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Deutsche Märchen und Sagen 78

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

90. Sankta Orilla

Auf der Burg, welche zur Mittagsseite der Stadt Lindau im See neben der Schiffbrücke und dem Gerätehaus liegt, ruht der Leib einer heiligen Jungfrau, Sankta Orilla oder Aurelia genannt. So geht die gemeine Sage. Die soll zu einer Zeit der Durchächtung in einem Schritt von Fußach, welches Dorf, jenseits des Sees auf eine Meile Abstand gelegen, davon den Namen empfing, bis nach Lindau auf gemeldete Burg geschritten sein. Man zeigt ihr Grab noch heute.

91. Der lange Mann bei Köln

Bei Köln liegen zwei Dörfer, deren eines Burg, das andere Rode heißt. Diese bildeten im 13. Jahrhundert eine Pfarre. Der Pastor derselben wollte um Pfingsten einmal am frühen Morgen von Burg nach Rode gehen, musste aber auf dem Weg durch einen Wald. Beim Eintritt in denselben fasste ihn eine bis dahin noch nie empfundene Angst, sodass die Haare auf seinem Kopf sich in die Höhe richteten. Das war auch nicht zu verwundern, denn kaum hatte er einige Schritte getan, als er einen langen Mann von überaus hässlichem Ansehen an einen der Bäume gelehnt erblickte. Je länger der Pfarrer auf die Gestalt sah, desto riesiger wuchs sie empor, bis dass sie die höchsten Bäume überragte. Zugleich erhob sich um den Mann herum ein schrecklicher Wirbelwind und dieser verfolgte den Pfarrer, der außer sich, so schnell er konnte, nach Rode zulief. Er verließ ihn auch nicht eher, bis er das Dorf erreicht hatte.

92. Riesen zu Wetteren und Laerne

Ehemals wohnte an dem Ort, wo nun das Dörflein Wetteren in Flandern steht, eine ganze Familie von Riesen. Diese zog einmal aus, eine andere Riesenfamilie, die auf dem Schloss Laerne wohnte, zu belagern. Die letzteren Riesen waren aber stärker als die von Wetteren und schlugen diese so ganz und gar, dass nur ein Einziger übrig blieb und dieser selbst war noch stark verwundet. Er eilte nach Wetteren zurück und brachte den zu Hause gebliebenen Riesen die Nachricht von der Niederlage seiner Gesellen und starb wenige Augenblicke danach.

Zu seinem Andenken führt man zu Wetteren noch jährlich in der Prozession das Bild eines ungeheurer Riesen umher.