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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – Kapitel I

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Erstes bis drittes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

I. Das Gespenst von Richelieu

In einem Zimmer des uns bereits bekannten Palais Cardinal saß an einem mit Papieren und Büchern beladenen Tisch mit Ecken von Vermeil ein Mann, den Kopf in seine zwei Hände gestützt.

Hinter ihm war ein weiter Kamin, rot von einem Feuer, dessen Brände auf großen vergoldeten Feuerböcken zusammensanken. Der Glanz der Flammen beleuchtete von hinten das prachtvolle Gewand diesen Träumers, den das Licht eines mit Kerzen beladenen Kandelabers von vorn bestrahlte.

Beim Anblick dieser roten Simarre und dieser reichen Spitzen, dieser bleichen, unter dem Nachsinnen gebeugten Stirn, der Einsamkeit dieses Kabinetts, bei der Stille in den Vorzimmern und dem abgemessenen Tritte der Wachen auf dem Flur, hätte man glauben können, der Schatten des Kardinals von Richelieu weile noch in diesem Gemach.

Ach! Es war allerdings nur der Schatten des großen Mannes. Das geschwächte Frankreich, das gesunkene Ansehen des Königs, die entkräfteten oder aufrührerischen Großen, der Feind, welcher die Grenzen des Landen überschritten hatte, alles bewies, dass Richelieu nicht mehr war.

Was aber noch mehr zum Beweis diente als all dies, dass die rote Simarre keineswegs die des alten Kardinals sein konnte. Das war diese Vereinzelung, welche, wie gesagt, mehr die einen Gespenstes als eines Lebendigen zu sein schien; das waren die von Höflingen leeren Fluren, die von Wachen vollen Höfe; das war das spöttische Gefühl, welches von der Straße heraufkam und durch die Scheiben diesen vom Hauch einer ganzen, gegen den Minister verbundenen Stadt erschütterten Zimmers drang; das war endlich das entfernte und unablässig erneute Geräusch von Schüssen, welche zwecklos und erfolglos abgefeuert wurden, nur um den Garden, den Schweizern, den Musketieren und den Soldaten, welche das Palais Royal umgaben, denn das Palais Cardinal hatte selbst seinen Namen verändert, zu zeigen, dass das Volk auch Waffen besitze.

Dieses Gespenst von Richelieu war Mazarin.

Mazarin aber war allein und fühlte sich schwach.

»Fremder!«, murmelte er, »Italiener! Das ist ihr großen Wort. Mit diesem Wort haben sie Concini ermordet, aufgehängt, verschlungen. Und wenn ich sie machen ließe, würden sie mich ermorden, hängen, verschlingen, wie jenen. Obwohl ich ihnen nie etwas anderes Böses zugefügt habe, als dass ich ein wenig Geld auspresste. Die Dummköpfe, sie fühlen nicht, dass ihr Feind nicht dieser Italiener ist, der schlecht Französisch spricht, sondern vielmehr diejenigen, welche das Talent haben, ihre schönen Worte mit einem so reinen und guten Pariser Akzent vorzubringen.«

»Ja, ja«, fuhr der Minister mit seinem feinen Lächeln fort, welches diesmal seltsam auf seinen bleichen Lippen erschien, »ja, Euer Geschrei sagt mir, dass das Geschick der Günstlinge prekär ist. Aber wenn Ihr dies wisst, so müsst Ihr auch wissen, dass ich kein gewöhnlicher Günstling bin! Der Graf von Essex besaß einen glänzenden, mit Diamanten verzierten Ring, den ihm seine königliche Geliebte geschenkt hatte. Ich besitze einen einfachen Ring mit einer Chiffre und einem Datum, aber dieser Ring ist in der Kapelle des Palais Royal gesegnet worden; (Man weiß, dass Mazarin welcher keine von den Weihen erhalten hatte, welche die Verehelichung verbieten, Anna von Österreich geheiratet hatte). Ich werde auch nicht nach ihrem Belieben untergehen. Sie bemerken nicht, dass ich sie mit ihrem ewigen Geschrei Nieder mit Mazarin! bald Es lebe Monsieur von Beaufort, bald Es lebe der Monsieur Prinz, bald Es lebe das Parlament schreien lasse. Nun wohl, Monsieur von Beaufort ist in Vincennes, der Monsieur Prinz wird demnächst zu ihm kommen, und das Parlament …«

Hier nahm das Lächeln den Kardinals einen Ausdruck den Hasses an, dessen sein sanften Gesicht unfähig zu sein schien. »Und das Parlament … wir werden sehen, was wir damit machen; wir haben Orleans und Montargis! O, ich werde Zeit darauf verwenden, aber diejenigen, welche damit angefangen haben, dass sie Nieder mit Mazarin schrien, werden mit dem Geschrei Nieder mit allen diesen Leuten enden; jeder der Reihe nach.

