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Carla Berling – Tunnelspiel

Carla Berling – Tunnelspiel

Als Ira Wittekind, Reporterin bei der Zeitung Tag 7, während einer Fahrradtour mit ihrem Freund Andy zufällig auf eine Menschenansammlung beim alten Schlachthof in Bad Oeynhausen stößt, fragt sie neugierig, was dort passiert ist. Da auch Polizei, Rettungswagen und Notarzt vor Ort sind, muss es sich schon um ein außergewöhnliches Geschehen handeln.

Nach und nach bekommen Ira und ihr Freund heraus, dass in der Ruine der Verleger Lorenz Brenner tot aufgefunden wurde, und zwar in einer sehr misslichen Lage. So hing er, mit Handschellen gefesselt, an einem Gitter, war nackt, und sein Körper wurde geschunden, alles Anzeichen dafür, dass jemand seinen Tod inszeniert hat.

Ira forscht weiter in diesem merkwürdigen Fall, um für Ihre Zeitung darüber zu schreiben, und findet heraus, dass der Tote in der sadomasochistischen Szene aktiv war und sogar in seinem Verlag darüber veröffentlicht hat. Endlich sieht alles danach aus, als sei ein Sexspiel, in der Szene bekannt unter dem Begriff Tunnelspiel, aus dem Ruder gelaufen und habe zu seinem Tod geführt.

Die Reporterin will nun noch mehr wissen und forscht zunächst bei der Polizei und im Umfeld des Lob-Verlags, den der Tote betrieben hatte. Zunächst fragt sie einen ihr bekannten Kommissar namens Brück nach seinen Ermittlungsergebnissen. Dieser bestätigt ihr aber quasi nur das, was sie selbst schon weiß.

Schließlich treibt sie einige Autoren und Autorinnen des Verlags auf und erfährt dabei, dass alle einen Grund hatten, ihren Verleger zu hassen, weil dieser alle nach Strich und Faden betrogen und/oder gedemütigt hat. Alles in allem ergibt sich nach und nach ein völlig negatives Bild von Lorenz Brenner, der ein rechter Kotzbrocken gewesen sein muss und zu niemandem in seinem Umfeld nett war.

Endlich bekommt Ira heraus, dass ihre Nachbarin, Hella Debruyn, mit dem Fall zu tun hat. Sie ist eine ausgebildete Domina und ehemalige Rotlichtgröße, die sich nun zur Ruhe gesetzt und nach eigener Aussage nur noch einen Kunden behalten hat, der besonders gut zahlt und so ihren ganzen Jahresurlaub finanziert. Dieser Kunde scheint Lorenz Brenner zu sein. Die gebürtige Holländerin hat wohl im Schlachthof von Bad Oeynhausen ein Sexspiel mit Brenner gespielt und ist danach abgetaucht und für niemanden mehr auffindbar.

Und dann sind da noch die Eltern von Lorenz Brenner, er ein ehemals bekannter und hochdekorierter Springreiter und heutiger Gestütsbesitzer und sie eine prominente Charitylady. Was haben diese Leute mit dem Tod ihres Sohnes zu tun oder sind sie etwa gar nicht in dem Fall verstrickt?

Auch war Brenner verheiratet und hatte ein Kind. Hatte nicht auch die Ehefrau, sofern sie von den sexuellen Vorlieben ihres Mannes wusste, ein Motiv für die Tat?

Und welche Rolle spielen die Angestellten des Verlages, die alle monatelang kein Geld bekamen?

Fragen über Fragen, deren Lösung am Ende zu einer Geschichte führt, die über 30 Jahre zurückliegt und einer der Schlüssel für den Mord an Brenner ist.

 

Carla Berling schreibt mit Tunnelspiel einen Kriminalroman, der weit über das hinausgeht, was normalerweise einen Regionalkrimi ausmacht. So baut sie zwar das ostwestfälische Platt, dass sie die beiden alten Tanten Sophie und Friedchen sprechen lässt, in die Geschichte ein und beschreibt zudem auch die Gegend recht präzise, aber ihre Geschichte ähnelt eher einem skandinavischen Thriller als einer ostwestfälischen Hinterhofstory.

Fall und Charaktere sind schonungslos offen beschrieben und die psychischen Abgründe, in denen sich manche ihrer Helden bewegen, erläutert die Autorin ausgesprochen handfest. Andererseits benennt sie auch die positiven Eigenschaften ihrer Personen, die sich im Umfeld der Protagonistin bewegen, sehr bildhaft und ausdrucksstark und versteht es, die Sympathien des Lesers für diese Leute zu wecken.

Die Geschichte spielt in einer Zeit vor wenigen Jahren, als die Fußballweltmeisterschaft 2014 lief. Die ermittelnde Person ist hier eine Reporterin, die trotz beschränkter Mittel – die Polizei verfügt über ein wesentlich größeres Instrumentarium – am Ende den Fall löst und dann der Polizei die Lösung präsentieren kann.

Inwiefern ein solcher Erfolg tatsächlich einer Journalistin vergönnt sein könnte, ermittelte sie so, wie Ira Wittekind dies hier tut, sei dahingestellt. Die Erzählerin jedenfalls macht dem Leser glaubhaft, dass eine Redakteurin der Polizei etwas voraushaben kann, und sei es nur der eigene Verstand.

Fazit:
Der vorliegende Kriminalroman ist kein Regionalkrimi im abwertenden Sinn dieses Wortes, sondern ein relativ offener, ehrlicher und auch harter Thriller. Aber nicht allein die Härte dominiert diese Geschichte, sondern auch Witz und zum Teil sehr sympathische Charaktere, sodass diese Story sich am Ende rund anfühlt.

Ich möchte Tunnelspiel demjenigen Leser empfehlen, der die Kombination von spannendem Thriller in Verbindung mit fast comedyhaften Charakterstudien mag und nebenbei stark genug ist, harte Passagen zu ertragen.

Die Autorin:

Carla Berling wurde im Juni 1960 unter dem Namen Peggy Wehmeier in Bad Oeynhausen geboren. Die Ostwestfälin lebt in Köln, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie machte eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und arbeitete dann ab 1995 jahrelang als Lokalreporterin und Pressefotografin. Mit der Krimireihe um die Journalistin Ira Wittekind hatte sie Erfolg als Selfpublisherin, bevor sie beim Heine-Verlag Fuß fasste. Sie hält Lesungen und tritt regelmäßig mit ihrer Comedyreihe Jesses Maria in größeren und kleinen Städten auf. Die Autorin schreibt neben Krimis auch humorvolle Frauenbücher.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.
  • Foto der Autorin. Copyright: Philippe Ramakers. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.

(ww)