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Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 4

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Viertes Kapitel

König Jakob der Erste

Mittlerweile kam der königliche Zug langsam die Allee herauf. Er war sehr zahlreich und erschien umso glänzender, da er fast ebenso viele hochgeborene Damen wie Kavaliere enthielt. Unter den ausgezeichneten Fremden, die mit ihren Begleitern an dem Zug teilnahmen, waren der venezianische Gesandte Giustiniano und der Marquis de Tremouille, von der Familie des Ursins, Gesandter von Frankreich.

Diese vornehmen Herren ritten dicht hinter dem König. Der eine oder andere von ihnen war beständig in eine Unterhaltung mit ihm verwickelt. Giustiniano hatte eins von jenen dunklen, ernsten und schönen Gesichtern, womit die Porträts von Tizian und Tintoretto uns bekannt gemacht haben. Selbst die Scherze des Königs vermochten ihn nicht zum Lächeln zu bewegen. Er war ganz in schwarzen Samt gekleidet und trug einen Mantel, der mit kostbarem schwarzem Fuchspelz besetzt war. Alle seine Begleiter waren auf gleiche Weise gekleidet. Der düstere Venezianer bildete einen auffallenden Kontrast gegen seinen lebhaften Gefährten, den heiteren und graziösen de Tremouille, der in weißem Atlas schimmerte, worauf silberne Blätter gestickt waren, während seine Begleitung dieselbe Farbe und denselben Schmuck zeigte.

Die Hofleute beobachteten keine bestimmte Reihenfolge. Jeder ritt, wie es ihm gefiel. Prinz Karl war abwesend, so wie auch der vornehmste Günstling Buckingham; aber ihre Plätze wurden von einigen der ersten Personen des Reiches eingenommen, unter welchen sich die Grafen von Arundel, Pembroke und Montgomery, der Marquis von Hamilton und die Lords Haddington, Fentun und Doneaster sich befanden. Unter den Edelleuten, den Hofleuten niederen Ranges und dem Gefolge der Gesandten befanden sich die Damen, wovon die meisten wegen ihrer persönlichen Reize, wegen ihrer reichen Kleidung und wegen der Anmut und Geschicklichkeit, womit sie ihre Pferde lenkten, die Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.

Vielleicht die Schönste unter ihnen war die junge Gräfin von Exeter, deren herrliche schwarze Augen großen Eindruck machten. Die liebenswürdige Gräfin ritt einen feurigen spanischen Zelter, den ihr Gondomar geschenkt hatte. Zu einer Verbindung mit einem gichtbrüchigen und hinfälligen alten Gemahl gezwungen, hätte die Gräfin von Exeter diesen Umstand als eine Entschuldigung wegen einiger ihrer Torheiten anführen können. Ohne Zweifel war es ein Grund, den ihre Verehrer anführten, die ihre Treue gegen ihren Gemahl zu erschüttern versuchten und ihr sagten, es sei eine Schande, dass sie einem solchen alten Tor wie er, aufgeopfert werden sollte. Ob diese Gründe in mehr als einem Fall geltend gemacht wurden, wollen wir nicht zu genau untersuchen. Wenn wir uns aber auf Hofgerüchte verlassen dürfen, so geschah es – denn Buckingham und Gondomar galten beide für ihre Liebhaber.

Der Letzte in der Reihe, der am leidenschaftlichsten in die schöne Gräfin verliebt zu sein schien und den größten Anteil an ihrer Achtung hatte, war Lord Roos. Da dieses schuldige Verhältnis und dessen Folgen in genauer Verbindung mit unserer Geschichte stehen, so haben wir uns genötigt gesehen, uns so genau darauf zu beziehen. Lord Roos war ein naher Verwandter des Grafen von Exeter. Obwohl der altersschwache und gichtgepeinigte alte Pair bei früheren Gelegenheiten außerordentlich eifersüchtig auf seine liebenswürdige junge Gattin war, wenn sie mit seiner Ehre zu scherzen schien, zeigte er sich nun vollkommen ruhig und arglos, obwohl er unendlich mehr Ursache zum Misstrauen hatte. Vielleicht hegte er zu viel Vertrauen zu den guten Gefühlen und Grundsätzen des Lord Roos, um seinen Argwohn gegen ihn zu richten.

