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Marshal Crown – Band 41

Nachts, wenn die Zaunschneider reiten
Chronologie eines Weidekrieges Teil 1

Hamilton County, Texas, 31.Oktober 1876

Charles Dawley saß in seinem Schaukelstuhl, den er sich auf die Veranda gestellt hatte, und genoss die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages. Er wusste, dass sein lieb gewonnenes, spät nachmittägliches Ritual schon bald der Vergangenheit angehören würde, denn der Herbst neigte sich seinem Ende zu und in den Nächten wurde es bereits empfindlich kalt.

Deshalb wollte er nach seinem Tagewerk die wenigen verbleibenden Sonnenstunden des ausklingenden Jahres noch so lange genießen, wie es ging. Er machte die Beine lang, zog sich den Hut in die Stirn und lauschte dem Gurgeln und Glucksen des nahen Leon Rivers.

Es war beinahe windstill und die Luft war klar und rein.

Dawley liebte solche Nachmittage, darum war er auch etwas ungehalten, als der trommelnde Hufschlag eines Pferdes jäh die friedliche Idylle zerstörte. Er hob den Kopf und starrte unwirsch auf den Reiter, der rasch näher kam.

Sein Gesicht wurde noch um einige Nuancen mürrischer, als er den Mann erkannte, der vom Fluss her direkt auf seine Farm zuritt.

Ethan Osgood war nicht nur einer der größten Rancher in der Umgebung, sondern auch der unbeliebteste. Der kaum mittelgroße Endvierziger galt als ein genauso dickköpfiger wie jähzorniger Mann, dessen Wutanfälle im ganzen County berüchtigt waren.

Dawley konnte sich noch gut an die Sache mit dem Zahnarzt erinnern, das Ganze war noch gar nicht so lange her.

Vor etwa vier Wochen war Osgood mit einem vereiterten Backenzahn in die Stadt gekommen. Wie es seine Art war, hielt er sich nicht lange mit Erklärungen auf, sondern stürmte direkt in die Praxis und herrschte den Zahnarzt an, dass er ihn sofort von seinen höllischen Schmerzen befreien sollte. Als ihn der Arzt daraufhin bat, sich noch etwas zu gedulden, da bereits ein Patient im Behandlungsstuhl saß, griff der Rancher zum Colt und verjagte diesen. Derart eingeschüchtert und nervös zog ihm der Arzt aus Versehen prompt zuerst den falschen Zahn. Osgood ritt anschließend wortlos nach Hause, um tags darauf mit seinen Cowboys zurückzukommen, den armen Teufel auf seinen Behandlungsstuhl zu fesseln und ihm mit der Doppelzange des Hufschmieds zehn gesunde Zähne zu ziehen.

Seither gab es in Pottsville keinen Zahnarzt mehr.

Dawleys Ton war deshalb dementsprechend kühl und reserviert, als er den Reiter begrüßte.

»Hallo Osgood, was willst du denn hier?«

»Das fragst du noch?«, schnarrte der Rancher und zügelte seinen Rotfuchs vor der Veranda.

»Du zäunst das Land am Fluss ein und fragst, was ich will?«

»Warum nicht? Es ist mein Land und auf meinem Land kann ich machen, was ich will.«

»Ist es nicht!«, behauptete Osgood wütend.

»Ist es doch«, erwiderte Dawley mit einem humorlosen Lächeln, das dem Rancher das Feuer in die Augen trieb. »Wenn du mir nicht glaubst, dann reite doch nach Hamilton und frag im County Courthouse nach. Dort ist mein Besitz eingetragen.«

Osgood war deutlich anzusehen, dass er inzwischen kurz davor war, vor lauter Wut zu platzen.

»Du weißt genau, dass meine Rinder spätestens Ende November in die Flussniederungen ziehen müssen, denn draußen auf der Weide gibt es keinen Schutz vor den Winterstürmen. Aber das können sie jetzt nicht mehr wegen deinen verdammten Zäunen, die ihnen den Weg dorthin versperren. Sollen sie jetzt etwa alle davorstehen und erfrieren?«

»Deine Sache, du kannst deine Viecher ja um mein Land herumtreiben.«

»Bist du verrückt geworden? Das würde mich ja jedes Mal mindestens drei Tage kosten!«

»Na und? Ich werde es jedenfalls nicht mehr hinnehmen, dass mir deine Rinder ständig die Felder zertrampeln und die Ernte ruinieren. So und damit ist für mich das Thema beendet. Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt wieder verschwindest.«

»Du verdammter Hurensohn, so springt keiner mit Ethan Osgood um!«

Das Gesicht des Ranchers war rot angelaufen.

In diesem Moment verfluchte sich Dawley dafür, dass er seinem Sohn die Erlaubnis gegeben hatte, sich heute in der Stadt zu amüsieren.

