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Deutsche Märchen und Sagen 83

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

105. Herzog Rudolph vor Gottes Richterstuhl gerufen

Herr Rudolph, Herzog zu Österreich stellte einen Ritter aufs Leben nach, den er auch gefangen und torquiert, in einen Sack schieben und ins Wasser hatte werfen lassen.

Ehe aber der Ritter ganz im Sack war, sah er den Herzog am Fenster und schrie ihm zu: »Herzog Rudolph, ich lade dich vor Christi Richterstuhl, damit du dort Rechenschaft ablegst, warum du mich unschuldiger Weise durch einen so üblen und tyrannischen Tod hinrichtest.«

Nach solchen Worten wurde der Sack zugebunden. Der Herzog lachte der Einladung nur und sprach: »Es ist schon gut, geh nur voran, ich werde nachkommen.« Er machte sich auch weiter keine Bedenken, sondern lebte fröhlich hinein. Ehe aber das Jahr um war, ergriff ihn ein Fieber. Da fiel ihm der traurige Gedanke an jene Vorladung ein.

»Ach, liebe Freunde«, sprach er, »der Tod ist vorhanden, ich muss fort. Länger kann ich mich nicht aufhalten, ich muss vor Gericht.«

Wie er geredet hatte, so geschah es und er starb bald darauf.