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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XVIII

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XVIII. Ball in Austin. Taranteln, Skorpione etc. Abschied nach dreijähriger Dienstzeit. Reise nach Europa.

In unserem Lager gab es viel Arbeit, denn es wurden die Zelte auf andere Plätze verlegt, Scheunen gebaut für die Pferde, sodass wir vollauf zu tun hatten und uns nicht über Langeweile beklagen konnten.

Nun wollte die Kompanie einen feinen Ball geben. Große Vorbereitungen wurden getroffen, Einladungen über die ganzem Welt geschickt, zehn Fässer allerhand Getränke herbeigeschafft und eine famose Kaltschale auf den Tisch gestellt. Bald kamen die Gäste von allen Seiten. Es wurde tüchtig getrunken und gegessen. Ehe die Musik kam, war schon alles ausgetrunken. Sehr wenige waren noch zum Tanzen fähig, aber jedermann war seelenvergnügt, als der erste Sergeant, der den Wein zu oft probiert hatte, mit einer großen Essenstange in den Saal sprang, womit er rechts und links umherschlug, sodass die versammelten Gäste sich eilig durch Tür und Fenster zurückzogen und er der alleinige Besitzer blieb. Die Musik, die gerade auffuhr und die Schlacht mit ansah, zog sich ebenfalls schnell zur Stadt zurück. So endete der große Ball unserer Kompanie zur Befriedigung aller Anwesenden. Da nun meine Dienstzeit nahezu aus war und ich eine Reise nach Europa beabsichtigte, so beschäftigte ich mich in meiner freien Zeit mit dem Empfang von Kuriositäten wie Hornfrösche, Skorpione, Taranteln, Cent de pieds etc.

Den ersten Tag konnte man mich auf den Hügeln herumgehen sehen, mit einem kleinen Wasserfläschchen und einem scharfen Stock bewaffnet, Behausungen der Taranteln aufsuchend. Fand ich ein Loch, so goss ich einige Tropfen Wasser hinein, worauf Herr oder Frau Tarantel sogleich herausspaziert kam. Den scharfen Stock stieß ich in die Erde hinter dieser, sodass das Tier nicht wieder zurück in sein Loch konnte, und praktizierte es in ein großes Glas, worin sich am Abend etwa fünfundzwanzig schöne lebende Spezies befanden, über welche ich am Morgen Spiritus zu gießen gedachte. Ich stellte das Glas gut verschlossen auf den Tisch in meinem Zelt. Gegen Mitternacht erwachte ich und hörte vom Tisch her ein furchtbares Gezappel und Geknirsche, sodass es mir angst war, das Glas sei geöffnet und die ganze Gesellschaft der giftigen Taranteln wäre im Begriff, einen Angriff auf mich zu machen. Schnell machte ich Licht, fand das Glas noch fest verschlossen, aber die Spinnen hatten einen solchen Vernichtungskrieg unter sich geführt, dass man nichts wie Beine, Fühlhörner und Körperstücke sah. Nur eine besonders große Tarantel war noch am Leben, hatte aber ebenfalls einige Beine verloren, sodass ich sie nicht mehr gebrauchen konnte und eine andere zu suchen hatte. Dann fing ich einige Hornfrösche und suchte lange, doch vergebens, um eine King snake (Königsschlange) zu finden. Diese sind ein und einen halben Fuß lang, dünn, der Kopf kohlschwarz und der ganze Körper damwildartig rot, schwarz und gelb gefärbt. Dabei stieß ich auf eine neun Fuß lange Grasschlange, Prairie Racer genannt. Ich verfolgte sie ein Stück mit Steinen. Als ich aber nichts mehr zu werfen hatte, wandte sie sich und ging auf mich los. Ich aber auch nicht faul, lief wie verrückt und sie folgte mir ungefähr fünfzig Schritte lang. Diese Schlangen kriechen sehr schnell, wobei sie den Kopf hoch in der Luft tragen, sodass sie über das hohe Präriegras hinaussehen. Sie sind nicht giftig, aber sehr stark und wohl imstande, ein vier- bis fünfjähriges Kind zu erdrosseln. Ich fand einmal zwei beisammen unter einem Baum. Sobald ich näher ritt, kamen beide auf mich zu, worauf ich wie gewöhnlich ausriss.

Sie klettern auf Bäume und Sträucher und sind sehr auf junge Vögel erpicht. Ich fing noch einige Cent de pieds, was mein Glas füllte. Einen Hornfrosch nahm ich lebend mit. Am Tag vor meiner Abreise sandte General C. nach mir und als ich hinkam, ersuchte er mich um einige meiner Vögel, die ich ihm mit Vergnügen gab. Die anderen Vögel und Teile der großartigen Menagerie wurden an Freunde und Bekannte gegeben, welche mich schon lange dafür angesprochen hatten.

Am 19. Juni bekam ich meine Papiere und trat am nächsten Tag meine Reise in der Postkutsche an. Es waren unserer neun Passagiere, etwas zu viele, um bequem zu sitzen, besonders da wir eine Nacht und einen Tag zu fahren hatten. Nachdem wir verschiedene Male im Schmutz stecken geblieben waren, erreichten wir Brennam, von wo ich per Bahn nach Houston fuhr und dort mich auf einen Dampfer begab, der mich nach Galveston brachte. Hier schiffte ich mich nach New Orleans ein, woselbst ich mich wieder auf die Eisenbahn verlegte, welche mich nach vier Tagen und Nächten nach New York brachte, wo ich einige Tage bei meinem Vetter S. blieb. Darauf ging ich per Dampfschiff Cymbria nach Hamburg, welche Reise wir in der kurzen Zeit von elf Tagen machten; von Hamburg durch Hannover, Kassel etc. nach Nürnberg, wo ich eines feinen Morgens meine Erscheinung machte.

Beim Abgang von Hamburg wurden Koffer und Bagage vom Zollamt untersucht. Da ich nicht lange aufgehalten werden wollte, setzte ich den lebenden Hornfrosch in meinem Köfferchen obenauf. Als ich es öffnete, sah der Beamte natürlich das Tier auf der Wäsche sitzen, welches den Kopf nach ihm drehte und ihn ganz klug ansah. Der Herr trat erschrocken zurück, als ich ihn in aller Ruhe sagte: »Nehmen Sie sich in Acht, das Tier ist sehr giftig. Auch sind weiter unten noch andere giftige Insekten.«

»Machen Sie zu!«, rief er.

»Ja wollen Sie denn nicht inspizieren?«, fragte ich gelassen.

»Machen Sie zu, machen Sie zu!«, war die Antwort, worauf ich ruhig mein Köfferchen verschloss, er das Zeichen darauf machte und ich passierte.