Sehr verschieden war das Benehmen der Lady Roos. Diese unglückliche Dame, die wir bereits als Tochter des Staatssekretärs Sir Thomas Lake erwähnt haben, hatte das Unglück, ihren schönen, aber ausschweifenden Gatten aufrichtig zugetan zu sein, dessen Vernachlässigung und häufige Vergehungen sie verziehen hatte, bis die äußerste Entfremdung, die durch seine Leidenschaft für die Gräfin von Exeter bewirkt wurde, sie mit solcher Qual erfüllte, dass sie sich endlich bei ihrer Mutter, der Lady Lake, einer ehrgeizigen und herrschsüchtigen Frau, beklagte, deren Eitelkeit sie bestimmt hatte, diese unglückliche Verbindung zu Stande zu bringen. Den größten Unwillen über die Behandlung ihrer Tochter aussprechend, riet ihr Lady Lake, sich zu rächen, indem sie es selber übernehmen wollte, dem beleidigten Grafen von Exeter wegen der Untreue seiner Frau die Augen zu öffnen; aber Sir Thomas Lake brachte sie von ihrem Vorhaben ab. Obwohl im Allgemeinen von seiner Frau geleitet, gelang es Sir Thomas dieses Mal, und er machte dagegen den Vorschlag, Lady Lake und ihre Tochter möchten Lord Roos ernstliche Vorstellungen machen, wodurch sie vielleicht seine Furcht, wenn auch nicht sein Pflichtgefühl erwecken würden.

Diese endliche Vorstellung war noch nicht geschehen, aber es hatte eine Unterredung zwischen Lady Roos und ihrem Gemahl stattgefunden, worin sie ihn leidenschaftlich angefleht, die Fesseln von sich zu werfen, womit er sich gebunden und zu ihr zurückzukehren, wo alles vergeben und vergessen sein solle – aber ohne Erfolg.

So stand nun die Sache.

Obwohl die Gräfin von Exeter, wie wir gesehen haben, eine der Hauptzierden der Falkenjagd war, so hatte sich Lord Roos doch derselben nicht angeschlossen, denn seine Abwesenheit wurde durch eine Aufforderung des Grafen von Gondomar veranlasst, mit dessen politischen Intrigen er insgeheim in Verbindung stand. Ob die Gräfin ihn vermisste, oder nicht, wollen wir nicht zu entscheiden wagen. Alles, was wir behaupten können, ist, dass sie in sehr guter Laune war und nicht in der Stimmung, die Annäherungen anderer Bewerber um ihre Gunst zurückzuweisen. Ihre schönen und ausdrucksvollen Züge strahlten von beständigem Lächeln und

ihre glänzenden schwarzen Augen schienen überall, wohin ihre Strahlen fielen, eine Flamme zu entzünden.

Doch wir müssen diese Zauberin und ihre Zauber verlassen und mit der Beschreibung der königlichen Gesellschaft fortfahren. Hinter den Reitern gingen die Falkeniere in Livreen von grünem Tuch und Jagdhörnern von ihren Schultern niederhängend. Jeder dieser Männer hatte einen Falken auf seiner Faust, mit Haube, Schellen, Fußringen und Wurffesseln versehen. Hinter den Falkenieren und von einer Menge von Dienern in braunrohen Jacken und Stäbe in den Händen begleitet, kamen zwei Abteilungen von Hunden, wovon die eine für den Fluss und die andere für das Feld bestimmt war. Sie machten eine hübsche Musik, ungeachtet der Bemühungen der rötlich gekleideten Diener, sie ruhig zu erhalten.

Die Falkenbeize war in jenen Tagen, was nun die Jagd ist, denn Jagdflinten wurden noch wenig oder gar nicht angewendet. Die verschiedenen Arten von Falken wurden nicht nur gebraucht, um Fasane, Rebhühner, Haselhühner, Wiesenläufer, Wachteln und andere Vögel zu fangen, sondern auch um Hasen zu jagen. Bei all diesen Verrichtungen wurden die Falkeniere von Hunden unterstützt. Es konnte natürlich nur zu bestimmten Jahreszeiten Wild getötet werden – wilde Gänse, wilde Enten und Schnepfen im Winter; aber den Zeitvertreib für den Frühling und Sommer gewährte der Kranich, die Trappgans, der Reiher, die Dohle und der Geier, während zu denselben Zeiten einige von den kleineren Wasservögeln auf See oder Fluss eine vortreffliche Jagdbelustigung gewährten.

