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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Hexen von Forres – Kapitel 9

Die Hexen von Forres
Oder: Der unglückliche König Stuart Robert III. und seine Söhne
Eine wahre Schauergeschichte aus alter Zeit
Neuntes Kapitel

Eduard, König von Schottland

Eben war die Sonne eines herrlichen Septemberabends hinter den blauen Bergen hinabgesunken. Die Landleute saßen gesellig auf den Bänken vor ihren Häusern und sprachen über dieses und jenes, von Nachbar Veiths glücklicher Hochzeit und von dem jähen Tod des Gevatters Patherson, welcher unglücklich vom Wagen gestürzt und tot liegen geblieben war und dergleichen. Da kam ein Knabe fast außer Atem dahergelaufen und schrie schon von Weitem, zu ihm zu kommen und zu sehen, was er eben Schönes hinter dem Haus entdeckt hätte. Da galt keine Ausrede, die Mutter musste unbedingt mit ihm. Aber welch ein schrecklicher Anblick. Sie sah nicht weit entfernt eine gewaltige Feuersäule auflodern und erkannte mit Entsetzen, dass es das Häuschen des alten Patherson, welches dieser seiner armen Frau als einziges Erbteil hinterlassen hatte, in Flammen aufging. Mit Blitzesschnelle sprangen alle auf diese Nachricht auf, um der Unglücksstelle zuzueilen und zu retten und zu helfen, so viel in ihren Kräften stand. Als sie aber noch kaum die Hälfte Weges gekommen waren, sahen sie des unglücklichen Patherson Frau in Verzweiflung daher eilen, jammernd und klagend über das Elend, in welches sie Graf MacDonald gestürzt hatte.

Der Name dieses Grafen war bekannt und gefürchtet im ganzen Land. Es gab keinen ärgeren Bösewicht, Räuber und Mörder weit und breit. Wenn ihn die Langeweile plagte, setzte er sich mit seinen Leuten zu Ross, raubte und plünderte ganze Dorfschaften aus. Wollte sich jemand widersetzen oder beklagen, dann ließ er ihn peitschen, wenn nicht gar ermorden. In seinem Übermut wusste er nicht mehr, was er noch alles beginnen sollte. Nicht selten ereignete es sich, dass ihn die Lust anwandelte, bei Nacht einen Brand zu sehen und sich deswegen zur Unterhaltung ein oder das andere Haus anzünden ließ, gleichviel, ob es einem Reichen oder Armen gehörte. So hauste dieser Tyrann in seiner ausgedehnten Grafschaft und hatte wieder ein sprechendes Beispiel seines grenzenlosen Übermutes geliefert. Weil des Patherson Frau es gewagt hatte, seine Jagdhunde, deren er ein ganzes Rudel sein Eigen nannte, mit Steinen aus ihren Feldern zu verjagen, zog sie sich den Zorn des Herrn Grafen zu. Infolge davon sollte sie ihr Haus, ihr einziges Hab und Gut, mit allem, was sie bereits geerntet hatte, in Flammen aufgehen sehen.

Als sie zu ihren Nachbarn gekommen war, welche ihr eben zu Hilfe eilen wollten, drehte sie sich noch einmal um und sah wehmütig zurück, wie die gefräßigen Flammen ihre teure Habe verzehrten. Nun erwachte ihr ganzer Zorn gegen den elenden Frevler. Sie brach in eine Flut von Flüchen und Verwünschungen aus, in welche ihre Nachbarn getreulich einstimmten.

Ungesehen aber ritt in diesem Augenblick der bisher unbemerkte Graf auf die Gruppe zu und herrschte alle in wildem Zorn an: »Wer von euch hat hier zu klagen und zu schmähen?«

Alle verstummten wie auf Kommando, denn sie fürchteten dasselbe Schicksal zu erfahren, wie des Pathersons unglückliche Frau. Dieses aber entbrannte nun in heftigsten Zorn, als sie ihrem übermütigen Feind gegenüberstand.

Ihm entgegentretend sprach sie kühn: »Ich habe hier zu klagen und Euch zu verfluchen, weil Ihr mein Hab und Gut mir vernichtet habt, wozu Ihr kein Recht hattet. Doch, ich hoffe, es wird in Schottland noch Recht zu finden sein, oder ich müsste nicht wissen, dass Roberts Sohn Eduard auf dem Thron sitzt.«

»Also zum König wollt Ihr wandern?«, sagte MacDonald höhnisch. »Der Weg dahin ist gar beschwerlich, tolles Mütterchen, rau und bergig und an die 30 Stunden. Weil Ihr zu so einem Marsch auch Schuhe braucht und diese hoffentlich verbrannt sind, so will ich Euch deren verschaffen, so fest und stark, dass Ihr Jahre lang darauf sollt laufen können.«

So sprach der Graf spöttisch und ließ die Frau von seinen Leuten auf sein Schloss führen. Als sie dort ankam, befahl er, ihr die bloßen Füße mit Hufeisen wie einem Pferd zu beschlagen und schickte die arme Frau in diesem elenden Zustand fort. Wochenlang lag sie hilflos auf ihrem Krankenlager unter den furchtbarsten Schmerzen, bis sie endlich wieder hergestellt und die Wunden geheilt waren. Doch sie hatte während dieser Zeit nicht vergessen, was sie dem Grafen angedroht hatte und begab sich, kaum genesen, in ihrem ärmlichen Zustand an den Thron König Eduards, um dort Recht und Gerechtigkeit zu fordern. Sie erhielt auch, was sie verlangte und hoffte.

Eduard empfing sie mit größter Freundlichkeit. Furchtbar entbrannte sein Zorn, als er von dem Frevel vernahm, welchen man sich an dem Gut einer armen Witwe erlaubt hatte. Zur selben Stunde noch schwor er die Schandtat empfindlich zu rächen. Er selbst setzte sich mit seinen Leuten und Soldaten zu Ross, belagerte die Burg MacDonalds und verwandelte sie ganz und gar in einen Schutt- und Aschenhaufen. Den Grafen aber ließ er an den Galgen hängen und mit ihm noch zehn andere Große des Reiches, welche ähnliche Grausamkeiten an ihren Untergebenen verübt hatten.

Alle, welche noch Sinn und Liebe für die Gerechtigkeit auch dem Armen gegenüber hatten, jubelten freudig dem König entgegen; selbst die Besseren unter den Grafen und Adeligen des Reiches. Aber bald bekamen diese Letzteren selbst die Hand Eduards zu fühlen.

Jeder dieser Grafen war sozusagen ein kleiner König in seiner Grafschaft, ohne dass ihm der König des Reiches etwas vorzuschreiben hatte, wenn er nicht zuvor den Grafen mit der Schärfe des Schwertes bezwang. Dieser jämmerliche Zustand verdross Eduard I. nicht wenig. Er wollte von nun an nicht mehr bloß König heißen, sondern es einzig und allein auch sein. Die Grafen sollten, wie es sich gehörte, des Königs Vasallen sein und ihm in allem gehorchen. Dass übrigens solches nicht ohne den erbitterten Kampf abging, ließ sich von vornherein erahnen.