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Elbsagen 58

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

58. Die weiße Frau im Schloss zu Wittenberg

Wie in den Palästen mehrerer hoher und fürstlicher Häuser Deutschlands und Böhmens, so hat sich auch vormals im kurfürstlichen Schloss zu Wittenberg, und zwar auf dem Gang, der zur Schlosskirche führt, von Zeit zu Zeit ein Gespenst sehen lassen, namentlich so oft ein betrübender Todesfall dort bevorstand. Es war bekannt unter dem Namen Die weiße Frau.

Alte Bücher vermelden darüber: »Sie ist weiß gekleidet, hat auf dem Haupt einen weißen Schleier, wie ihn die Witwen tragen, mit weißen Bändern, ist lang von Person und eines sittsamen Angesichts. Bisweilen sieht man sie geschwind durch das Schloss hingehen, mit einem Bund Schlüssel an ihrem Gürtel, gleich als ob sie sehr beschäftigt wäre. Mit den Schlüsseln schließt sie bald diese, bald eine andere Kammer auf und wieder zu, sowohl bei hellem Tag als auch bei nächtlicher Weile ohne Unterschied. Wenn ihr dann jemand begegnet und sie grüßt, so grüßt sie ihn wiederum mit einer sonderlichen Würde und lieblichen, ehrbaren und schamhaften, einer Witwe wohl anstehenden Gebärden. Sie neigt ihr Haupt, geht ihres Weges fort und tut keinem Menschen ein Leid.«