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Mordmonomanie

Mordmonomanie
Aus: Der Wahnsinn in den vier letzten Jahrhunderten. Nach dem Französischen des Calmeil. Bearbeitet von Dr. Rudolf Leubuscher. Halle. 1848

Peter Burgot und Michel Verdung klagen sich des Mordes und der Lykanthropie an und werden in Poligny verbrannt. (1521)

Burgot, der mit Michel Verdung zusammen der Zauberei und der Verwandlung in Werwölfe angeklagt ist, legt vor dem Inquisitor Boin folgende Geständnisse ab:

»Ich gehöre seit beinahe neunzehn Jahren zur Sekte der Teufelsanbeter. Bei einem Jahrmarkt in Poligny, wo ein Unwetter meine Herde auseinandergesprengt hatte, kam ein schwarzgekleideter Herr zu mir, der sich für einen Diener des Teufels ausgab und mir versprach, ich solle meine Herde wiederfinden, wenn ich dem Teufel dienen wollte. In meiner Angst sagte ich zu. Wenige Tage später habe ich vor demselben Gott und die Heiligen abgeschworen und die Hand des Teufels geküsst, die so kalt wie die eines Leichnams gewesen ist. Der Dämon hat dann über meine Herde gewacht und sich verpflichtet, mir Geld zu geben. Ich habe seit der Zeit aufgehört, das Credo zu beten. Kaum wagte ich nach der Messe noch die Kirche zu betreten. Nach zwei Jahren aber habe ich wieder als frommer Christ gelebt, bis mich mein Mitangeklagter von Neuem zum Bund mit dem Teufel verlockt hatte, unter der Vorspiegelung, dass große Reichtümer meiner warteten. Ich bin mit ihm zu einer Versammlung von Zauberern in einem benachbarten Gehölz gegangen. Sie hielten alle grüne Wachskerzen mit einem bläulichen Schein in den Händen. An einem anderen Abend rieb mich Michel nackt mit einer Salbe ein. Ich nahm die Gestalt eines Wolfes an. Ich lief auf vier Füßen, meine Glieder wurden behaart, der Teufel ließ mich den Raum mit der Schnelligkeit des Windes durchmessen. Auch Michel hatte sich eingerieben; auch er lief so schnell, dass das Auge seine Bewegungen kaum folgen konnte. Das erste Mal dauerte unsere Verwandlung nur zwei Stunden. Um unsere frühere Gestalt wieder anzunehmen, bedienten wir uns einer anderen Salbe. Dämonen, mit Namen Guillemin und Moyset, bringen uns die Salbe, die uns in Wölfe verwandelt. Das erste Mal empfand ich eine ungeheure Müdigkeit. Der Teufel versicherte, sie würde sich später verlieren. An einem Abend fiel ich mit meinen Wolfszähnen einen kleinen Knaben von sechs oder sieben Jahren an. Ich wollte ihn töten, aber er schrie zu sehr, und ich musste mich eilig zurückziehen und meine menschliche Gestalt wieder annehmen. In einer anderen Nacht habe ich mit Michel zusammen eine Frau getötet, die gerade Schoten pflückte. Ein anderes Mal haben wir ein kleines Mädchen von vier Jahren bis auf die Arme aufgezehrt. Michel fand das Fleisch köstlich, mir aber widerstand es. Bei einem anderen kleinen Kind fingen wir am Hals an zu saugen. Von einem anderen kleinen Mädchen habe ich die Eingeweide aufgegessen. Und endlich haben wir zusammen noch ein Mädchen von neun Jahren getötet, das mir kein Almosen hatte geben wollen. Eine Ziege habe ich auch einmal mit meinen Zähnen verwundet und ihr dann mit einem schneidenden Instrument den Hals durchschnitten. Mehr als einmal haben wir mit Wölfinnen den Beischlaf vollzogen und dasselbe Vergnügen empfunden wie bei gewöhnlichen Weibern. Die Dauer unserer Verwandlung hat nicht immer so lange gewährt, wie wir es gern gewünscht hätten, und wir wurden manchmal nach kurzer Zeit wieder Menschen. Wir besaßen giftige Pulver; die bloße Berührung genügte, um zu töten.« Michel Verdung bestätigte alles. In der Bezeichnung der Orte, wo sie die Mordtaten verübt haben wollten, war ein Widerspruch in beider Aussage. Beide wurden verbrannt.

Boguet, der in der Grafschaft von Bourgogne gegen Ende des 16. Jahrhunderts Kriminalrichter war, fügt nach der Erzählung von Zeitgenossen noch einen dritten Lykanthropen, Philibert Montot, hinzu. Nach ihm soll auch Michel, den er Udon und nicht Verdung nennt, verwundet, und als er sich gerade für einen Wolf hielt, in einer Hütte gefangen genommen worden sein. Die Bilder dieser drei Zauberer sollen damals lange Zeit in der Jakobinerkirche in Poligny ausgehangen haben.

Wilhelm von Auvergne erzählt von einem Melancholischen, der sich zu bestimmten Stunden aus seiner Wohnung entfernte und bei seiner Rückkehr versicherte, er sei als Werwolf auf die Jagd gegangen. Als man einmal seine Spur verfolgte, fand man ihn in einer dunklen Höhle in einem ekstatischen Zustand. Er wurde geheilt. Verdient die Angabe der Lykanthropen aus Poligny mehr Glauben?

Wier spricht es ohne Rückhalt aus. Man müsste unvernünftig sein, wenn man diese Verbrechen für wahr halten sollte. Ob der vorliegende Fall von Lykanthropie ein solcher gewesen ist, der mit Mordmonomanie kompliziert war, ist aus den vorliegenden Fakten nicht ersichtlich. Es ist aber nicht wahrscheinlich; es ist nirgends erwähnt, dass man eine tatsächliche Spur von den fünf Mordtaten wirklich aufgefunden habe. Wier glaubt an die Wirksamkeit narkotischer Salben auf die Erzeugung der Halluzinationen der beiden Angeklagten, aber Burgot hatte schon achtzehn Jahre vorher die erste Halluzination gehabt, wo ihm sicherlich noch nicht eingefallen war, willkürlich fantastische Träume zu erzeugen. Ob die beiden während ihrer Paroxysmen umhergeschweift sind, ist ebenso fraglich. Der von Wilhelm von Auvergne angeführte Kranke rührte sich während seiner Halluzinationen nicht von seinem Platz. Es könnte den beiden ebenso gegangen sein.