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Slatermans Westernkurier 07/2020

Auf ein Wort, Stranger, kennst du schon die Geschichte von dem Krieg zwischen den Eichelhähern und den Spechten?

Keine Angst, der Westernkurier hat sich seit seiner letzten Ausgabe nicht in ein Magazin für Ornithologie verwandelt, sondern bleibt seinen Wurzeln nach wie vor treu. Dies ist also erneut eine Story über den wahren und wirklichen Wilden Westen.

Auch wenn die Überschrift so manchen erstaunt oder gar schmunzelnd zurücklässt, die Geschichte, die hinter dieser Frage steht, ist leider, wie oftmals bei Berichten über diese Zeit, alles andere als lustig.

Sie erzählt von einer Fehde, die sich anno 1889 im Fort Bend County in Texas zugetragen hat und in deren Verlauf mehr als ein halbes Dutzend Männer ihr Leben ließen und mehr als dreimal so viel zum Teil schwer verletzt wurden.

Doch der Reihe nach …

 

*

 

Wenn jemand behauptet, dass Fehden in damaliger Zeit reine Familienangelegenheiten waren, ist das nur zum Teil richtig, denn meistens fanden sie zwischen Gruppen statt, die nicht nur familiär, sondern auch durch irgendwelche Art gemeinsamer Interessen miteinander verbunden waren. Sicherlich waren verwandtschaftliche Bande oftmals der Auslöser solcher Fehden, doch wirtschaftliche, rassistische oder religiöse Bindungen waren genauso häufig die Ursache, ebenso wie politische oder solche durch rein geographisch bedingte Verhältnisse.

Der Jaybird (Eichelhäher)-Woodpecker (Specht)-War gilt, wie historisch belegt, als eine politische Fehde, die um 1888 im Fort Bend County in Texas begann, 1889 ihren Höhepunkt erreichte und erst Mitte des 20. Jahrhunderts durch ein Urteil des obersten amerikanischen Gerichtshofes endgültig als beendet angesehen werden kann.

Diese Fehde wurde zwischen der bestehenden republikanischen Wiederaufbauregierung und der demokratischen Partei um die politische Kontrolle des Fort Bend Countys geführt.

Es begann 1888 mit den Wahlen zur County-Regierung, bei denen die Jaybirds, eine demokratische Gruppierung, die sowohl den Wohlstand als auch 90 Prozent der weißen Bevölkerung repräsentierte, gegen die republikanischen Machthaber antraten, die als Spechte bezeichnet und während des Wiederaufbaus nach der Ära des Bürgerkrieges die Kontrolle über das County erlangt hatten.

Die Spechte waren im Grunde eigentlich auch Demokraten, aber sie repräsentierten den Wiederaufbau und waren vor allen Dingen aufgrund der Abstimmung der schwarzen Einwohnerschaft für die republikanische Liste gewählt. Diese war, was den Bevölkerungsanteil betraf, im Fort Bend County deutlich in der Überzahl. Nach dem Ende des unseligen Bruderkrieges hatten sich dort viele ehemalige Sklaven und jetzt freie Menschen angesiedelt (um 1865 mehr als 4500), die nicht nur Haus und Hof bestellten, sondern auch gierig nach Bildung waren. Im krassen Gegensatz zur weißen Bevölkerung, wie nachfolgende Zahlen belegen.

Während in den fünf rein weißen Schulen 193 Kinder unterrichtet wurden, waren es bei den Schwarzen 1679 in fast dreißig Schulen. Ärzte, Anwälte, Lehrer und Geschäftsleute gingen zu Dutzenden daraus hervor und so ist es auch nicht verwunderlich, dass zwischen 1869 und 1889 vierundvierzig Schwarze maßgeblich die Politik des Countys bestimmten.

Die Fehde war also mehr als eine Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Demokraten, sie war ein weiteres Kapitel im ewigen Kampf zwischen Weiß und Schwarz.

Die Legende besagt, dass der Konflikt seinen Namen erhielt, weil Bob Chapel, ein angeblich lokal bekannter und geistig zurückgebliebener dunkelhäutiger Mann ständig über Jaybirds und Woodpecker gesungen haben soll.

Aus irgendeinem Grund identifizierten sich die Demokraten daraufhin als Jaybirds.

