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Anne von Vaszary – Die Schnüfflerin

Anne von Vaszary – Die Schnüfflerin

Nina, eine junge Berlinerin, ist schwanger und in einem Einkaufszentrum am Kaffeestand beschäftigt. Vater des Kindes ist Ricky, der am Gewinnspielstand eines Autohauses in der Nähe arbeitet und mit dem sie einen One-Night-Stand während einer Probefahrt in einem Cabrio hatte, das man gewinnen konnte. Ricky ist zwar ein Frauenheld und öfter mit unterschiedlichen Frauen liiert, aber an Nina, die er Ninja nennt, hat er einiges Interesse.

An einem Abend, sechs Wochen später, treffen sich Ricky und Nina in einem netten französischen Restaurant namens Oscars, um dort zu essen. Seit Nina schwanger ist, nimmt sie sehr intensiv Gerüche war. So ist es auch im Restaurant, wo sie die unterschiedlichsten Aromen riechen kann.

Als sie Rauch riecht, ein Geruch, den sie nicht ausstehen kann, springt sie auf, um schnell zur Toilette zu kommen. Dabei reißt sie das Tischtuch herunter, die Kerze vom Tisch kippt um und verbrennt Rickys Pony, den er mit Haarlack bearbeitet hat.

Während Nina die Toilettenspülung betätigt, denkt sie über ihr junges Leben nach. Sie ist die Tochter einer unsteten Frau, die viel in der Welt herumgereist ist, natürlich ohne ihre Tochter, die ihr wie ein Klotz am Bein erschien. Statt ihrer Mutter, die sie mit Anfang zwanzig bekam, zog ihre Oma sie groß, eine engagierte Hebamme, die aber inzwischen verstarb. Ihre Mutter wurde dann in Australien sesshaft, schrieb ab und zu eine Karte, rief ab und zu an, hielt aber kaum Kontakt.

Nina wohnt bei einer jungen Schauspielerin namens Fanny zur Untermiete, jobbt mal hier, mal dort und ist gerade dreiundzwanzig Jahre alt. Sie hat denselben Fehler wie ihre Mutter gemacht und wird sehr früh ein Kind bekommen.

Während sie weiter nachdenkt, klopft jemand von der Nachbartoilette an die Wand und fragt, ob sie Hilfe braucht, vielleicht einen Arzt. Nina heult los, und die Frau aus der Nachbartoilette reicht ihr schließlich ein großes, kariertes Stofftaschentuch unter der Wand hindurch, das Nina sich schluchzend und schniefend an das Gesicht drückt. Sein Geruch nach würzigen, belebenden Kräutern löst bei ihr schließlich die Vision einer saftig grünen Wiese voller summender Insekten und blühender Gräser aus, auf der ein achtlos hingeworfenes Fahrrad liegt. Ninas Übelkeit verfliegt, und sie geht zurück zum Tisch.

Auf dem Rückweg kommt sie an der Durchreiche vorbei, auf welcher ihr Essen schon bereitsteht. Sie sieht dahinter einen Mann mit gerötetem Gesicht und einer Plastikhaube auf dem Kopf, der hinter seinem Rücken etwas versteckt, offenbar der Koch selbst. Als sie in der Gaststube ankommt, mustert sie ihre Tischnachbarn, ein Paar, das Händchen hält und schweigend in die Kerzenflamme seines Tisches schaut und ein älterer Herr, der sich Rotwein einschenkt und sein Glas überlaufen lässt.

Endlich kommt das Essen, französische Zwiebelsuppe. Als Ricky Nina nötigt, zu essen, riecht Nina in der Suppe Bittermandel. Ricky sagt zu ihr, er habe ein großes Geschenk für sie, selbstgemacht. Sie erzählt ihm, sie sei schwanger von ihm, während er von dem Weißbrot probiert, das sich auf dem Tisch befindet. Er verschluckt sich, röchelt und greift sich an den Hals. Dann rutscht er vom Stuhl unter den Tisch.