»Ich werde deine Zäune alle wieder einreißen lassen, und wenn du mir danach noch einmal krumm kommst, dann …«

»Was dann?«

Der Rancher richtete sich im Sattel auf und griff zum Gürtel. Seine Hand lag bereits auf dem Griff seines 45er Army Colts, aber dann zögerte er doch.

Schließlich riss er sein Pferd herum, schleuderte Dawley noch ein wütendes: »Fahr zur Hölle« entgegen und ritt dann in gestrecktem Galopp vom Hof.

 

9. November 1876

Mitternacht war längst vorüber, als Bill Landers ein metallisches Knacken vernahm, dem unmittelbar darauf ein leises, seltsames Geräusch folgte. Landers zuckte unwillkürlich zusammen und trat instinktiv einen Schritt von dem nur noch schwach glimmenden Lagerfeuer zurück.

Das Knacken bedeutete nichts anderes, als dass jemand den Stacheldrahtzaun, den er und Steve Dawley bewachen sollten, gekappt hatte. Das andere Geräusch, das unmittelbar darauf zu hören war, rührte von dem straff gespannten Draht her, dessen Enden sich nach dem Durchtrennen im Bruchteil einer Sekunde zusammenrollten.

Er kannte diese Laute nur zu gut, er hatte in seinem Leben schließlich schon genug Stacheldraht verlegt, durchgeschnitten oder wieder repariert. Wenn er es recht überlegte, wahrscheinlich schon so viel, dass er damit ganz Texas hätte einzäunen können.

Er nahm das Gewehr hoch, tippte Steve, der in einer Decke gerollt neben dem Feuer schlief, kurz mit dem Lauf seiner Spencer-Rifle an und flüsterte leise: »Hey Steve, wach auf. Hier stimmt was nicht.«

Dawleys Reaktion bestand zunächst aus einem unverständlichen Brummen, dann drehte er sich auf die Seite und war im nächsten Augenblick bereits wieder eingeschlafen.

»Verdammt Steve, wach endlich auf!«, sagte Landers ungeduldig, während er sich vorbeugte und an der Decke des Schlafenden zerrte.

Dawley knurrte und rollte sich schlaftrunken aus seiner Decke, obwohl seine Wache erst vor Kurzem zu Ende gegangen war und er nicht mehr als eine halbe Stunde geschlafen hatte.

»Was ist denn los?«, fragte er, während er sich gähnend aufrichtete. »Verdammt, ich bin müde und will schlafen.«

»Hörst du es nicht?«, antwortete Bill kaum vernehmlich. Dennoch war die Nervosität in seiner Stimme nicht zu überhören.

»Irgendwo da vor uns macht sich jemand am Zaun zu schaffen. Ich wette meinen Arsch darauf, wenn das nicht Osgoods Männer sind oder irgendwelche andere Zaunschneider, die wieder herumreiten.«

Steves Blicke zuckten umher, während sich seine Haltung jäh versteifte. Landers’ Antwort hatte ihn offensichtlich hellwach gemacht. Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit hinein, bis er schließlich den Kopf schüttelte.

»Du musst dich getäuscht haben, ich höre jedenfalls nichts. Wahrscheinlich ein Wolf oder irgendein anderes Raubtier. Durch den frühen Wintereinbruch kommen die Viecher inzwischen bis in die Nähe von Pottsville, weil sie hier draußen nichts mehr zum Fressen finden.«

Bill sagte nichts, sondern hob den Kopf, lauschte erneut und begann zu zweifeln, als nichts als Stille um ihn herum war.

Sollte er sich so getäuscht haben?

Er war kurz davor, den Worten von Steve Glauben zu schenken, als rechts von ihnen in unmittelbarer Nähe ein Pferd schnaubte. Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis ihn die Erkenntnis durchzuckte, dass sich ihre Pferde samt dem Farmwagen, mit dem sie hergekommen waren, doch links vom Feuer befanden.

Augenblicklich riss er sein Gewehr hoch.

Aber es war zu spät, die unbekannten Männer waren bereits heran.

Eine wilde Stimme brüllte, dass es an der Zeit sei, den Krautbauern endlich eine Lektion zu erteilen, als kaum einen Herzschlag später auch schon von allen Seiten dunkle Gestalten auf sie zukamen.

Landers hörte noch eine Bewegung hinter sich, dann trat ihm jemand derart brutal in den Rücken, dass er wie ein Betrunkener ins Taumeln geriet, nach vorne stolperte und schließlich auf die Knie fiel. Eine Stiefelsohle bohrte sich zwischen seine Rippen, eine weitere radierte über seine Schläfe und ließ ihn Sterne sehen.

»Zur Hölle mit euch Schollenbrechern«, schrie jemand.

Bill hörte, wie sie auch auf Dawley einprügelten.

Bei Gott, durchzuckte es ihn. Die schlagen uns tot!

Dann explodierte eine weitere Stiefelsohle an seinem Kopf und danach wusste er nichts mehr.


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.

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