Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Inquisition zieht ein Mädchen, die an Halluzinationen und ekstatischer Verzückung leidet, vor Gericht. (1511)

Die Inquisition zieht ein Mädchen, die an Halluzinationen und ekstatischer Verzückung leidet, vor Gericht. (1511)
Aus: Der Wahnsinn in den vier letzten Jahrhunderten. Nach dem Französischen des Calmeil. Bearbeitet von Dr. Rudolf Leubuscher. Halle. 1848

Ein Mädchen aus Salamanca hatte sich mit solcher Inbrunst den gottesdienstlichen Übungen ergeben, dass sie dadurch verwirrt wurde und an Sinnestäuschungen litt. Sie behauptete, Christus und die heilige Jungfrau fortwährend vor sich zu sehen, und unterhielt sich mit ihnen. Sie trug die Kleidung des Ordens der Dominikaner und gab sich für die Frau von Christus aus. In der festen Überzeugung, dass die heilige Jungfrau sie überall hin begleite, blieb sie an allen Türen stehen, als ob sie einen anderen vorangehen lassen wollte, und versicherte, die Mutter Gottes fordere sie jedes Mal auf, voranzugehen, weil sie Gottes Gemahlin. Demütig aber weigerte sie sich dessen und sagte: »O, heilige Jungfrau, wenn du nicht Christus geboren hättest, so würde ich nicht seine Frau geworden sein. Es ziemt der Mutter meines Gemahls, voranzuschreiten.«

Sehr häufig befand sie sich in einem ekstatischen Zustand. Ihr Gesicht war bleich, alle Glieder wurden starr, sie konnte sich gar nicht bewegen, es war, als ob die Finger keine Gelenke hätten.

Das Volk war überzeugt, dass sie Wunder tun könne.

Der König ließ sie nach Madrid kommen. Der Inquisitorgeneral und andere hohe Geistliche unterhielten sich viel mit ihr. Ein Teil war überzeugt, sie sei vom Heiligen Geist erfüllt, andere hielten sie für fanatisch und von Täuschungen befangen, aber für keine Simulantin. Auch die Kommissarien des Papstes fanden nichts Verdächtiges an ihr. Man beschloss zu warten, bis die Vorsehung zu erkennen gäbe, ob der sie beherrschende Geist von Gott oder dem Teufel wäre. So entging sie dem Scheiterhaufen oder ewigem Gefängnis. Die ganze Reihe von Halluzinationen des Gesichts, des Gehörs als pathologisch zu betrachten und an eine Heilung ihrer Exaltation zu denken, war in der dunklen Zeit nicht möglich.