Plötzlich nimmt Nina wahr, dass auch die Tischnachbarn, das Ehepaar und der alte Mann, röcheln und von ihren Stühlen rutschen. Als sie sieht, wie der Koch sich verwundert im Raum umschaut und vor Schreck das Gesicht verzerrt, beging sie, laut zu schreien.

 

Anne von Vaszary erzählt in der Ichform und beschreibt Persönlichkeit, Leben und soziale Kontakte ihrer Protagonistin Nina sehr intensiv und detailgetreu. Alle anderen Charaktere werden durch ihre Brille gesehen und beschrieben, was manchmal ein wenig zu einseitig erscheinen mag. Da die Erzählerin jedoch sehr genau beobachtet und Verhalten und Charakter der anderen Personen recht objektiv beschreibt, muss man sich keine Gedanken machen, ob die Charaktere zu subjektiv gezeichnet sind.

Die Autorin erörtert zudem jeden Ermittlungsschritt bis ins Detail, den Hauptkommissar Koller von der Berliner Kripo und seine Assistentin in diesem Fall, die Erzählerin Nina, die quasi von ihm zum Assistieren eingeladen wird, vorankommen.

Diese Erzählweise wirkt zunächst verwirrend, und der Leser bleibt dabei etwas hilflos auf der Strecke. Am Ende aber ergibt sich ein Gesamtbild, und in den letzten Kapiteln tut sich für ihn dann eine Lösung auf, die sich logisch zwingend aus den ermittelten Details ergibt.

Kommissar Koller, der während der Ermittlungen sehr viel auf Ninas durch die Schwangerschaft geschärften Geruchssinn gibt, muss am Ende zugeben, dass es diese ist, die das Wettrennen um die Aufklärung der Morde, die verübt werden, gewinnt, sei es auch nur um wenige Längen.

Trotz ihres Triumphes aber mischen sich auch Wermutstropfen in Ninas Sieg, und die Geschichte endet zum Teil auch durchaus tragisch für sie. So denkt sie am Ende mit einem lachenden und einem weinenden Auge an ihr kriminalistisches Tun zurück und überlegt nicht ohne Zweifel, ob sie Polizistin werden soll, wie Koller es ihr vorgeschlagen hat.

Fazit:

Die Autorin wählt für ihren Kriminalroman Die Schnüfflerin eine durchaus ungewöhnliche Erzählweise, die den Leser lange Zeit auf die Folter spannt, was die Lösung der Geschichte angeht, ihm aber sehr detailliert die Person der Protagonistin und die anderen Charaktere nahebringt. So ist man als Leser am Ende durchaus mit dem Stil von Anne von Vaszary versöhnt.

Ich kann dieses Buch demjenigen Leser empfehlen, der gern bei der Suche nach dem Täter Stöckchen für Stöckchen umdreht, um am Ende die Lösung des Falles als Ganzes zu sehen, das sich aus den ermittelten Details ergibt.

Die Autorin:

Die Autorin wurde 1975 im sächsischen Großenhain geboren und wuchs mit zwei älteren Schwestern behütet auf. 2005 machte sie ihr Diplom als Filmdramaturgin und Drehbuchschreiberin an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Sie arbeitete als freie Autorin in der Games-Branche, und 2007 erschien ihr erster Roman Rock mich im Mitteldeutschen Verlag.

2020 kam ihr Debütkriminalroman Die Schnüfflerin im Knaur Verlag heraus. Bereits 2016 bekam sie für die ersten beiden Kapitel das Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern.

Anne von Vaszary bekam u.a. den Lara Kino Award für die beste Kinoadaption 2009 und den Deutschen Entwicklerpreis für das beste Adventure 2009 und die beste Story 2016.

Sie lebt mit ihrer Familie In Berlin und schreibt in Sachsen und auf Sylt.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co.KG.
  • Foto der Autorin. Copyright: Laszlo von Vaszary. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co.KG. R

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