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Der Welt-Detektiv Band 6

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Aus dem Wigwam – Pomperaug

Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig. 1880

Vierzig Sagen
Mitgeteilt von Chingorikhoor

Pomperaug

m Land der Mohawk hatte Sich einst eine kleine Abteilung Blassgesichter unter Leitung eines alten Priesters niedergelassen. Da sich dieselben sehr friedlich benahmen, so legte ihnen auch kein Indianer Hindernisse in den Weg. Sie bauten sich Häuser und pflanzten Kartoffeln und säten Korn.

Da sie nun das urbar gemachte Land gern als ihr Eigentum gesehen hätten, so machte der Priester dem Häuptling Pomperaug, der ihn eines Tages in seiner Hütte besuchte, den Vorschlag, ihm die betreffende Landstrecke gegen entsprechende Bezahlung abzutreten.

»Höre, was der rote Mann spricht!«, erwiderte dieser. »Siehst du dort den Adler? Der Himmel ist seine Heimat, und sein Herz würde brechen, wenn er sie aufgeben müsste. Glaubst du wohl, er würde sie mit der See vertauschen? Siehe in den Fluss und frage die munteren Fische, ob ihnen der Platz ihrer Geburt feil sei. Wenn sie sprechen könnten, so würden sie dir ein lautes Nein zurufen. Soll nun die Rothaut das Land, welches die Asche seiner Väter enthält gegen wertlose Perlen und Tücher tauschen? Gewiss nicht. Doch, Vater, ich will mich von meinen geliebten Wäldern trennen, wenn du mir den süßen Singvogel mit den blauen Augen, den du in deinem Wigwam hast, überlässt!«

»Scheusal«, schrie der Priester empört, »willst du etwa, dass ich ein Lamm in eine Wolfshöhle schicken soll? Lieber halte ich meiner eigenen Tochter heute noch die Grabrede!«

Im Auge des Häuptlings loderte es wild auf und stumm verließ er die Hütte des Priesters. Er liebte das weiße Mädchen, aber da seine Werbung um sie so schnöde abgewiesen wurde, so fand er nur noch Trost im Hass gegen die Weißen. Da dieselben daher einst auszogen, um die Ermordung eines der ihren zu rächen, nahm er mutig den Kampf auf. Sein erster Pfeil durchbohrte die Brust des greisen Priesters.

Viele Jahre waren verflossen und Pomperaugs Stamm war ausgestorben. Nur Blassgesichter bewohnten sein Land und hielten die Stelle, auf der ihr Priester starb, in großen Ehren.

Dort kniete auch oft die verwaiste Tochter in ihrem Schmerz und schickte Gebete zu ihrem Gott.

Bei dieser Andacht wurde sie einst durch ein unerklärliches Geräusch er­schreckt. Als sie sich umblickte, sah sie die stolze Gestalt Pomperaugs vor sich. Sie erschrak. Augenblicklichen Tod von seiner Hand erwartend, stürzte sie sich in den Abgrund neben ihr. Pomperaug hörte sie fallen, kletterte hinunter zu ihr und begrub sie.

Wieder waren viele Jahre verflossen. Die Spur der Indianer war verschwunden, nur selten fand ein Ackersmann beim Pflügen eine steinerne Pfeil- oder eine Lanzenspitze.

An einem Sommerabend aber saß ein Farmer an der Stelle, von welcher sich die Tochter des Priesters in den Abgrund gestürzt hatte. Da sah er mehrere Indianer, von denen zwei ein schweres Bündel trugen, scheu herbeischleichen. Unbemerkt beobachtete er die Bewegungen der Fremden, wie sie ein Grab schaufelten und einen Toten hineinlegten. Es war der Leichnam Pomperaugs, den seine Freunde neben der Tochter des weißen Priesters beerdigt hatten.