch – mit mir zu gehen hatte, so setzte ich ihn auf den Wagen, um zu kutschieren. Da er aber nicht die geringste Idee vom Fahren hatte, so wandten sich die Pferde alle Augenblicke um und machten sich auf den Rückweg nach Kit Carson mit dem Wagen und ich musste Vaqueros nachschicken, um die Pferde aufzuhalten und zur Herde zurückzuführen. So machten wir fort unter Schwierigkeiten, bis wir endlich abends neun Uhr Kiowa Springs erreichten, wo wir die Nacht zu bleiben gedachten. Wir waren alle tüchtig hungrig geworden und suchten also, sobald wir das Vieh ans Wasser getrieben hatten, den Wagen auf. Der Wagen aber war nirgends zu sehen. Ich schickte zwei Vaqueros hinaus in die Prairie auf eine Entdeckungsreise. Um zehn Uhr brachten sie den Wagen ins Lager. Sie hatten die Pferde mit dem Wagen in der Prärie umherwandelnd und Gras fressend gefunden, während John, der Koch, ein Bild der Verzweiflung, im Wagen saß und sich nicht zu helfen wusste, denn wollte er die Pferde lenken, so zog er nicht an den Zügeln, sondern schob daran, gerade wie man an einem Schubkarren schiebt. Das half nichts, sondern die Pferde gingen, wohin sie wollten. Es war beinahe Mitternacht, bis wir unser Mittags- oder Abendessen verzehrt hatten und uns zur Ruhe begaben.

Bei Tagesanbruch wurde gesattelt. Wir suchten, während der Koch das Frühstück bereitete, das Vieh zusammen und nach eingenommenem Frühstück machten wir uns auf den Weg. Ich ließ nun einen anderen den Wagen fahren und gab John ein ruhiges Pferd zum Reiten. Kaum waren wir einige hundert Schritte geritten, als ich ein lautes Gelächter erschallen hörte und schnell zurückritt, um zu sehen, was es gebe. Es galt John, einem untersetzten, dicken Kerl mit kurzen Beinen. Er hatte seine Steigbügel so lang geschnallt, dass er sie mit den Füßen nicht erreichen konnte. Bei einem Versuch, den Fuß in den Steigbügel zu stecken, hatte er das Gleichgewicht verloren und hing nun an der Seite des Pferdes, das ruhig fortging, mit einem Knie über dem Sattel und sich mit beiden Händen an der Mähne des Pferdes festhaltend. Er konnte weder hinaufklettern noch heruntersteigen und schien mit der Ruhe der Verzweiflung sein Ende zu erwarten. Nachdem wir uns alle tüchtig ausgelacht hatten, hielten wir sein Pferd an, hoben ihn herab und ließen ihn im Wagen fahren, denn er war einmal nicht zum Pferdebändiger geschaffen.

Da ich sehr viele junge Kälber in der Herde hatte, mussten wir sehr langsam treiben. So kam es, dass wir nachts ohne Wasser waren. Glücklicherweise regnete und schneite es gegen Morgen, sodass das Vieh seinen Durst löschen konnte. Wir selbst hatten nichts zu leiden, da wir für solche Fälle stets einige Fässchen Wasser im Wagen bereit hielten.

Am Morgen hüpfte ein Stinktier um das Lager. Ich nahm Johns Revolver, um es zu schießen, legte an und drückte ab. Ein furchtbarer Knall folgte, der meinen ganzen Arm erschütterte. Das Stinktier war tot und erfüllte die Luft mit Wohlgeruch. Ich hatte den Griff des Revolvers in der Hand, aber der Revolver selbst, wo war er? In tausend Stücke war er zerplatzt und John machte sich mit traurigem Gesicht daran, die Trümmer wieder aufzulesen. Am Abend hielten wir an einer verlassenen Poststation, wo wir hinreichend Wasser aus einem alten Brunnen für unsere Küche und den Bedarf der Pferde zogen, während das Vieh ohne Wasser auskommen musste, was ihm bei den kalten Nächten nicht hart ankam.