 

*

 

Je näher die Wahlen rückten, umso mehr begann der Streit um die politische Ausrichtung und die zu wählende County-Regierung zu eskalieren. Einstige Freunde, Nachbarn, ja sogar Verwandte gingen plötzlich aufeinander los. Verbale als auch körperliche Auseinandersetzungen waren an der Tagesordnung. Die Lage spitzte sich zu, als am 2.8.1888 J. M. Shamblin, ein bekannter Führer der Jaybirds getötet und im nächsten Monat Henry Frost, eine weitere Größe der Jaybird-Partei, schwer verletzt wurde.

Die Anhänger der Jaybirds hielten am 6.9.1888 in Richmond, Texas, eine Massenversammlung ab und beschlossen, alle dunkelhäutigen Siedler aufzufordern, das Land zu verlassen, und drohten ihnen bei Nichtbeachtung mit dem Tod.

Dem Aufruf folgten viele, erst recht, als sich die Jaybird-Anhänger zusammenrotteten und sich bewaffneten, um den Abzug dieser Siedler zu beschleunigen. Die County-Verwaltung reagierte, indem sie in Richmond Texas-Ranger stationierte.

Obwohl am Ende des Wahltages klar wurde, dass die Spechte weiterhin die Mehrheit im County besaßen und alles friedlich und korrekt abgelaufen war, war der Bruch der beiden Lager danach nicht mehr aufzuhalten.

Drohungen und Anfeindungen nahmen zu und es ereigneten sich zwei weitere Morde.

Am 16. August 1889 gipfelte die Fehde in der sogenannten Schlacht um Richmond.

Es begann, als zwei Männer der Spechte einen Streit mit der Gegenpartei der Jaybirds in der Nähe des Gerichtsgebäudes und des National Hotels anzettelten. Bereits nach den ersten, abgefeuerten Schüssen nahmen immer mehr Männer beider Seiten an der Schießerei teil.

Der Kampf wogte ca. 20 Minuten hin und her, und als sich die Spechte zurückzogen und den Jaybirds die Stadt überließen, lagen mehrere Tote in den Straßen. Unter ihnen Tom Garvey, der örtliche Sheriff.

Als der Pulverdampf verzogen war und sich Gouverneur Lawrence Sullivan Ross einen Überblick über die Lage verschafft hatte, beorderte er die Houston Light Guards und die Männer der Brenham Light Guards nach Richmond und verhängte das Kriegsrecht.

Angesichts der vielen Toten und Verletzten reiste Ross höchstpersönlich in das Krisengebiet, entschlossen, die Fehde ein für alle Mal zu beenden.

Nach seinen Vermittlungsgesprächen mit den beiden Parteien erfolgte eine vollständige Umstrukturierung der Bezirksregierung, die zur Folge hatte, dass die meisten der Woodpecker-Beamten sowie die Jaybird-Mitglieder entweder von ihren Ämtern abberufen wurden oder zurücktreten mussten.

Aber der erzwungene Friede war nicht von langer Dauer.

Bereits im Oktober desselben Jahres gründeten die Jaybirds im Fort Bend County die sogenannte Jaybird Democratic Organisation, deren Ziel es war, die Kontrolle des Landes den Weiße zu übertragen, indem sie den Schwarzen jegliche politische Aktivitäten, das Recht zu wählen im Allgemeinen und sogar die Teilnahme am öffentlichen Leben vollkommen verwehrten.

Die Organisation setzte ihre Ziele recht schnell um und bestimmte die lokale Politik für die nächsten sechs Jahrzehnte. Erst nach jahrelangen und unzähligen Interventionen, zum Teil unter Lebensgefahr, gelang es einigen gesetzestreuen und unverzagten Bürgern, das höchste Gericht der USA auf diesen Missstand aufmerksam zu machen.

Doch es dauerte noch bis zum Jahr 1953, bis der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika endlich entschied, das die Jaybird-Organisation gegen die 1870 ratifizierte 15. Änderung der US-Verfassung verstieß, die besagte, dass das Recht der Wahlberechtigung der Bürger weder von der USA noch von einem ihrer Staaten aufgrund Rasse, Hautfarbe oder früherer Knechtschaft verweigert oder gekürzt werden darf.

Erst danach zog allmählich der Frieden in das County ein.

Euer Slaterman

Quellenhinweis: