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Abenteuer und Wanderungen der sieben Schwaben Teil 1

Abenteuer und Wanderungen der sieben Schwaben
als des Blitz-, Spiegel-, Nestel-, Knöpfle-Schwab, Seehaases, Gelbfüßler und Allgäuer.

George Jaquet’s Verlagsbuchhandlung. Augsburg, 1855.

Der allzeit sauft und allzeit schlemmt,
behalt zuletzt nicht ein gutes Hemd!

Abenteuer von den sieben Schwaben

Ein Mann mit kohlschwarzem dichtem Bart wird sich im Scherz wohl einen Milchbart nennen, ein Herkules lächelnd über seine Schwächlichkeit klagen oder ein Riese über seine Kleinheit; so machen es die Schwaben, vielleicht das gutmütigste jovialste Volk der Welt! Im bescheidenen, aber vollkräftigen Bewusstsein ihrer welthistorisch anerkannten Tapferkeit (schon von den Römern gefürchtet, im Mittelalter von all den deutschen Heldenstämmen stillschweigend dadurch anerkannt, dass man ihnen die Ehre des Vortritts in Zug und Schlachtreihe gönnte), wie ihres durch alle Zeitalter bewiesenen praktischen Hausverstandes brachte ihr eigentümlicher Volkswitz jene, aus Schwaben selbst hervorgegangenen, schnurrigen Sagen zu Tage, in denen die Schwaben sich gerade als das drollige Gegenteil dessen schildern, was sie in der Wirklichkeit sind.

In demselben Sinn will ich eine solche hier wieder erzählen, der ich vielleicht die schönsten und poetischsten Tage meines Lebens in Schwaben verlebte: in den Alpen Allgäus und der Schweiz, am herrlichen Bodensee und segenreichen Neckar, wie im idyllischen Tal der Mindel.

Der Geist dessen, was man Gaskonade nennt, ist im ganzen schwäbischen Geblüt nicht in einer Ader zu finden, daher man bei diesem Volksstamm, welcher durch Heldenmut und Poesie, durch Schwert und Harfe, so sehr hervorragt, welches die herrlichsten Minnesänger und die herrlichsten Heldenkaiser, die Hohenstaufen nämlich, welches Schiller, Wieland und Uhland etc. hervorbrachte, kein einziges selbstlobendes Produkt des Volksgeistes findet!

Der Herausgeber

Überlingen am Bodensee ist die berühmte und ewig denkwürdige Stadt, in welcher nicht etwa der beste Kirschengumpes gemacht wird, sondern wo der heldenmütige Seehaas geboren wurde, von welcher er zu glorwürdigen Taten auszog, und wo er auf sehr einfache alt hergebrachte Weise seine Kinder erzeugte, deren Enkel nun um den ganzen Bodasea her wohnen tun, was die Väter taten, im Schweiß ihres Angesichts nicht nur Brot, sondern auch Lindauer Schüblinge und Gangfische essen, aus christlicher Barmherzigkeit von Rädle zu Rädle gehen und sich gegenseitig den Wein wegtrinken, welcher oben gerühmtem Schweiß des Angesichts das Beiwort und die Eigenschaft sauer verlieh, vor allem aber eifrig bemüht sind, den Stamm ja nicht aussterben zu lassen!

Von diesem Wein wurden am Bodensee folgende Sorten gebaut:

1) Der Magenwein, welcher alles im Magen Liegende verzehrt, und sollte man auch nach Straußenart ein Hufeisen verschluckt haben! Leider frisst er aus Zerstreuung manchmal auch den Magen mit auf, welchem man durch den Genuss von Lindauerschüblingen vorzubeugen sucht, einem gar unbezwinglichen Nahrungsmittel, oder dadurch, dass man sich beständig umwendet, daher er auch Wendewein genannt wird.

2) Der Dreimännerwein. Beim Genuss desselben, wenn man sich dieses Ausdrucks bedienen darf, müssen zwei Männer den Trinkenden halten, der Dritte ihm selben einflößen.

3) Der Schulwein. Wollen widerspenstige Kinder nicht zur Schule gehen, so setzt man ihnen ein Gläschen dieses Weines vor und sagt: »Entweder ihr trinkt oder geht!« Und – siehe da: Die Kinder werden augenblicklich von glühendem Lerneifer erfasst.

Vorzüglich rühmenswert und für die menschliche Gesundheit höchst wichtig ist aber eine Eigenschaft des Seeweins, nämlich dass er nicht von blauer Farbe ist! Sonst wäre er Blausäure, ein augenblicklich tötendes Gift.

Unser Held war Balthasar getauft, daher man ihn Häseli und weil er am See geboren war, Seehäseli rief. Die Fremden nannten ihn Seehaase und dieser Name blieb seinen Nachkommen wegen des Abenteuers, das wir nun erzählen wollen.

Nachdem der Seehaase von Zuhause weggezogen war, um das Jahr 1 tausend und etliche hundert, so und so viel, kam er gen Konstanz, wo er hinter dem Zaun bei Verrichtung eines Privatgeschäftes mit dem Nestelschwaben zusammentraf und ihn als Landmann und Bruder begrüßte. Der aber wollte das nicht Wort haben und sagte (oder vielmehr halb gurgelte, halb sang er): »Ich bin en früer Schwyzer und biederber Idsgenoss und nit din Bruder, du Fürstekneacht! Will nit zu üch Dütsche ghöre und nüt von üch han.« Zugleich bat er den Seehasen um etwas Brot und Salz, denn er hatte nichts von Zuhause mitgebracht als etwas Käsrinde, und riet ihm »nüt in die Schwyz zu gahn, es seig dört z’ thüer z’leaba.«

Der Seehase kehrte daher wieder um und ging Hechingen zu, nachdem er den Nestelschwaben gedungen hatte, ihm um einen Batzen Wochenlohn das Bündel zu tragen »durch die ganze Welt und weiter«. Der Nestelschwabe verstand sich dazu gerne, denn um bares Geld war ihm sein eigen Blut feil.

Der Nestelschwabe musste auch versprechen, die Wahrheit all dessen zu beteuern, was der Seehase erzählte, sobald dieser ihm »hott« sagte.

Er wurde aber der Nestelschwab genannt, weil er Nesteln anstatt der Knöpfe an Janker und Hosen trug. Weil aber besonders an den Hosen immer eins oder das andere zerrissen war, musste er immer mit der einen Hand nachhelfen, was er aus Gewohnheit stets tat, wenn es auch nicht nötig war. Das Hemd trug er an Armen stets bis zur Schulter aufgestülpt, als müsste er immer zum Käsmachen bereit sein – auch wenn er ein Wams darüber trug oder gar in Feierkleidern erschien. Zugleich ging er immer mit dem Oberleib so gebückt und vorgeneigt, als trüge er eine schwere Butte Käs auf dem Rücken. Sein Name war Rudi.

So wanderten beide bis nach Bopfingen, wo sie den Gelbfüßler ansässig wussten.