»Richelieu, den sie hassten, solange er lebte, und von dem sie beständig sprechen, seit er tot ist, war niedriger als ich, denn er ist oft fortgejagt worden, und hat noch öfter befürchtet, fortgejagt zu werden. Die Königin wird mich nie fortjagen, und wenn ich gezwungen werde, den Folgen zu weichen, so wird sie mit mir weichen. Wenn ich fliehe, so flieht sie mit mir, und wir werden dann sehen, was die Rebellen ohne ihren König und ihre Königin sind.

»Oh! Wenn ich nur kein Fremder, wenn ich nur Franzose, wenn ich nur Edelmann wäre!«

Er versank wieder in seine Träumerei.

Die Lage war allerdings schwierig, und der soeben abgelaufene Tag hatte sie noch mehr verwickelt. Beständig von seinem schmutzigen Geiz angestachelt, drückte Mazarin das Volk mit Steuern zu Boden, und diesen Volk, für welchen er nur die Seele blieb, wie der Staatsanwalt Talon sagte, und auch, weil man seine Seele nicht im Aufstreich verkaufen konnte, das Volk, das man mit den Lärmen von Siegen zur Geduld bewegen wollte, und welchen fand, dass die Lorbeeren kein Fleisch waren, womit man sich sättigen konnte, das Volk hatte seit langer Zeit angefangen zu murren.

Doch das war noch nicht alles, denn wenn nur das Volk murrt, so hört es der Hof nicht, da er durch die Bürgerschaft und die Edelleute von demselben getrennt ist. Aber Mazarin hatte die Unklugheit gehabt, sich an den Beamten zu vergreifen! Er hatte zwölf Requetmeister-Patente verkauft, und da diese Beamten ihre Stellen sehr teuer bezahlten und die Beiordnung dieser zwölf neuen Kollegen den Preis sinken machen musste, so vereinigen sie sich und schworen auf das Evangelium, diese Vermehrung nicht zu dulden und allen Verfolgungen den Hofes zu widerstehen, mit dem gegenseitigen Versprechen, falls einer von ihnen durch diese Rebellion seine Stelle verlieren würde, ihm gemeinschaftlich den Preis derselben zurückzuzahlen.

Man höre, was auf diesen beiden Seiten vorgefallen war.

Am 7. Januar hatten sich sieben- bis achthundert Kaufleute von Paris versammelt und sich gegen eine neue Steuer erhoben, die man den Hausbesitzern auflegen wollte. Sie hatten sodann zehn von ihnen abgeordnet, um in ihrem Namen mit dem Herzog von Orleans zu sprechen, der seiner alten Gewohnheit gemäß, den Populären spielte. Der Herzog von Orleans empfing sie, und sie erklärten ihm, sie wären entschlossen, diese neue Steuer nicht zu bezahlen, und müssten sie sich mit bewaffneter Hand gegen die Leute des Königs verteidigen, welche zum Eintreiben derselben erscheinen würden. Der Herzog von Orleans hörte sie mit großer Leutseligkeit an, gab ihnen Hoffnung auf einige Ermäßigung, versprach ihnen, mit der Königin zu reden, und entließ sie mit dem gewöhnlichen Wort der Fürsten: »Man wird sehen!«

Am 9. suchten die Requetmeister den Kardinal auf, und einer von ihnen, der das Wort für die anderen führte, sprach mit solcher Festigkeit und Kühnheit, dass der Kardinal ganz erstaunt darüber war. Er entließ sie auch, indem er wie der Herzog von Orleans sagte, man würde sehen.

Um zu sehen, versammelte man sodann den Rat und schickte nach dem Oberintendanten der Finanzen d’Emery.

Dieser d’Emery wurde sehr verabscheut vom Volk, einmal, weil er Oberintendant der Finanzen war und weil jeder Oberintendant der Finanzen verabscheut sein muss, und dann, was nicht geleugnet werden kann, weil er es einigermaßen zu sein verdiente.

