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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die drei Musketiere 55

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung
XXII.

Vierter Tag der Gefangenschaft

Als Felton am anderen Tag bei Mylady eintrat, stand sie auf einem Stuhl und hielt einen, aus mehrerer in Streifen zerrissener Batistsacktücher geflochtenen Strick in der Hand. Bei dem Geräusch, das Felton durch das Öffnen der Tür verursachte, sprang Mylady leise vom Stuhl herab und versuchte den improvisierten Strick hinter sich zu verbergen.

Der junge Mann war noch bleicher als gewöhnlich. Seine von der Schlaflosigkeit geröteten Augen verriethen, dass er eine fieberhafte Nacht zugebracht hatte.

Aber seine Stirn war mehr als je mit einem tiefen Ernst bewaffnet.

Er ging langsam auf Mylady, die sich niedergesetzt hatte, zu, nahm das mörderische Geflecht, das sie aus Unachtsamkeit oder absichtlich hatte vorsehen lassen, an einem Ende und fragte kalt: »Was soll dies bedeuten, Madame?«

»Dies? Nichts«, erwiderte Mylady, indem sie mit jenem schmerzhaften Ausdruck, den sie ihren Zügen so gut zu geben wusste, lächelte. »Die Langweile ist, wie Ihr wisst, der Todfeind der Gefangenen. Ich langweilte mich und versuchte mich durch das Flechten dieses Strickes zu zerstreuen.«

Felton schaute zu dem Punkt an der Wand, vor dem er Mylady auf dem Stuhl stehend getroffen hatte, auf welchem sie nun saß, und er gewahrte über ihrem Kopf eine vergoldete Krampe in der Mauer befestigt, die zum Aufhängen von Waffen oder Kleidern bestimmt war.

»Und warum standet Ihr auf diesem Stuhl?«, fragte er.

»Was kümmert das Euch?«, entgegnete Mylady.

»Aber ich wünsche es zu wissen.«

»Fragt mich nicht«, sagte die Gefangene, »Ihr wisst wohl, dass es uns wahren Christen verboten ist, zu lügen.«

»Nun, ich will Euch sagen«, sprach Felton, »was Ihr tatet oder was Ihr vielmehr tun wolltet. Ihr wolltet den unseligen Gedanken zur Ausführung bringen, den Ihr in Eurem Inneren nährt. Wenn Euer Gott die Lüge verbietet, Madame, so verbietet er noch viel strenger den Selbstmord.«

»Wenn Gott eines von seinen Geschöpfen ungerechterweise verfolgt, zwischen Selbstmord und Schande gestellt sieht«, antwortete Mylady im Ton tiefer Überzeugung, »glaubt mir, Monsieur, dann vergibt Gott den Selbstmord, denn der Selbstmord wird zum Märtyrertum.«

»Ihr sagt zu viel oder zu wenig. Sprecht, Madame, ums Himmels willen, erklärt Euch.«

»Soll ich Euch die Unglücksfälle meines Lebens erzählen, damit Ihr sie für Märchen erklärt? Soll ich Euch meine Pläne nennen, damit Ihr sie meinem Verfolger angebt? Nein, Monsieur. Überdies, was liegt Euch am Leben oder Tod einer unglücklichen Verdammten! Ihr seid nur für meinen Leib verantwortlich, insofern man, wenn Ihr einen Leichnam zeigt, der als der meine erkannt wird, nicht mehr von Euch verlangen wird. Ja, vielleicht erhaltet Ihr sogar doppelten Lohn dafür?«

»Ich, Madame, ich!«, rief Felton, »Ihr könnt glauben, ich würde den Preis Eures Lebens annehmen? O, Ihr glaubt nicht, was Ihr da sprecht.«

»Lasst es gut sein, Felton, lasst es gut sein«, sprach Mylady voll Heftigkeit. »Jeder Soldat ist ehrgeizig, nicht wahr? Ihr seid ein Lieutenant. Nun, Ihr werdet meinem Leichenzug mit dem Grad eines Captains folgen.«

»Aber was habe ich Euch denn getan«, rief Felton erschüttert, »dass Ihr mir eine solche Verantwortlichkeit vor Gott und den Menschen aufbürdet? In einigen Tagen seid Ihr fern von hier, Madame. Euer Leben steht nicht mehr unter meiner Bewachung, und dann«, fügte er mit einem Seufzer bei, »dann werdet Ihr tun, was Euch beliebt.«

»Also Ihr«, sprach Mylady, als ob sie einer heiligen Entrüstung nicht länger widerstehen könnte, »Ihr ein heiliger Mann, Ihr, den man einen Gerechten nennt, Ihr verlangt nichts anderes, als dass man Euch wegen meines Todes nicht eines Versehens beschuldigen könne?«

