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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Hexen von Forres – Kapitel 10

Die Hexen von Forres
Oder: Der unglückliche König Stuart Robert III. und seine Söhne
Eine wahre Schauergeschichte aus alter Zeit
Zehntes Kapitel

Die Hexe am Earn

Kaum hatten die Großen des Reiches von dem Unterfangen Eduards gehört, begannen sie alles gegen den König in Bewegung zu setzen. Der König sollte durch eine Revolution gestürzt werden. Nun merkte Eduard, dass er gegen diese übermütigen Herren mit unbeugsamer Strenge auftreten müsse. Er ließ daher das Haupt derselben, den Grafen Grahame, gefangen setzen und nicht eher frei, bis er ihm auf ritterliches Ehrenwort gelobt hatte, nie mehr das Schwert gegen ihn zu ergreifen oder Revolte zu beginnen. Grahame versprach alles unter einem Eid, nur um wieder frei zu werden. Aber Eduard hätte wissen sollen, dass ein königs- und vaterlandsverräterischer Schurke auch imstande ist, seinen Eid und sein Ehrenwort zu brechen. Grahame war zu verwegen, ehrgeizig und voll von Hass gegen Eduard, als dass er ihm so schnell die lange Gefangenschaft, in welcher er ihn gehalten hatte, verziehen hätte. Sobald er daher seine Freiheit erlangt hatte, ging er daran, sich zu rächen. Durch seine Schlauheit gelang es ihm sogar, Freunde und Genossen in der nächsten und vertrautesten Umgebung des Königs zu gewinnen, welche geeignet waren, ihm zu gelegener Zeit in die Hände zu arbeiten. Nachdem er auch noch andere Große des Landes auf seine Seite gebracht hatte, zog er sich in das Gebirge zurück und ließ von dort aus dem König melden, dass er nicht gesonnen sei, den erzwungenen Eid zu erfüllen, sondern dass er Krieg mit ihm führen wolle bis aufs Äußerste. Der König lächelte verächtlich bei dieser Nachricht, ließ auf Grahames Haupt einen Preis setzen und kümmerte sich nicht weiter um ihn, indem er ihn als einen Narren betrachtete.

Leider sollte er die Sache alsbald von einer gar ernsten Seite kennen lernen.

Es nahte damals eben die Weihnachtszeit und Eduard hatte beschlossen, zu derselben seinen Freunden und Freundinnen ein großes Fest in der Stadt Perth zu geben. Er zog mit seinem ganzen Hof, mit vielem Gefolge und Dienern, ab. Sein Gefolge stellte er unter die Leitung und Aufsicht eines gewissen Grafen Alexander, welchen er wegen der Feinheit seiner Sitten und der hohen Verehrung, welche er sich dadurch allerwärts vonseiten des schönen Geschlechtes erwarb, immer nur den König der Liebenswürdigen nannte.

Glücklich und in der heitersten Laune ging die Reise vonstatten bis an den Fluss Earn, welchen man in Kähnen überschiffen musste, weil man damals nicht so viele Brücken hatte, wie heutzutage. Schon wollte der König den Kahn besteigen, um an das andere Ufer überzusetzen, da erschien mit einem Mal an dem entgegengesetzten Ufer ein altes Weib mit flatternden Haaren und einem langen, schwarzen Kleid.

Eben war die Sonne hinter den gegenüberliegenden Bergen hinuntergesunken. Sie überzog den ganzen Horizont mit rotglühendem Abendrot. So von den Strahlen der untergehenden Sonne beschienen, mit warnendem erhobenem Arm, vergrößerte sich das Weib zu einer Riesengestalt, welche in dieser ergreifenden abendlichen Naturerscheinung nur noch an Furchtbarkeit gewann. Erschrocken riss Graf Alexander den König, welcher bereits einen Fuß in den Kahn gesetzt hatte, zurück und deutete stumm und leichenblass auf die gespenstige Erscheinung am jenseitigen Ufer. Die ganze Gesellschaft war stumm vor Erstaunen und sah bald die Gestalt, bald den König besorgnisvoll an.

Nun schien sich das Weib noch höher emporzurichten, erhob warnend die knochige Hand und rief mit schneidig gellender Stimme durch die bewegte Abendluft: »Überschreite nicht diesen Fluss, o König! Oder du wirst niemals mehr an seine Ufer zurückkehren!«

Die Worte waren noch nicht verklungen in der Luft, da verschwand mit einem Mal die Erscheinung, wie sie gekommen war. Nur von den nahen Felsen und Bergen hörte man es wohl noch viermal widerhallen.

»Überschreite nicht diesen Fluss, o König! Oder du wirst niemals mehr an seine Ufer zurückkehren.«

Einer sah den anderen verwundert und erschreckt an, als dieses Spektakel vorüber war. Nur der König betrachtete lächelnd und gleichgültig den Grafen Alexander und sprach: »Ho, ho, mein Graf, zittert Ihr für Euer Leben? Sollt doch kein Mann mehr heißen. Dieses alte Weib hat Euch alles Blut aus den Wangen vertrieben. Bei Gott! Will doch nicht hoffen, Ihr glaubt an so eine alberne Komödie!«

»Weiß nicht, Majestät«, erwiderte Alexander noch zitternd an allen Gliedern, »ob die Komödie so albern kann genannt werden, denn wie ließe es sich erklären? Aufrichtig gestanden, mein König, ich fürchte für Euer Leben, zumal, wie Ihr selber wisst, eine Weissagung vorhanden ist, dass in diesem Jahr ein König eines grausamen Todes sterben soll.«

»Nun ja«, erwiderte leichthin der König, »dieser König mögt Ihr und mag ich sein. Wir beide sind und heißen Könige, Ihr seid eben ein König der Liebenswürdigen. Wie aber nun ich bereit bin, mein Leben für Euch in die Schanze zu schlagen, so mögt Ihr das Gleiche für mich tun. Und nun vorwärts über den Fluss!«

Man fuhr also, obwohl mit einer gewissen Beklommenheit, über den Fluss und kam den selbigen Abend noch glücklich nach Perth, wo der König sich in der Abtei einlogierte, während seine Leibwache in der Stadt einquartiert werden musste, da man im Kloster keinen Platz mehr für sie hatte.