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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das schwarze Buch vom Teufel, Hexen, Gespenstern … Teil 71

Das schwarze Buch vom Teufel, Hexen, Gespenstern, Zauberern und Gaunern
Dem Ende des philosophischen Jahrhunderts gewidmet
Adam Friedrich Böhme, Leipzig, 1796

Große Ordenseinweihung

Cagliostro war ohne Vermögen, in niedrigem Stand unter der jüdischen Nation geboren, mit heftigen Leidenschaften und einem durchdringenden Geist. Er wollte versuchen, wie weit ihn das Glück, das so vielen Schurken und Narren günstig ist, emporheben könne. Da er wusste, dass ein vornehmer Name seinen Plan in der großen Welt sehr begünstigen würde, so fing er damit an, sich für einen Grafen auszugeben. Aber um diesen Plan auszuführen, bedurfte er notwendig einer schönen und verschlagenen Frau. Diese suchte er unter den Buhlerinnen von Venedig. Hier fand er eine genuesische Marquise, die Armut und Unglücksfälle zu diesem traurigen Handwerk verstoßen hatten. Ein schlanker Wuchs, ein feuriges Auge, ein Ansehen von unendlicher Frische, ein verführerischer Gang, dies war ihre physische Beschaffenheit. Die moralische gab jener nichts nach. Sie war verschmitzt, Ränke zu ersinnen, und beharrlich, sie auszuführen. Sie schien leichtsinnig, sich selbst vergessend, und doch berechnete sie mit Habsucht, was ihr jede Gunstbezeigung eintrage; kurz, ein unvergleichliches Geschöpf, um zu verführen, zu betrügen, Tugend zu schwatzen und Laster auszuüben. Indessen wagte dieses ausgesuchte Paar noch nicht, sich in Paris sehen zu lassen. Ihre erste Absicht war vielmehr auf Russland gerichtet. Einige Engländer zu Rom, in deren Arme sich die schöne Frau Gräfin warf, mussten das Geld zur Reise hergeben. In weniger als einem Monat hatte sie sich ein Kapitälchen von 5000 Guinee zu erwerben gewusst. Nun ging die Reise zuerst nach Hol­stein zum berühmten Graf St. Germain und von da nach Petersburg. Dort gaben sie sich für Ärzte aus. Da sie bei ihren Kuren die seltenste Uneigennützigkeit affektierten, so machten sie bald großes Aufsehen. Die Gräfin war zwanzig Jahre alt und sprach wie von ungefähr von ihrem ältesten Sohn, der schon seit geraumer Zeit Hauptmann in holländischen Diensten sei. Ein so außerordentliches Phänomen leitete das Gespräch natürlicherweise auf ihr Alter. Es fand sich, dass die liebenswürdige Mutter schon sechzig Jahre alt war. Die Damen erstaunten. Es war ihnen die Bemühung, sich für jünger auszugeben, so geläufig, dass sie keinen Betrug dabei ahnten, wenn die Gräfin sich aus freien Stücken für so alt ausgab. Sie hielten sich vielmehr überzeugt, sie müsse das Wasser ewiger Schönheit und Jugend besitzen. Natürlicherweise wurde die gute Gräfin nun unaufhörlich bestürmt, um dieses kostbare Wasser mitzuteilen. Endlich nach vielen Bitten tat sie es und sammelte dafür ansehnliche Stimmen ein. Zwar wurden die Damen nicht jünger, aber ihre Liebhaber beteuerten es doch, und Cagliostro wurde angebetet. Ein angesehener Fürst verliebte sich in die schöne Doktorin und überhäufte sie mit Geschenken. Selbst die Kaiserin ließ sie zu sich kommen, aber die Folge dieser Unterredung war der Befehl, das russische Reich zu verlassen, doch mit einem Geschenk von Rubeln begleitet. Ein anderer Vorfall bescheinigte ihre Abreise. Cagliostro hatte versprochen, ein totkrankes zweijähriges Kind einer vornehmen Dame um den Preis von 1500 Louisdor zu heilen. Er verlangte nur eine Zeit von acht Tagen dazu. Den zweiten Tag stieg die Krankheit. Er bat inständig, ihm das Kind zur Verpflegung ins Haus zu geben. Den fünften Tag fing es an, sich zu bessern, den achten war es außer Gefahr, und nach drei Wochen bringt er ein vollkommen gesundes Kind in die Arme der zärtlichen Mutter zurück. Aber zum Unglück für den Herrn Doktor verbreitet sich ein gewisses Gerücht von einem gekauften Kind. Cagliostro musste gestehen, dass er das Kind untergeschoben habe, und entschuldigte sich damit, dass er dadurch den Schmerz der Mutter vorerst zu beruhigen gesucht habe. Man fragte, wo der Körper des verstorbenen Kindes geblieben sei und erhält zur Antwort, er sei verbrannt, um ein Experiment zu versuchen. Man verlangte die 1500 Louisdor zurück, aber zu spät, die Vögel waren ausgeflogen.

