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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Hexen von Forres – Kapitel 11

Die Hexen von Forres
Oder: Der unglückliche König Stuart Robert III. und seine Söhne
Eine wahre Schauergeschichte aus alter Zeit
Elftes Kapitel

Der Königsmord und seine Rache

Im Taumel der festlichen Freuden zu Perth vergaß man alsbald die drohenden Worte der Hexe am Fluss Earn und gab sich mit ganzer Seele allen Lustbarkeiten hin. Der König selbst legte diese Zeit hindurch alle ernste Beschäftigung beiseite und verlegte sich ganz und gar auf unterhaltende Spiele.

Besonders machte es ihm Vergnügen, im großen Klosterhof zu seiner Erholung nach dem Essen Ball zu schlagen. Dabei ereignete sich ihm nun häufig der Unfall, dass der Ball öfters in den Klosterkeller durch eine nicht verschlossene Öffnung rollte. Die dadurch herbeigeführte Unterbrechung der Unterhaltung ärgerte den König und so ließ er eines Tages diese Öffnung zumauern.

Bereits war so die Zeit, welche zum Aufenthalt in Perth bestimmt war, glücklich abgelaufen und der König entschlossen, für den nächsten Tag die Abreise festzusetzen. Da sollte sich die Drohung der Hexe am Earn in furchtbarer Weise erfüllen. Der König war an diesem Tag besonders guter Laune, wie noch nie die ganze Zeit dieses Festes. Als das Mahl, welches er zum Abschied gegeben hatte, vorüber war, unter hielt er sich noch in der größten Heiterkeit mit seiner Gemahlin und ihren Hofdamen. Er war gesprächig wie noch nie und machte die drolligsten Scherze und Witze. Die Grafen und Großen hatten sich bereits alle entfernt, und auch Alexander hatte sich vor kaum 5 Minuten von seinem König und Freund verabschiedet.

Als der König so mit den Hofdamen in der gemütlichsten Lage sich befand, kam ein Diener atemlos und leichenblass zur Tür hereingestürzt und deutete, vor Schrecken kaum zu Worte kommend, immer nur nach dem Fenster. Die ganze Gesellschaft kam durch diesen unerwarteten Besuch in verwirrte Aufregung und eilte erstaunt und erschrocken zugleich an das von dem Bedienten bezeichnete Fenster. Der König selbst war der Erste, welcher der Gebärde des Dieners folgte, aber kaum an das Fenster getreten, wendete er sich wieder betroffen zurück und rief mit etwas zitternder Stimme: »Bei Gott und allen Heiligen, wer hat das Höllengespenst wieder auf diese Berge versetzt!«

Die Königin aber stieß, an das Fenster getreten, einen Schrei des Entsetzens aus.

Es war die Hexe vom Fluss Earn, welche in womöglich noch furchtbarerer Gestalt auf den gegenüberliegenden Bergen klagte und jammerte: »O wehe, wehe dem König! Wehe, wehe den Stuarts!«

Als der sonst so gefasste und mutige König diesen Jammerruf vernahm, wurde ihm selbst ganz kalt um das Herz und sein feuriges Auge suchte besorgt in dem Zimmer umher, ob er nicht irgendeinen Mörder in seinen Ecken entdeckte.

In dem nämlichen Augenblick sah man an den Fenstern der anderen Seite des Salons starken Fackelschein und vernahm einen heillosen Lärm. Der König, welchen dieses Ereignis wieder aus seinem Sinnen aufrüttelte, sprang zu dieser Seite, um zu erfahren, was es gäbe, riss das Fenster auf und vernahm nun deutlich die Worte: »Nieder mit dem Könige, nieder mit den Stuarts!« Nun fiel es wie Schuppen von seinen Augen. Er vernahm die Nähe seines ärgsten Feindes, des Grafen Grahame.

»Das ist Grahame«, rief er, »ich bin verloren!«

Merkwürdigerweise verloren in diesem furchtbaren Augenblick die Damen die Fassung und Geistesgegenwart nicht.

Durch das Tor zu entkommen, war unmöglich. Der König hätte sich über die Leichen seiner Feinde bahnen müssen. Um die Verwirrung noch ärger zu machen, erinnerte man sich nun auch noch, dass das Tor gar nicht verschlossen war. Schnell eilte eine der Damen fort, um dasselbe noch rechtzeitig zu verschließen, aber, war es eine Versehen oder Verrat, man konnte es nie erfahren: Sie fand den Querbalken nirgends, welcher vor das Tor gelegt werden sollte. Sie erkannte bereits, wie die königsmörderische Schar schon gegen das innere Tor herandrängte.

Sie wusste sich nicht mehr zu raten und zu helfen und versuchtes dieses und jenes, nur um dem König Zeit zu verschaffen, sich zu retten oder ein Versteck zu finden. Endlich, da es ihr anders unmöglich war, den Andrang der Feinde noch länger hinzuhalten, steckte sie in ihrer heldenmütigen Aufopferung für den König, ihren schwachen, zarten Arm in den Ring des Tores, um so die Rotte noch eine Zeit lang abzuwehren. Aber ein mächtiger Stoß von außen, ein Stück des Tores und der ganze Arm der braven Dame war zerschmettert und zerquetscht. Mit höllischem Gelächter stürzte die von Spirituosen erhitzte, gefühllose Schar über die Unglückliche hin und drängte dem Saal zu, wo sich der König mit den übrigen Damen befand.

Der König wusste Anfangs in seiner Ratlosigkeit nicht, was er beginnen sollte. Wild und wilder tobten seine Feinde, welche nach seinem Blut lechzten, an dem Tor. Ein herzbrechender Schrei verkündete, dass auch der letzte Damm, der Arm der edelmütigen Hofdame, zerschmettert war. Schon stürmten die Elenden über die Stiege heran, und noch immer keine Rettung. Da erinnerte sich der unglückliche König, dass der Boden des Saales hohl sei.

Man konnte hier eine Tafel des viereckig getäfelten Fußbodens hinwegnehmen und gelangte dann durch eine geheime Treppe in den Keller des Klosters. Im Nu schlüpfte Eduard hinunter, während seine Gemahlin die Öffnung ebenso schnell wieder verdeckte. Kaum fand sie mehr Zeit dazu, denn fast im nämlichen Augenblick stürmte die Mörderrotte schon durch die Tür herein. Nun erkannte sie die Königin. Es waren lauter Hochadlige und Grafen, die durch ihren Übermut den Zorn und die Strafe des Königs sich zugezogen hatten.

Wie Spürhunde durchsuchten sie alle Ecken und Winkel des Zimmers. Da sie trotzdem nichts entdecken konnten, fielen einige wütend über die Königin her und hätten sie wohl ermordet, wenn die Besseren dieser Rotte es nicht unter ihrer Würde gefunden hätten, sich mit Frauen, statt mit Männern zu schlagen.

O wie leicht atmete nun die Königin auf, als sie bemerkte, dass sie das Versteck ihres Gemahls nicht entdeckten und sich bereits anschickten, abzuziehen und die übrigen Räumlichkeiten zu untersuchen. Wie dankbar blickte sie zum Himmel empor, als der Letzte von ihnen den Saal verließ. Sie wollte hinstürzen zu der Öffnung und zum Gemahl eilen, da kehrte plötzlich noch einmal einer von der Mörderschar zurück, um sich seinen Speer zu holen, welchen er vergessen hatte. Unglücklicherweise wollte es das böse Geschick des Königs, dass dieser Mensch – er wurde Graf Athol genannt – auf jene Tafel des Bodens trat, welche die Treppe verbarg. Da die Königin nicht mehr Zeit gefunden hatte, das Brett wieder sorgfältig hinzulegen, wurde er umso leichter aufmerksam, als das Brettchen seinem Tritt nachgab und dumpf und hohl widerhallte. Mit Spannung und in größter Hast hob er das Brett hinweg und entdeckte nun die geheime Stiege. Ein leiser, verzweifelter Aufschrei der Königin bestätigte dem Elenden nur, dass er wirklich das Versteck des Königs gefunden hatte. Als nun die unglückliche Fürstin dem königsmörderischen Grafen zu Füßen stürzte und seine Knie umfassend flehend ihn bei allem beschwor, was dem Menschen heilig ist, hatte er nichts für die arme Frau als Hohngelächter und einen blitzenden Dolch, wenn sie ihm nicht gleich Platz und Weg räumte. Sie sank ohnmächtig zusammen, ohne von der folgenden Szene mehr etwas zu vernehmen.

