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Meike Dannenberg – Gefährdet

Meike Dannenberg – Gefährdet

Zwei Kinder einer Hamburger Reederfamilie werden auf dem Heimweg entführt und bei tiefen Temperaturen in einen Container gesperrt. Die Familie wundert sich, dass niemand mit einer Lösegeldforderung an sie herantritt. Während die gesamter Hamburger Polizei informiert ist und aufgrund der Prominenz der Familie in der Hansestadt ein großes Polizeiaufgebot ermittelt, wird auch die Berliner Ermittlerin Nora Klerner, Spezialistin des BKA für Verbrechen gegen Kinder, nach Hamburg gerufen.

Sie fährt nach Hamburg und besucht die Reederfamilie namens Stein in ihrer Alstervilla, wo sich auch schon einige Polizisten aus Hamburg aufhalten. Da ist zunächst die Mutter der Kinder, Krystina Stein, schön, ehemaliges Modell, aus der Ukraine nach Hamburg gekommen, später als Doktorin für russische Literatur Dozentin an der Universität und zum Schluss Hausfrau und Mutter, obwohl sie bei vielen Bediensteten der Familie nicht wirklich etwas zu tun hat. Sie scheint völlig fertig und apathisch.

Weiter ist da der Vater, Justus Stein, der Reeder, der zusammen mit seinem Bruder die Firma führt, Lokalpolitiker und unsympathisch, der die Polizisten in seinem Haus am liebsten ignoriert und seine arrogante Fassade wahrt. Er ist ein erfolgreicher und sehr reicher Geschäftsmann mit vielen Privilegien.

Nora stellt zunächst fest, dass die Hamburger Polizei nichts über die Entführer oder den Verbleib der beiden Kinder, des elfjährigen Lasse und der neunjährigen Livia, weiß und dass sich die Ermittlungen schwierig gestalten. Aber nicht nur das beschäftigt die Berliner Polizistin gerade, sondern auch ein Brief vom Sozialamt der Stadt Bochum, wo ihre Mutter lebt. Das Amt will von ihr Zahlungen für den Unterhalt ihrer Mutter, die dort in einem billigen Altenheim untergebracht ist und an Demenz leidet. Durch diesen Brief wird Nora wieder daran erinnert, was ihr ihr Stiefvater als Kind mit stiller Duldung ihrer Mutter angetan hat.

Während die Lage der Kinder im Container immer schlimmer wird und Nora sich über die bisherigen Ermittlungen informiert, um zu erfahren, wo sie ansetzen kann, beobachtet Johan Helms von der Operativen Fallanalyse, der früher mit Nora ermittelt hat und nun in Hamburg arbeitet, eine Gruppe von jungen muslimischen Männern mit Migrationshintergrund, mit dem Ziel, eventuelle terroristische Aktivitäten aufzudecken. Die jungen Männer halten sich am Gebetsraum einer möglicherweise salafistischen Gruppierung auf. Johan, der sich beim LKA Hamburg zu Tode langweilt, weil er ausschließlich als Dozent eingestellt ist und die Praxis vermisst, sieht hier eine Chance, zu ermitteln. Er ist mit einer Frau namens Lilly zusammen, die ein Kind von ihm erwartet und fragt sich, ob es richtig ist, alle Praxisbindung für ein solides Leben als Dozent aufzugeben.

Im Rahmen der Ermittlungen bezüglich der Entführung der Millionärskinder, eines Falles, den die ganze Stadt kennt, wird er schließlich noch aktiv werden, und zwar mehr, als ihm letztlich lieb ist.

Die Autorin beschreibt die Ermittlerin Nova Klerner und ihr privates Leid sehr intensiv und berichtet in ihren Anmerkungen am Ende des Buches darüber, dass sie sich mit einem Schicksal auseinandergesetzt hat, das sie persönlich kannte und welches dem der BKA-Polizistin in ihren Büchern ähnlich war.

Außerdem erzählt Meike Dannenberg auch die private Geschichte von Johan Helms, die später zum Teil mit dem Fall der Entführung der Reederkinder verwoben ist und das Ganze am Ende noch spannender macht.

Auch eine dritte private Geschichte spielt für den Fall der Hamburger Polizei eine Rolle, die Geschichte um Tarek Barusha, seine Schwester Emna und deren Mutter, die diese in die Fänge eines Zuhälters führt, der mit der russischen Mafia kooperiert.

Und zu guter Letzt wird noch aus der Vergangenheit der Mutter der entführten Kinder erzählt, die für diesen Fall ebenfalls relevant ist.

All diese Zusammenhänge beschreibt die Verfasserin sehr kompetent sowie psychologisch fundiert, und konstruiert daraus einen hintergründigen und sehr verflochtenen Plot, dessen Spannung – wie nicht anders zu erwarten – am Ende ihren Höhepunkt erreicht. Dabei hat die Erzählerin zudem gute Kontakte zur Polizei, deren Rat die Geschichte um die Ermittler in Hamburg glaubwürdig macht.

Zudem besitzt Meike Dannenberg wohl auch gute Ortskenntnisse von Hamburg, was der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass sie selbst dort aufgewachsen ist.

In ihrer Geschichte spielen sehr viele gesellschaftliche Phänomene wie die Prostitution, Rauschgiftkonsum und -handel, Terrorverdacht, Migration, Seehandel, Altenpflege, Missbrauch und Unfallrettung eine Rolle, mit denen sich die moderne Polizeiarbeit auseinandersetzen muss, was gutes Wissen von den jeweiligen Beamten verlangt und natürlich von einer Autorin wie Meike Dannenberg zunächst recherchiert werden muss.

Fazit:
Die Autorin eröffnet dem Leser in ihrem Buch Gefährdet eine verflochtene und aus vielerlei Perspektive erzählte Geschichte, die vor allem aufgrund mannigfaltiger Recherche und intensiver Beschäftigung mit der tatsächlichen Ermittlungsarbeit der Polizei als sehr professionell dargestellt gelten muss.

Insbesondere die Beschreibung der persönlichen Schicksale der Protagonisten und Nebenpersonen zeigen psychologisches Einfühlungsvermögen der Verfasserin, und die Behandlung vieler moderner Themen innerhalb eines einzigen Romans zeugen von ihrem großen Fleiß.

Ich möchte dieses Buch demjenigen Leser empfehlen, der Interesse an modernen Kriminalromanen hat, die die Realität so komplex darstellen, wie sie es durchaus auch ist.

Die Autorin:

Meike Dannenberg wurde 1974 in Bremen geboren und wuchs in Hamburg auf. Sie studierte angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und ist seit 2003 als Journalistin und Kulturredakteurin für verschiedene Medien tätig.

Seit 2011 leitet sie beim BÜCHERmagazin das Ressort Krimi und war verantwortlich für das Sonder-Magazin KinderBÜCHER. Sie lebt mit ihrer Familie In Bremen.

Ihr erster Kriminalroman Blumenkinder erschien im Dezember 2016 und der zweite Band mit dem Titel Gefährdet im Februar 2019.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.
  • Foto der Autorin. Copyright: Studioline. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.

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