Nun schlug Cagliostro seine Bude in Warschau auf, aber mit wenigem Glück. Zu Straßburg ging e besser.

Endlich erreichte er zu Paris, wo seine erhabenen Talente im größten Glanz erschienen, das Ziel seiner Wünsche. Hier gab er sich für einen Wiederhersteller der echten ägyptischen Maurerei aus und versprach, seine Schüler die Mysterien der Isis und des Anubis zu lehren. Dieses Erbieten machte unter den Logen der Hauptstadt das größte Aufsehen. Dieses Institut, vorhin bestimmt zu den edlen Absichten, Einigkeit und Wohltun unter die Menschen zu verbreiten, ist dort ausgeartet. Cagliostro wollte diese Missbräuche ausrotten. Er besaß seiner Versicherung nach eine Konstitution von den Oberen der ägyptischen Maurerei und ein Ritual, nach welchem selbst Ihro Majestät der König Cambsyes im Tempel der Apis arbeitete, als er diesen eigensinnigen Tiergott peitschen ließ. Aber wie erstaunten die Brüder, als der Marktschreier ihnen vorschlug, über den Tod zu herrschen und Verstorbene wieder aus dem dunklen Grab auf einige Zeit zu erwecken. Die Gaukeleien dieser Art, die er mit verschiedenen leichtgläubigen Personen und besonders mit dem Kardinal von Rohan trieb, sind bekannt genug. Während nun, dass der Herr Graf die Beworbenen mit den Lebendigen zu Nacht speisen ließ, machte die Frau Gräfin Anstalt zu einem anderen Schauspiel. Die Damen wollten von Sinnen kommen, dass ihnen die Initiation in die erhabenen Mysterien der ägyptischen Maurerei versagt war. Eine Menge von ihnen, die ganz von Neugierde beherrscht wurden, beredeten sich alles anzuwenden, um die Einweihung zu erlangen. Die Herzogin von T. wurde mit diesem Auftrag zur Frau von Cagliostro abgeschickt. Sie antwortete mit anscheinender Kaltblütigkeit: Sobald sechsunddreißig Damen sich zum Unterricht in den geheimen magischen Wissenschaften ihres Mannes finden würden, wolle sie ihm die Bitte vortragen. Noch denselben Tag war die Anzahl da. Der Herr Graf ließ sich erbitten. Die vorläufigen Bedingungen waren: ein hundert neue Louisdor Rezeptionsgebühren für jede, Enthaltung von allen Mannspersonen neun Tage lang und ein feierlicher Eid, sich jedem Befehl zu unterwerfen. Der 7. August 1785 wurde zur Aufnahme bestimmt. Man versammelte sich um 11 Uhr nachts. Vor dem Eintritt in die Loge musste jede Dame ihren Cul de Paris, Bouffanten, Soutiens, Schnürleib und falschen Chignons ablegen und sich mit einer weißen seidenen Levite und einem farbigen Gürtel bekleiden. Dieser Gürtel waren sechs blaue, sechs schwarze, sechs coquelicot, sechs violette, sechs rosenfarbig und sechs Couleur impossible. Nun begaben sie sich in einen mit vielen Kerzen erleuchteten Tempel, wo sechsunddreißig mit schwarzem Atlas beschlagene Bergeren im Kreis herumgestellt waren. Frau Cagliostro saß in weißer Kleidung auf einem Thron, und ihr zur Seite standen zwei große vermummte Figuren, von denen man nicht wusste, ob es Männer, Weiber oder gar Gespenster waren. Die Lichter verloschen nach und nach bis zur Dämmerung und ein tiefes Stillschweigen spannte die Erwartung aufs Höchste. Hierauf befahl die Oberpriesterin der ganzen Versammlung, das linke Bein bis über das Knie zu entblößen, empor zu heben und den rechten Arm auf die zur Seite stehende Säule ruhen zu lassen. Kaum war dies geschehen, so erschienen zwei Frauenzimmer, die aus den Händen der Frau von Cagliostro seidene Stricke empfingen und in der Reihe herum allen sechsunddreißig Damen Hände und Füße banden. Nun erklärte die Oberpriesterin diese Zeremonie. Sie sei, sagte sie, ein Symbol des Zustandes des weiblichen Geschlechts in der Sozietät und die Darstellung der Unterwürfigkeit, worin die Männer dasselbe zu halten sich bemühten.