Am nächsten Nachmittag erreichte ich den Arkansas. Da der Fluss etwas hoch war, hatten wir viele Arbeit, das Vieh, welches noch nie Wasser über einen Fuß hoch gesehen hatte, hinüber zu bringen. Glücklicherweise kamen einige bekannte Vaqueros des Weges, mit deren Hilfe es gelang, die Herde überzusetzen, indem wir nur immer etwa zwanzig Stück miteinander hineintrieben, einem davon das Lasso umwarfen und es hinüberzogen, während die anderen nachgedrängt wurden. Dennoch wurden einige Tiere halsstarrig und griffen die Reiter an, was ihnen aber schnell verleidet wurde. Denn kaum wurde ein Tier böse, so hatte es im Augenblick ein Lasso an den Hörnern, ein zweites an den Hinterfüßen, und so wurde es von zwei Pferden durch den Fluss geschleift. Bis es das entgegengesetzte Ufer erreichte, war es schon auf ganz friedliche Gedanken gekommen. Gegen fünf Uhr abends hatten wir sie alle glücklich und ohne Verlust auf der Südseite des Arkansas, wo wir sie verließen und uns nach Las Animas begaben, um der feierlichem Eröffnung des neuen Tanz- und Spielhauses beizuwohnen, dessen Eigentümer Sherif oder hohe Polizei der Stadt und zugleich ein raffinierter Spieler war. Einige Tage später trieben wir das Vieh zusammen und hinauf an den Picketwire River, wo ich es auf seinem neuen Gebiet laufen ließ und mich nach meinem neuen Haus umsah. Es war ein starkes, aus Stein gebautes Haus, am Ufer des Flusses stehend und von Gruppen großer Baumwollbäum umgeben. Der Fluss war von Bäumen und allerlei Sträucher bewachsen und lief hier durch ein enges Tal, welches auf drei Seiten von hundert Fuß hohen steilen Felswänden umgeben war. Nur auf einer Seite wanden sich einige Pfade durch Schluchten hin, auf welchen das Vieh von der hohen Prärie zum Wasser und wieder zurück gelangte. Das Tal war viele Meilen lang und bildete einen ausgezeichneten, von Winterstürmen geschützten Platz, in welchem tausende Stück Vieh Schutz gegen die kalten Winde finden konnten. Neben dem Haus war ein anderes Gebäude, das früher als Stallung benutzt worden, gegenwärtig aber ohne Dach war. Unbrauchbar für diesen Zweck, benutzte ich es, um einige Tonnen Heu für den Winter darin aufzubewahren. Das Wohnhaus bestand aus vier Zimmern, wovon ich das kleinste und gemütlichste für mich einrichtete. Das Eckzimmer bepflanzte ich mit einigen Bäumen und füllte es mit verschiedenen Vögeln an. Ins dritte stellte ich mein Pferd, da ich immer eins zu Hause haben musste, das vierte reservierte ich als Gastzimmer, hielt aber oft bei schlechtem Wetter meine Milchkuh mit Kalb darin, sodass ich nicht in die Kälte hinauszugehen brauchte, um die Milch für mein Frühstück zu abstrahieren. So war ich recht gemütlich eingerichtet und ritt nun im Land herum, um mich meinen neuen Nachbarn vorzustellen. Fünf Meilen weiter unten am Fluss war ein Lager, worin sich drei Männer mit einigen hundert Maultieren befanden. Sie bewohnten ein großes Zelt. Ich besuchte sie fast täglich, wo wir dann stundenlang Karten spielten. Als wir eines Nachmittags so beschäftigt waren, stürzte auf einmal ein großer tollwütiger Hund in das Zelt auf unsere Gesellschaft zu. Einige von uns wären gebissen worden, hätten ihn nicht meine zwei Hunde, die unter der Tür lagen, sogleich gepackt und zur Erde geworfen, wo ein kurzes, aber wütendes Gefecht stattfand. Wir standen sämtlich auf dem Bett, um unsere Beine aus dem Bereich des Schlachtfeldes zu bringen. Mit großer Anstrengung riss sich der Eindringling von meinen zwei Hunden los und rannte zur Tür hinaus, biss in einem Umkreis von einigen Meilen über ein Dutzend Hunde und machte dann abermals in unserer Nähe seine Erscheinung. Nun unterlag er einigen gut gezielten Schüssen und seine Karriere war beendet. Beide meiner treuen Hunde, die uns eigentlich das Leben gerettet hatten, erhielten schwere Wunden. Da sie ebenfalls tollwütig geworden wären, so musste ich mich dazu entschließen, sie beide zu töten, so schwer es mir auch ankam. Ich band sie an einen Baum an zwei verschiedenen Plätzen und wartete bei jedem, bis er die Augen zumachte und schlief, worauf ich ihm eine Kugel durch den Kopf sandte. Keiner machte eine Bewegung. Meine Freunde hatten sich zwar erboten, sie zu erschießen. Da ich aber fürchtete, dass sie vielleicht nicht gerade auf den richtigen Punkt im Kopf träfen und das Tier noch zu leiden hatte, so beschloss ich, es lieber selbst zu besorgen.