Jener Zug stellte einen auffallenden und malerischen Anblick dar mit den vielfarbigen nickenden Federbüschen, der schimmernden Seide und dem Samt, der stolzen Reihe von Reitern und dem noch stolzeren Aufzug von liebenswürdigen Frauen, deren persönliche Grazie der Beschreibung trotzen, während sie dazu auffordern. Angenehm waren die Töne, welche den Zug begleiteten: das heitere Lachen, die musikalischen Stimmen der Frauen, das Klirren der Zäume, das Schnauben und Stampfen der Rosse, das Bellen der Hunde, das Rufen der Diener und das Blasen der Hörner.

Da wir indessen bisher noch die Hauptfigur außer Acht gelassen haben, müssen wir uns beeilen, den zu beschreiben, von welchem der Zug angeführt wurde. Der König ritt ein prächtiges milchweißes Ross mit weitflatternder Mähne und Schweif und vom leichtesten und sanftesten Schritt. Der rote Zaum, der nickende Busch von roten Federn, das breite Brustband mit roten Troddeln und der Sattel mit der roten Schabracke stachen gegen die zarte Farbe ab. Obwohl Jakob sich, wie wir sehen, der Jagd widmete, war er doch ein mittelmäßiger Reiter. Um sicherer im Sattel zu sitzen, war derselbe vorn und hinten so hoch gepolstert, dass es fast unmöglich schien, herausgeworfen zu werden. Aber trotz all dieser Vorkehrungen waren ihm doch Unfälle begegnet. Einmal wurde er, wie Sir Symonds d’Ewes erzählt, kopfüber in einen Fischteich geworfen; und ein anderes Mal erfahren wir aus einer verschiedenen Quelle, dass er über den Kopf seines Pferdes in den New River geschleudert wurde und nur mit genauer Not dem Ertrinken entging, indem seine Stiefel allein über dem Eis sichtbar waren, welches den Strom bedeckte. Überdies war der Anzug des Monarchen außerordentlich steif und schwerfällig, und dies, während es die natürliche Unbeholfenheit seiner Person vermehrte, verhinderte alle freie Bewegung, besonders zu Pferde. Sein Wams, welches bei gegenwärtiger Gelegenheit von grünem Samt und beträchtlich abgenutzt war – denn er achtete nicht besonders auf die Neuheit seiner Kleidung – war so stark wattiert, dass kein Dolch durchdringen konnte. Seine Beinkleider waren auf dieselbe Weise ausgestopft und übertrieben weit um die Hüften. Seine Halskrause war dreifach und so steif gestärkt, dass der Kopf unbeweglich zwischen den Falten steckte.

Obwohl nicht schön, war Jakobs Gesicht gedankenvoll und verständig, mit einem Ausdruck von List in den Augen und von Sarkasmus um den Mund. Es enthielt den Typus der eigentümlichen Physiognomie, welche sein ganzes unglückliches Geschlecht auszeichnete. Sein Bart war gelblich braun und bedeckte nur spärlich sein Kinn, während sein schmaler Schnurrbart von noch hellerer Farbe war. Sein Haar fing an, grau zu werden, aber seine Gesichtsfarbe war rötlich und gesund und bewies, dass er, wäre seine beständige Trunkenheit und Schwelgerei nicht gewesen, ein hohes Alter hätte erreichen können, wenn sein Leben nicht vielleicht auf gewaltsame Weise abgekürzt worden wäre. Seine großen Augen rollten beständig umher und seine Zunge, die zu groß für seinen Mund war, machte, dass er beim Sprechen beständig zischelte und beim Essen ein unangenehmes Ansehen hatte, während seine Beine so schwach waren, dass er beim Gehen der Unterstützung bedurfte. Ungeachtet dieser Fehler und der allgemeinen Rohheit seines Wesens war Jakob nicht ohne Würde, und konnte, wenn er wollte, eine recht königliche Miene und Haltung annehmen. Aber diese Gelegenheiten waren selten. Wie es wohl bekannt ist, verschafften ihm seine Pedanterie und seine Ansprüche an höhere Weisheit und Unterscheidungsgabe den Titel des schottischen Salomo. Seinen allgemeinen Charakter werden wir im Verlauf dieser Geschichte vollständiger entwickeln und die Treulosigkeit und Verstellung zeigen, die er ausübte, um seine Pläne auszuführen, und welcher er die beschönigende Benennung Königskunst beilegte.