»Last immer«, rief sie aus, »diese Männer blutige Kriege führen oder wühlen im Chaos unverständlicher Gesetze. Wir wollen dagegen herrschen über die Meinungen, die Sitten verfeinern, die Geisteskräfte erhöhen, zartere Empfindungen verbreiten und die Zahl der Unglücklichen auf der Welt zu mindern suchen. Diese Bemühungen sind doch wohl erhabener, als Maschinen abzurichten oder lächerliche Zänkereien zu entscheiden!«

Nach dieser Erklärung wurden die Bande abgenommen und die Prüfungen nahmen ihren Anfang.

Die Aspirantinnen wurden in sechs Gruppen verteilt und jede Farbe in ein verschiedenes Zimmer geführt. Sie wurden auf das Schärfste ermahnt und dabei bedeutet, dass diejenige die Prüfung nicht überstehen werde, die sich niemals Hoffnung zu Vollendung der Initiation machen könne. Bald darauf wurden Mannspersonen in jedes Zimmer geschickt, die kein Mittel der Verführung unversucht ließen. Aber so mächtig wirkte die Neugier und die Erwartung großer Geheimnisse, dass weder Überredung noch Spott, weder Bitten noch Tränen noch Verzweiflung etwas über sie vermochten. Sie kamen alle in den Tempel so zurück, wie die Oberpriesterin es befohlen hatte. Nach einer feierlichen Stille von einer Viertelstunde öffnete sich auf einmal die Kuppel des Tempels und auf einer goldenen Kugel sank ein Mann herab, nackt wie Adam, in seiner Hand eine Schlange und eine lodernde Flamme auf seinem Scheitel.

Hier sprach die Oberpriesterin: »Sehen Sie den berühmten, unsterblichen, göttlichen Cagliostro, der aus dem Schoß Abrahams kam, ohne von einem Weib empfangen zu sein, der Besitzer von allem, was war, was ist, und was sein wird!«

»Töchter der Erde«, rief nun Cagliostro selbst, »legt ab eure unheiligen Gewänder. Und wollt ihr Wahrheit hören, so zeigt euch wie sie!«

Im Moment war alles nackt wie die Wahrheit. Nun gab er ihnen Rat, einem betrügerischen Geschlecht auf ewig zu entsagen. »Der Kuss der Freundschaft«, so schloss er seine saubere Rede, »bezeichne den Ausdruck der Empfindung eurer Herzen!«

Die Oberpriesterin lehrte sie darauf, worin dieser Kuss der Freundschaft eigentlich bestehe. »Ich darf Ihnen«, sagte sie, »nun nichts mehr verhehlen. Lernen Sie hier den Zweck aller unserer Geheimnisse. Wenn Sie zwanzig Jahren lang alles menschliche Wissen ergründet haben, wenn Sie tiefsinniger sind als Locke, mehr Logik verstehen als Bayle, hinreißender schreiben als Rousseau, so werden Sie am Ende erfahren, dass das Vergnügen die höchste Gottheit sei, und dieser Tempel ist ihm geheiligt! Opfern Sie ihm hier ohne Scheu!«

Hierauf kamen sechsunddreißig Geister der Wahrheit in Atlas gekleidet, welche die Lehre der Initiierten sehr tätlich bewiesen und die Lehren der Oberpriesterin dadurch bewährten. Zur Schande der Sitten von Paris waren solche Mysterien recht dazu gemacht, den Grafen Cagliostro empor zu heben. Er nutzte den Augenblick des Enthusiasmus, um den ersten Stein zu dieser schändlichen Verbindung zu legen, die der Betrüger ägyptische Maurerei nannte. Dabei hatte er die Unverschämtheit, gegen die Mitglieder des großen Orients zu behaupten, er müsse in seinem System gerade dreizehn Personen haben, rein wie Sonnenstrahlen und selbst von aller Verleumdung unangetastet sein. Sie mussten keusch und unverheiratet sein, ein Vermögen von 50.000 Livres jährlicher Einkünfte und dabei solche Wissenschaften besitzen, die nur sehr selten mit so großem Vermögen verbunden wird.

Man wollte eben mit ihm in Unterhandlung treten, als die bekannte Halsbandgeschichte sich zutrug, die ihn stürzte.