Er war der Sohn eines Bankiers in Lyon, welcher Particelli hieß und seinen Namen infolge eines Bankrottes in den Namen d’Emery verwandelte. (Was den Monsieur Staatsanwalt Omer Talon nicht abhält, ihn nach der Gewohnheit der Zeit, die fremden Namen französisch zu machen, Monsieur Particelle zu nennen.) Der Kardinal von Richelieu, der in ihm ein großen Finanzmannverdienst erkannte, hatte ihn dem König Ludwig XIII. unter dem Namen Monsieur d’Emery vorgeschlagen, und da er ihn zum Intendanten der Finanzen ernennen lassen wollte, viel Gutes von ihm gesprochen.

»Ah, desto besser«, erwiderte damals der König, »es freut mich, dass Ihr mir Monsieur d’Emery für diese Stelle nennt, welche einen ehrlichen Mann braucht. Man hatte mir gesagt, Ihr wolltet diesen Schurken von Particelli dazu befördern, und ich befürchtete, Ihr würdet mich zwingen, ihn zu nehmen.«

»Ah, Sire«, antwortete der Kardinal, »Eure Majestät mag sich beruhigen, den Particelle, von dem sie spricht, hat man gehängt.«

»Desto besser«, sprach der König, »nicht umsonst hat man mich Ludwig den Gerechten genannt.«

Und er unterzeichnete die Ernennung von d’Emery.

Es war derselbe d’Emery, den man zum Oberintendanten der Finanzen gemacht hatte.

Man hatte vom Rat aus nach ihm geschickt. Er lief bleich und bestürzt herbei und sagte, sein Sohn wäre beinahe an demselben Tag auf der Place du Palais ermordet worden. Das Volk war ihm entgegengetreten und hatte ihm den Luxus seiner Frau vorgeworfen, welche ein mit rotem Samt und goldenen Crepinen austapeziertes Zimmer besaß. Sie war die Tochter von Nicolas Lecamus, dem Sekretär des Königs im Jahr 1617, der mit zwanzig Livres nach Paris gekommen war, und, während er sich vierzigtausend Livres Renten vorbehielt, neun Millionen unter seine Kinder verteilt hatte.

Der Sohn von d’Emery war beinahe erstickt worden. Einer von den Meuterern machte nämlich den Vorschlag, ihn zu pressen, bis er das Gold, welches er verschlungen, zurückgegeben hätte. Der Rat entschied an diesem Tag nichts, denn der Oberintendant war zu sehr von diesem Ereignis ergriffen, um den Kopf frei zu haben.

Am anderen Tage wurde der erste Präsident, Mathieu Molé, dessen Mut bei all diesen Angelegenheiten, sagt der Kardinal von Retz, dem den Monsieur Herzog von Beaufort und dem den Monsieur Prinzen von Condé, das heißt, der zwei Männer gleich kam, welche für die Bravsten von Frankreich galten, am anderen Tage, sagen wir, wurde der erste Präsident ebenfalls angegriffen. Das Volk drohte ihm, sich an seine Person wegen des Schlimmen zu halten, das man ihm zufügen wollte, aber der erste Präsident antwortete mit seiner gewöhnlichen Ruhe, ohne zu staunen oder sich zu erhitzen: Wenn die Aufrührer nicht dem Willen des Königs gehorchten, so würde er Galgen auf den öffentlichen Plätzen errichten, um sogleich die Meuterischsten unter ihnen hängen zu lassen. Diese erwiderten hierauf, es wäre ihnen nichts lieber, als Galgen errichten zu sehen, sie würden dazu dienen, die schlechten Richter zu hängen, welche die Gunst des Hofes mit dem Elend den Volkes erkauften.

Das war noch nicht genug. Am 11. wurde die Königin, als sie zur Messe in Notre-Dame ging, was sie regelmäßig jeden Sonnabend tat, von mehr als zweihundert Frauen verfolgt, welche schrien und Gerechtigkeit forderten. Sie hatten indessen keine böse Absicht und wollten sich ihr nur zu Füßen werfen, um ihr Mitleid rege zu machen. Aber die Wachen hinderten sie daran, und die Königin ging hochmütig und stolz, ohne auf ihr Geschrei zu hören, an ihnen vorüber.

Am Nachmittag versammelte sich der Rat abermals, und es wurde beschlossen, das Ansehen den Königs aufrechtzuhalten. Infolge hiervon berief man das Parlament auf den nächsten Tag.