Jakob stellte sich bei Gelegenheiten wie die gegenwärtige nie vorteilhafter dar. Seine herzliche Teilnahme an der Belustigung, womit er beschäftigt war, seine Vertraulichkeit mit allen, die ihn umgaben, selbst mit den niedrigsten Dienern, die ihn begleiteten, und welchen er gewöhnlich einen drolligen Beinamen erteilte, das vollständige Aufgeben aller Etikette, welche entweder er oder sein Zeremonienmeister anderswo beobachteten, seine gutmütige Eitelkeit und Prahlerei mit seiner Geschicklichkeit als Jäger – dies alles brachte einen günstigen Eindruck hervor, der bei denen nicht vermindert wurde, die nicht häufig auf andere Weise mit ihm in Verbindung kamen. Auf der Jagd oder Falkenbeize war Jakob nichts weiter als ein biederer Landedelmann, der sich mit ähnlichen Belustigungen beschäftigte.

Der Zug kam gemächlich näher, denn der König ritt so langsam, damit die Falkeniere mit den Reitern Schritt halten konnten. Er war in sehr guter Laune, lachte und scherzte zuweilen mit dem einen, zuweilen mit dem anderen Gesandten. Nachdem er eine gelehrte Abhandlung über die Art, einen Falken über dem Fluss oder dem Feld fliegen zu lassen, mit dem Marquis de Tremouille beendet und eben eine ähnliche Unterhaltung mit Giustiniano über die italienische Sitte, einen Falken zu zähmen und auszurüsten, wie es Messer Francesco Sforzino Vicentino lehrt, begonnen hatte, erblickte er den Grafen von Gondomar, der an der Seite der Allee stand, wo wir ihn verlassen hatten. Plötzlich hielt der ganze Zug ebenfalls an.

»Salud Conde magnifico! (Ich grüße Euch, edler Graf)«, rief Jakob, als der Spanier sich näherte, um ihm seine Verbeugung zu machen, »wie kommt es, dass wir Euch unter dem Schatten des Baumes finden, der dem Weinstock freundlich gesinnt ist – amictae vitibus ulmi, wie Ovid sagt? Ist es, weil jene blühende Chloe«, fuhr er fort, indem er Gillian bedeutungsvoll anschielte, »mehr Anziehungskraft für Euch hat als die Damen unseres Hofes? Meiner Treu! Die Dirne ist nicht übel; aber Ihr habt eine gute Jagdbelustigung versäumt, Graf, außer anderen Verlusten, die wir nicht genau angeben wollen. Wir haben einen guten Flug nach dem Reiher und einen ebenso guten nach der Trappgans gehabt. Himmel! Wie lief der langbeinige Kerl davon. Lady Exeter auf ihrem spanischen Zelter – wir wissen wohl, wessen Geschenk er ist – war allein im Stande, mit uns Schritt zu halten, und Ihrer Herrlichkeit fremder Falke fing endlich den fliehenden Kerl. Bei unserem Glauben! Die Gräfin versteht die edle Wissenschaft gut. Sie verschmähte es nicht, ihre zierlichen Handschuhe zu beschmutzen, um ihren Falken mit einer soppa zu belohnen, wie Seine Exzellenz Giustiniano es nennen würde, von dem Herzen, dem Blut und dem Gehirn der Trappgans. Aber wen habt Ihr da bei Euch?«, fügte er hinzu, indem er Jocelyn erst jetzt bemerkte.

»Einen jungen Herrn, für den ich mich sehr interessiere, und welchen ich Eurer Majestät mit Eurer gnädigen Erlaubnis vorstellen möchte«, versetzte Gondomar.