Die ganze Gegend war auf der Hundejagd und sämtliche Tiere, welche von dem tollwütigen Hund gebissen worden waren, wurden erschossen, sogar ein Maultier, das bereits toll geworden, alles angriff, was ihm in den Weg kam, sich auf eine Herde Schafe stürzte und viele davon tötete, bis es endlich mit viel Mühe selbst getötet wurde. Ein Bekannter von mir kehrte von Texas zurück, wo er eine Herde Vieh gekauft hatte, um sie nun nach Northern Colorado zu bringen. Es war auch lahmes Vieh darunter, besonders eine alte Kuh, die sich am Fluss hingelegt hatte und nicht mehr aufstehen wollte. Mit dieser Kuh machte er mir ein Präsent und ich ritt einige Tage darauf hinunter, um mein Eigentum zu betrachten und womöglich meinem Haus näher zu treiben. Ich fand das lebende Gerippe einer Kuh, an welcher man jede Nippe zählen und feinen Hut an die herdvorstehenden Knochen hängen konnte. Ein Horn war kurz am Kopf abgebrochen, während das andere, eine Elle lang, gekrümmt und spitz war. Dazu war der eine Vorderhuf wund und sie ging sehr lahm. Ich fing an, sie langsam flussaufwärts zu treiben und sie ging eine halbe Meile ganz ruhig fort, worauf sie stehen blieb und mein Pferd mit drohenden Blicken betrachtete. Ich erkannte daraus, dass man etwas anderes anfangen müsse, um sie zum Weitergehen zu bewegen, sprang deshalb vom Pferd, warf meinen Hut in die Luft und stieß ein furchtbares Geschrei aus. Dies half. Erschreckt trabte die Kuh ein Stück weiter, während ich mein Pferd wieder bestieg und ihr folgte. Im Flussbett angekommen, blieb das Tier wieder stehen. Ich beschloss, mein wirksames Manöver zu wiederholen, doch kaum war ich vom Pferd gesprungen und noch ehe ich mein Kriegsgeschrei ausstoßen konnte, ging die alte Kuh auf mich los. Mein Pferd wurde scheu und ehe ich recht wusste, was los war, hatte mich die Kuh, glücklicherweise auf dem abgebrochenen Horn, einige Schritte weit expediert. Ich flog mit dem Kopf in den Sand, während sich mein Pferd aus dem Staub machte. Die Kuh selbst war bis über die Knie in den Quicksand gesunken. Ehe sie sich herausarbeiten konnte, hatte ich auch meine Zeit gut benutzt und mich so schnell wie möglich auf dem Weg gemacht. Nachdem ich mein Pferd eingefangen hatte, ritt ich nach Hause, denn ich hatte für einen Tag genug vom Kuhtreiben. Einige Monate später verkaufte ich die Kuh an den Metzger, der sie schlachtete und das Fleisch bei Nacht in die Stadt fuhr, damit die Leute nicht sehen konnten, was für ein fetter Bissen ihnen bevorstand. Im Fleischladen verschloss er die Türen und zerschnitt das Fleisch in Steaks und kleinere Portionen, welche am nächsten Tage verkauft wurden.

Der Winter kam wieder heran mit seinen Wind- und Schneestürmen.  Dieses Mal war ich gut vorbereitet. Vieh und Pferde fanden Schutz hinter den hohen Felswänden und in den Gebüschen längs des Flusses, sodass sich nicht ein Stück verlor. In einem solchen Sturm fand ich einen Mexikaner auf dem Weg nach New Mexiko. Dieweil bei dergleichen Wetter niemand auf der Straße sein sollte, so lud ich ihn ein, bei mir zu bleiben, bis der Sturm vorüber sei. Er blieb einige Tage bei mir und machte sich sehr nützlich, indem er einen großen Vorrat Holz haute und aufschichtete. Sobald der Sturm etwas nachließ, ritt ich nach Las Animas und bat den Mexikaner, es sich bis zu meiner Rückkehr bequem zu machen, was er zu tun versprach. Als ich aber am zweiten Tag zurückkam, konnte ich ihn nirgends finden. Erst nachdem ich eine Zeit lang gerufen hatte, hörte ich eine schwache Stimme von einem Stück Dach über dem Pferdestall herab antworten und mein Mexikaner kam heruntergeklettert. Er hatte sich gefürchtet, allein im Haus zu bleiben, weil die Cheyenne in der letzten Zeit im Land gewesen waren, versteckte sich deshalb in dem alten Strohdach, wo er während der vierundzwanzig Stunden meiner Abwesenheit verweilte und dabei halb tot vor Furcht, Hunger und Kälte geworden war.