An diesem Tag, demjenigen, an dessen Abend wir diese neue Geschichte eröffnen, ließ der König, der damals zehn Jahre alt war und kurz zuvor die Pocken gehabt hatte, unter dem Vorwand, in Notre Dame sein Dankgebet zu verrichten, seine Garden, seine Schweizer und seine Musketiere ausrücken, stellte sie um das Palais Royal, auf den Kais und auf die Pont Neuf auf und begab sich, nachdem er die Messe gehört hatte, in das Parlament, wo er bei einem improvisierten Lit de Justice (Lit de Justice hieß in Frankreich ein großer Gerichtstag, welchen der König persönlich, auf einem Thron sitzend, im Parlament hielt) nicht allein seine früheren Edikte bestätigte, sondern auch fünf bis sechs neue erließ — eines immer verderbliche, als das andere, sagt der Kardinal von Retz, sodass der erste Präsident, der, wie man sehen konnte, in den vorhergehenden Tagen für den Hof war, sich dennoch kühn gegen diese Art und Weise, den König in den Palast zu führen, um die Stimmfreiheit zu unterdrücken, erhob.

Diejenigen aber, welche sich besonders stark gegen die neuen Steuern auflehnten, waren der Präsident Blancmesnil und der Rat Broussel.

Nachdem diese Edikte erlassen waren, kehrte der König zum Palais Royal zurück. Eine große Volksmenge befand sich auf seinem Weg. Da man aber wusste, dass er nun aus dem Parlament kam und da es noch nicht ruchbar geworden war, ob er sich dahin begeben hatte, um dem Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen oder um dasselbe aufs Neue zu bedrücken, so ertönte nicht ein Freudenruf, um ihn wegen seiner Wiederherstellung zu beglückwünschen. Alle Gesichter waren im Gegenteil düster und unruhig, einige sogar drohend.

Trotz seiner Rückkehr blieben die Truppen auf dem Platz, denn man befürchtete, es würde eine Empörung ausbrechen, sobald man das Resultat der Parlamentssitzung erführe. Und in der Tat; kaum verbreitete sich in den Straßen das Gerücht, dass der König, statt die Steuern zu vermindern, dieselben vermehrt hatte, als sich Gruppen bildeten und von allen Seiten der Ruf erscholl: »Nieder mit Mazarin! Es lebe Broussel! Es lebe Blancmesnil!« Denn das Volk wusste bereits, dass Broussel und Blancmesnil zu seinen Gunsten gesprochen hatten. Obwohl ihre Beredsamkeit keinen Erfolg gehabt hatte, war es ihnen doch nicht minder dankbar.

Man wollte diese Gruppen auseinandertreiben, man wollte das Geschrei verstummen machen; aber wie dies in solchen Fällen geschieht, die Gruppen wurden zahlreicher und das Geschrei verdoppelte sich. Man hatte den Leibwachen den Königs und den Schweizerwachen soeben Befehl gegeben, nicht nur festzuhalten, sondern auch in den Rues Saint-Denis und Saint-Martin Patrouillen zu machen, wo diese Gruppen ganz besonders zahlreich und aufgeregt zu sein schienen, als man im Palais Royal den Prevot der Kaufleute meldete.

Der Prevot wurde sogleich eingeführt. Er kam, um zu sagen, dass, wenn man nicht auf der Stelle diese feindseligen Demonstrationen aufgeben würde, ganz Paris in zwei Stunden unter den Waffen wäre.

Man beratschlagte, was man tun sollte, als Comminges, Lieutenant bei den Garden, mit zerrissenen Kleidern und blutigem Gesicht erschien. Sobald die Königin ihn erblickte, stieß sie einen Schrei des Erstaunens aus und fragte ihn, was er hätte.

Bei dem Anblick der Garden waren die Geister, wie dies der Prevot der Kaufleute vorhergesagt hatte, völlig in Mut geraten. Man hatte sich der Glocken bemächtigt und Sturm geläutet. Comminges hatte fest gehalten, einen Mann verhaftet, der einer der Hauptaufrührer zu sein schien, und, um ein Beispiel zu geben, befohlen, ihn an der Croix du Trahoir aufzuhängen. Demzufolge hatten ihn die Soldaten fortgeschleppt, um diesen Befehl auszuführen. Aber in den Hallen waren diese mit Steinwürfen und Hellebardenstichen angegriffen worden. Der Rebell hatte diesen Augenblick benutzt, um zu fliehen. Er hatte die Rue Tiquetonne erreicht und sich in ein Haus geworfen, dessen Türen man sogleich einstieß.