»Seele unseres Leibes! Graf, die Erlaubnis ist Euch gern gewährt«, versetzte Jakob, dem das Äußere des jungen Mannes offenbar sehr gefiel. »Ihr sollt ihn zu uns in das Privatzimmer bringen, ehe wir zur Abendtafel gehen und sollt überdies die volle Erlaubnis haben, für ihn zu sprechen, was Ihr wollt. Er ist ein gut gewachsener Bursche von fast ebenso gutem Aussehen, wie unser eigener lieber Steenie1, aber wir möchten zu ihm in den Worten des römischen Dichters sagen:

O formose puer, nimium ne crede colori!2

Guter Charakter ist besser als gutes Aussehen; nicht als wäre das Letztere gering zu achten, aber beides sollte in einer Person vereint sein. Wir werden bald entdecken, ob der junge Mann gut erzogen ist. Wenn alles übereinstimmt, wollen wir ihm das Licht unseres Angesichts nicht verweigern.«

»Ich sage Eurer Majestät meinen Dank für die Gunst, die Ihr ihm erwiesen habt«, versetzte Gondomar.

»Aber Ihr habt uns des Jünglings Namen noch nicht genannt, Graf«, sagte der König.

»Eure Majestät werden nicht denken, dass ich ein Geheimnis anwende, wo keins nötig ist, wenn ich sage, dass mein Schützling um die gnädige Erlaubnis bittet, für den Augenblick sein Inkognito beizubehalten«, entgegnete Gondomar. »Wenn ich ihn vorstelle, wird natürlich sein Name genannt werden.«

»Es geschehe, wie Ihr es wünscht, Graf«, sagte Jakob. »Wir wissen wohl, dass Ihr guten Grund zu dem habt, was Ihr tut. Verfehlt nicht, uns zu der bestimmten Zeit aufzuwarten.«

Als Gondomar sich mit tiefer Verbeugung zurückzog, setzte der König sein Pferd in Bewegung. Da nun die allgemeine Aufmerksamkeit Jocelyn galt, richteten sich die Augen aller auf ihn. Man kritisierte seine äußere Erscheinung und seinen Anzug und stellte verschiedene Mutmaßungen auf, welches wohl der Beweggrund des spanischen Gesandten sein könne, die Vorstellung zu übernehmen.

Mittlerweile hatte Lord Roos den kurzen Aufenthalt benutzt, sich der Gräfin von Exeter zu nähern. Auf Gillian deutend, fragte er in leisem Ton und in kurzen Worten, welchen seine Blicke Bedeutung verliehen, ob sie das schöne Mädchen in ihre Dienste nehmen wolle. Die Gräfin schien überrascht von dieser Bitte, und die Schöne von Tottenham ansehend, schien sie im Begriff, eine abschlägige Antwort zu erteilen, als Lord Roos leise hinzufügte: »Für Gondomar bitte ich um diese Gunst.«

»Wenn das ist, so bin ich bereit, einzuwilligen«, entgegnete die Gräfin. »Ich will sogleich mit dem Mädchen reden, wenn Ihr es wünscht. Wie hübsch sie ist! Kein Wunder, wenn Seine entzündbare Exzellenz von ihr entzückt ist.«

Sich vom Zug entfernend, ritt sie in Begleitung des Lord Roos auf Gillian zu. Das hübsche Mädchen geriet in neue Verlegenheit bei der Annäherung der großen Dame. Sie wäre gern davongelaufen, wenn sie auf dem Boden und nicht auf dem Sattelkissen hinter ihrem Großvater gewesen wäre.

»Sei unbesorgt, mein hübsches Mädchen«, sagte die Gräfin in freundlichem und ermutigendem Ton, »es ist nichts da, was du fürchten darfst. Lord Roos wusste, dass ich eines Mädchens, wie du, bedarf, um mein Haar zu machen und mir aufzuwarten, so lenkte er meine Aufmerksamkeit auf dich. Wenn ich dem Schein trauen darf«, fügte sie mit sehr schmeichelhaftem und überredendem Lächeln hinzu, »so bist du gerade die Person, die für mich passt, vorausgesetzt, dass du geneigt bist, in meinen Dienst zu treten. Ich bin die Gräfin von Exeter.«

»Eine Gräfin!«, rief Gillian. »Hört Ihr das, Großvater? Die schöne Dame ist eine Gräfin. Welch eine Ehre würde es sein, ihr zu dienen!«

»Es mag sein«, versetzte der Greis zaudernd und leise, »doch gefällt mir die Sache nicht ganz.«

»Nehmt das Anerbieten nicht an, Gillian. Geht nicht«, sagte Dick Taverner, dessen Brust voll Unruhe war.