Athol aber, als er sich die Königin aus dem Weg geschafft hatte, rief sogleich seinen Bruder und beide stiegen nun die Treppe hinunter. An der Kelleröffnung, durch welche nur ein Mann hinunterschlüpfen konnte, ließen sie eine Fackel hinab und bemerkten nun beim Schein derselben den König, wie er sich in eine Ecke des Kellers drückte. Schnell sprang Athol mit blankem Dolche durch die Öffnung hinunter und stürzte auf den König. Als nun Eduard bemerkte, dass hier an ein Entweichen unmöglich mehr zu denken war, denn die Kelleröffnung zum Hof hinaus hatte er unglücklicherweise wegen des Ballspieles vermauern lassen, wollte er sein Leben wenigstens so teuer wie möglich verkaufen und empfing den Grafen mutig und entschlossen, obwohl er ihm ohne irgendeine Waffen entgegentreten musste. Aber stark und kräftig, wie Eduard war, wusste er alsbald den Vorteil über seinen Gegner zu gewinnen und schleuderte ihn mit solcher Gewalt an die Wand, dass er eine Zeit lang vergaß, sich wieder aufzuraffen. In diesem Augenblick war aber auch Athols Bruder herbeigekommen und stieß dem König, welcher eben den ersten Gegner niederwarf, den Dolch in den Leib. Eduard sank auf die Knie, da er sich aufrecht zu halten nicht mehr imstande war und erwehrte sich in dieser Stellung so viel möglich seines neuen Gegners. Da jedoch unterdessen auch Athol sich wieder emporraffte und so dem König keine Aussicht auf Rettung übrig blieb, bat er die Mörder, sie möchten ihm wenigstens noch einen Priester gewähren, dass er seine Sünden beichte. Aber hohnlachend zückte Athol seinen Dolch und stieß ihn hochgeschwungen mit wohlberechnetem Stoß bis an den Griff in das Herz des unglücklichen Königs mit den Worten: »Hier, Tyrann, hast du einen Priester, dem magst du beichten!«

Nachdem die fluchwürdige Tat verübt war, eilten die Mörder und ihre Kumpane in die Gebirge zurück, um sich dort für die erste Zeit im Versteck zu halten.

Die Königin jedoch, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte und erfuhr, welch schreckliche Tat an ihrem Gemahl vollbracht worden war, schwor den Mördern furchtbare Rache und sie ruhte nicht eher, bis sie die Verbrecher in ihre Gewalt bekommen hatte.

Grahame musste nun seinen Verrat schrecklich büßen. Ihm wurde das Fleisch buchstäblich mit Zangen vom Leib gerissen und die Marter nur eine Zeit lang ausgesetzt, um ihm fühlen zu lassen, wie auch sein Sohn unter den gleichen Qualen gleich darauf enden sollte. Dann wurde sein Körper wieder zerfleischt, bis er endlich seine verräterische Seele aushauchte. Nicht viel besser ging es den Übrigen, welche in die Gewalt der Königin fielen. Athol wurde enthauptet, weil man mit seinem hohen Alter Erbarmen trug.

So starb der zweite König aus dem Hause der Stuart. Sein einziger Sohn bestieg nach ihm den Thron. Von den Bergen aber in der Nähe des Klosters vernahm man gar jämmerliches Trauergewimmer, viel Jammerns und Klagens um Mitternacht. Es waren dies die Hexen von Forres und ihre Führerin, diejenige, welche den König am Fluss Earn gewarnt hatte.