Diese Gewalttat war fruchtlos gewesen. Man konnte den Schuldigen nicht finden. Comminges hatte einen Posten in der Straße gelassen und war mit den übrigen Soldaten seiner Abteilung zum Palais Royal zurückgekehrt, um der Königin von dem Vorfall Meldung zu machen. Die ganze Straße entlang war er mit Geschrei und Drohungen verfolgt worden, und man hatte mehrere von seinen Leuten mit Piken- und Hellebardenstößen verwundet. Er selbst hatte einen Steinwurf an die Stirn bekommen.

Die Erzählung von Comminges bekräftigte die Worte des Prevot der Kaufleute. Man war nicht imstande, einer ernstlichen Empörung Trotz zu bieten. Der Kardinal ließ im Volk verbreiten, die Truppen wären nur auf dem Kai und auf der Pont Neuf während der Zeremonie aufgestellt worden und würden sich zurückziehen.

Gegen vier Uhr abends konzentrierten sie sich insgesamt zum Palais Royal zu. Man stellte einen Posten an der Barrière des Sergens, einen anderen bei den Quinze-Vingts, einen dritten bei der Butte Saint-Roch auf. Man füllte die Höfe und die Erdgeschosse mit Schweizern und Musketieren und wartete.

So standen die Angelegenheiten, als wir unsere Leser in das Kabinett den Kardinal Mazarin einführten, welches einst das des Kardinal Richelieu gewesen war. Wir haben gesehen, in welcher Beschaffenheit des Geistes er das bis zu ihm dringende Gemurmel den Volkes und das Echo der Flintenschüsse in seinem Zimmer hörte.

Plötzlich erhob er das Haupt; die Stirn halb gefaltet, wie ein Mann, der seinen Entschluss gefasst hat, heftete er seinen Blick auf eine ungeheure Pendeluhr, welche eben sechs Uhr schlug, nahm eine auf dem Tisch im Bereich seiner Hand liegende Pfeife und pfiff zweimal.

Eine unter der Tapete verborgene Tür öffnete sich geräuschlos. Ein schwarz gekleideter Mann trat still hervor und blieb aufrecht hinter dem Fauteuil stehen.

»Bernouin«, sprach der Kardinal, ohne sich umzudrehen, denn da er zweimal gepfiffen hatte, so wusste er, dass es sein Kammerdiener sein musste, »welche Musketiere haben die Wache im Palais?«

»Die schwarzen Musketiere, Monseigneur.«

»Welche Kompanie?«

»Kompanie Tréville.«

»Ist ein Offizier von dieser Kompanie im Vorzimmer?«

»Der Lieutenant d’Artagnan.«

»Ein Guter, glaube ich.«

»Ja, Monseigneur.«

»Gib mir eine Musketieruniform und hilf mir beim Ankleiden.«

Der Kammerdiener entfernte sich ebenso schweigend, wie er eingetreten war, und kam nach einem Augenblick mit dem verlangten Anzug zurück.

Still und nachdenkend fing nun der Kardinal an, sich des Zeremoniengewandes zu entledigen, das er angezogen hatte, um der Parlamentssitzung beizuwohnen und nahm die militärische Kasake, die er, durch seine früheren Feldzüge in Italien geübt, mit einer gewissen Leichtigkeit trug. Als er vollständig angekleidet war, sagte er: »Hol mir Monsieur d’Artagnan.«

Der Kammerdiener entfernte sich diesmal durch die mittlere Tür, aber gleich schweigsam und stumm. Man hätte glauben sollen, es wäre ein Schatten.

Als der Kardinal allein war, betrachtete er sich mit einer gewissen Zufriedenheit im Spiegel. Er war noch jung, denn er zählte kaum sechsundvierzig Jahre. Mazarin war ein Mann von zierlicher Gestalt, wenn auch etwas unter der mittleren Größe, hatte eine lebhafte schöne Gesichtsfarbe, einen feurigen Blick, eine große, jedoch ziemlich proportionierte Nase, eine breite, majestätische Stirn, kastanienbraune, etwas krause Haare und einen sehr dunklen Bart. Dann zog er sein Wehrgehänge an, beschaute seine schönen, sorgfältig gepflegten Hände, warf die zu der Uniform gehörigen Handschuhe von Dammhirschleder, die er bereits genommen hatte, beiseite und schlüpfte in einfache seidene Handschuhe.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür wieder.