»Deine Antwort, mein hübsches Mädchen?«, fragte die Gräfin mit einnehmendem Lächeln.

»Ich bin Euch sehr verbunden, Mylady«, versetzte Gillian, »und es wird ein großes Vergnügen für mich sein, Euch zu dienen, wie Ihr vorschlagt – das heißt, wenn ich meines Großvaters Erlaubnis dazu erhalte.«

»Dem guten Mann liegt gewiss Deine Wohlfahrt zu sehr am Herzen, um es zu verhindern«, versetzte die Gräfin. »Aber folgt mir in den Palast. Wir wollen weiter über die Sache reden. Fragt nur nach den Zimmern der Gräfin von Exeter.«

Mit einem neuen gnädigen Lächeln schloss sie sich wieder dem Zug an und ließ Lord Roos zurück. Er dankte ihr mit einem Blick für ihre Gefälligkeit.

»O Gillian! Ich bin gewiss, es wird Unheil daraus entstehen«, rief Dick Taverner.

»Warum denn?«, versetzte sie, fast außer sich vor Entzücken wegen der glänzenden Aussicht, die sich plötzlich vor ihr öffnete. »Mein Glück ist gemacht.«

»Ihr habt recht, mein hübsches Mädchen«, sagte Lord Roos. »Verfehlt nicht zu tun, wie die Gräfin Euch angewiesen hat, und ich will für das Übrige einstehen.«

»Ihr hört, was der freundliche junge Edelmann sagt, Großvater?«, flüsterte Gillian ihm ins Ohr. »Ihr könnt doch nicht an seiner Zusicherung zweifeln?«

»Ich höre wohl alles«, versetzte der alte Greenford, »aber ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich vermute, wir müssen in den Palast gehen.«

»Gewiss müssen wir das«, rief Gillian. »Ich gehe allein, wenn Ihr nicht mit mir gehen wollt.«

Zufrieden mit dem, was er gehört hatte, entfernte sich Lord Roos, indem er Gillian Billigung zunickte. Der Zug hatte sich, wie schon bemerkt, wieder in Bewegung gesetzt, aber er war noch nicht weit gekommen, als er unerwartet wieder Halt machte.

Plötzlich hinter einem großen Baum vortretend, wo er sich verborgen hatte, stellte sich ein Mann in militärischer Kleidung, mit grauem Haar und Bart und außerordentlich entschlossenem und strengem Gesicht, dem Monarchen gerade in den Weg, streckte seine Hand gegen ihn aus und rief mit lauter Stimme: »Steh! O König!«

»Wer bist du, Kerl? Und was willst du?«, fragte Jakob, der sein Pferd mit solcher Heftigkeit anhielt, dass er fast aus seinem hoch gepolsterten Sattel geworfen wurde.

»Ich habe eine Botschaft vom Himmel an dich auszurichten«, versetzte Hugo Calveley.

»Aha!«, rief Jakob, der sich einigermaßen fasste, denn er hatte geglaubt, er habe einen Wahnsinnigen vor sich. »Und welches ist deine Botschaft?« Da er sich einen Ruf des Mutes erwerben wollte, der seiner Natur gänzlich fremd war, winkte er seiner Umgebung, zurückzutreten und wiederholte: »Deine Botschaft, Kerl!«

»Höre denn, was der Himmel dir verkündet«, versetzte der Puritaner. »Habe ich dich nicht aus dem Land der Hungersnot in ein Land des Überflusses geführt? Du solltest daher mein Volk gerecht richten! Aber du hast die Gerechtigkeit verdreht und bist nicht dem Unterdrückten zu Hilfe gekommen. Wenn du daher nicht bereust, will ich dir dein Königreich entreißen und deiner Nachkommenschaft nach dir! So spricht der Herr, dessen Bote ich bin.«

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  1. Buckingham
  2. O schöner Knabe, vertraue nicht zu viel der Farbe.