»Monsieur d’Artagnan«, sprach der Kammerdiener.

Ein Offizier trat ein.

Es war ein Mann von neununddreißig bis vierzig Jahren, von kleiner Gestalt, aber gut gebaut, mager, mit lebhaftem, geistreichem Blick, der Bart schwarz und die Haare mit Grau vermischt, wie dies immer geschieht, wenn man das Leben zu gut oder zu schlecht gefunden hat, und besonders, wenn man sehr brünett ist.

D’Artagnan machte vier Schritte in das Kabinett. Er erkannte in demselben dasjenige, in welchem er einmal während der Zeit des Kardinals Richelieu gewesen war. Da er niemand in diesem Kabinett erblickte, als einen Musketier von seiner Kompanie, so heftete er seinen Blick auf diesen. Dabei war er überzeugt, dass er den Kardinal vor sich hatte.

Er blieb in einer ehrfurchtsvollen, aber würdigen Haltung stehen, wie es sich für einen Mann von einer gewissen Stellung geziemt, der oft in seinem Leben Gelegenheit gehabt hat, mit großen Messieurs zusammen zu sein.

Der Kardinal schaute ihn prüfend mit seinen mehr feinen, als tiefen Augen an und sagte nach kurzem Stillschweigen: »Sie sind Monsieur d’Artagnan?«

»Ja, Monseigneur«, antwortete der Offizier.

Der Kardinal betrachtete noch einen Augenblick diesen so gescheiten Kopf und das Gesicht, dessen übermäßige Beweglichkeit durch die Jahre und die Erfahrung gefesselt worden war; aber d’Artagnan ertrug die Prüfung als ein Mann, der einst die Forschung von Augen ausgehalten hatte, welche bedeutend durchdringender gewesen waren, als die von Mazarin.

»Monsieur«, sagte der Kardinal, »Ihr werdet mit mir gehen, oder vielmehr, ich gehe mit Euch.«

»Zu Euren Befehlen. Monseigneur«, antwortete d’Artagnan.

»Ich will die Posten um das Palais Royal selbst visitieren. Glaubt Ihr, dass einige Gefahr dabei ist.«

»Gefahr, Monseigneur?«, fragte d’Artagnan, »und welche?«

»Den Volk soll äußerst geregt sein.«

»Die Uniform der Musketiere des Königs ist sehr geachtet, Monseigneur, und wäre sie es nicht, so machte ich mich dennoch anheischig, zu vierhundert von diesen Lumpenkerlen in die Flucht zu schlagen.«

»Ihr habt gesehen, was Comminges begegnet ist.«

»Monsieur von Comminges ist bei den Garden und nicht bei den Musketieren.«

»Womit ihr sagen wollt«, versetzte der Kardinal lächelnd, »die Musketiere seien bessere Soldaten als die Garden.«

»Jeder liebt seine Uniform, Monseigneur.«

»Mich ausgenommen«, sprach Mazarin, »denn Ihr seht, dass ich die meine abgelegt habe, um die Eure anzuziehen.«

»Pest, Monseigneur«, sagte d’Artagnan, »das ist Bescheidenheit. Ich meines Teils erkläre, wenn ich die Eurer Eminenz hätte, so würde ich mich damit begnügen.«

»Ja, aber um an diesem Abend auszugehen, wäre sie vielleicht nicht sehr sicher. Bernouin, meinen Hut.«

Der Kammerdiener brachte einen breitkrempigen Uniformhut. Der Kardinal setzte ihn sehr unternehmend auf und wandte sich dann wieder zu d’Artagnan um.

»Ihr habt gesattelte Pferde im Stall, nicht wahr?«

»Ja, Monseigneur.«

»So gehen wir.«

»Wie viel Leute befiehlt Monseigneur?«

»Ihr sagtet, mit vier Mann würdet Ihr Euch anheischig machen; hundert solche Lumpenkerle in die Flucht zu schlagen, da wir zweihundert begegnen könnten, so nehmt acht.«

»Wann beliebt Eurer Eminenz?«

»Ich folge Euch sogleich; leuchte uns, Bernouin.«

Der Kammerdiener ergriff eine Kerze, der Kardinal nahm einen kleinen Schlüssel von seinem Büro, öffnete die Tür einer verborgenen Treppe und befand sich in einem Augenblick im Hof des Palais Royal.