»Ich muss über Euer Leben wachen, Madame, und werde darüber wachen.«

»Aber begreift Ihr auch den Auftrag, den Ihr erfüllt? Ist er schon grausam, selbst wenn ich schuldig wäre? Welchen Namen werdet Ihr ihm geben, welchen Namen wird ihm der Herr geben, wenn ich unschuldig bin?«

»Ich bin Soldat, Madame, und vollziehe die Befehle, die ich erhalten habe.«

»Glaubt Ihr, dass Gott beim Jüngsten Gericht die blinden Henker von den ungerechten Richtern trennen wird? Ihr wollt nicht, dass ich meinen Leib töte, und macht Euch zum Werkzeug des Menschen, der meine Seele töten will.«

»Ich wiederhole«, versetzte Felton erschüttert, »es droht Euch keine Gefahr, und ich stehe für Lord Winter, wie für mich selbst.«

»Wahnsinniger!«, rief Mylady, »armer Wahnsinniger, der für einen anderen Menschen stehen will, während die Weisesten, die Gottgefälligsten nicht wagen können, für sich selbst zu stehen, und der sich auf die stärkere, glücklichere Partei schlägt, um ein schwaches, unglückliches Geschöpf niederzutreten!«

»Unmöglich, Madame, unmöglich«, murmelte Felton, denn als Gefangene werdet Ihr durch mich nicht die Freiheit erhalten, als Lebende erhaltet Ihr durch mich nicht den Tod.«

»Ja«, rief Mylady, »ich werde verlieren, was mir teurer ist als das Leben. Ich werde die Ehre verlieren, Felton, und Euch, Euch mache ich vor Gott und den Menschen für meine Schmach, meine Schande verantwortlich.«

Diesmal konnte Felton trotz seiner wirklichen oder scheinbaren Unempfindlichkeit dem Einfluss nicht widerstehen, der sich seiner bereits bemächtigt hatte. Diese schöne Frau, so weiß wie die reinste Vision, bald in Tränen zerfließend, bald drohend zu sehen, der Macht des Schmerzes und der Schönheit bloßgestellt zu sein, das war zu viel für ein durch glühende Träume eines exaltierten Glaubens bereits unterhöhltes Gehirn, für ein zugleich von der brennenden Liebe des Himmels und von dem verzehrenden Hass der Menschen zernagtes Herz.

Mylady sah seine Unruhe. Sie fühlte durch innere Anschauung die Flamme entgegengesetzter Leidenschaften, welche in den Adern des jungen Fanatikers brannten. Einem geschickten General gleich, der, wenn er sieht, dass der Feind zurückweichen will, mit einem Siegesgeschrei auf ihn losmarschiert, stand sie auf, ging wie eine schöne Priesterin des Altertums, begeistert wie eine christliche Jungfrau, den Arm ausgestreckt, mit fliegenden Haaren, mit einer Hand schamhaft das über der Brust zusammengezogene Kleid haltend, den Blick erleuchtet von dem Feuer, das bereits eine Verwirrung in den Sinnen des jungen Puritaners hervorgebracht hatte, auf ihn zu und rief mit ihrer sanften Stimme, der sie bei dieser Gelegenheit eine furchtbare Gewalt verlieh:

So wirf sein Opfer vor den Baal

und wirf den Märtyrer dem Löwen vor.

Gott weckt in dir der Reue Qual,

vom Abgrund dringt mein Ruf zu ihm empor.

Felton blieb wie versteinert auf seiner Stelle. »Wer seid Ihr? wer seid Ihr?«, rief er, die Hände faltend. »Seid Ihr Engel oder Teufel! Heißt Ihr Eloah oder Astarte?«

»Hast du mich nicht erkannt, Felton? Ich bin weder ein Engel noch ein Teufel. Ich bin eine Tochter der Erde, ich bin eine Schwester deines Glaubens und nichts weiter.«

»Ja, ja«, sprach Felton, »ich zweifelte noch, aber jetzt glaube ich.«

»Du glaubst und bist dennoch der Schuldgenosse dieses Belialskindes, das man Lord Winter nennt? Du glaubst und lässt mich in den Händen meiner Feinde, des Feindes von England, des Feindes Gottes. Du glaubst und dennoch überantwortest du mich demjenigen, welcher die Welt mit seinen Ketzereien und Ausschweifungen erfüllt und befleckt, diesem schändlichen Sardanapal, den die Blinden den Herzog von Buckingham und die Gläubigen den Antichrist nennen!«

»Ich Euch Buckingham überantworten! Was sagt Ihr da?«

»Sie haben Augen«, rief Mylady, »und werden nicht sehen. Sie haben Ohren und werden nicht hören!«

»Ja, ja«, sprach Felton, indem er mit den Händen über seine schweißbedeckte Stirn strich, als wollte er den letzten Zweifel entfernen. »Ja, ich erkenne die Stimme, die in meinen Träumen mit mir spricht; ja, ich erkenne die Züge des Engels, der mir allnächtlich erscheint und meiner schlaflosen Seele zuruft: ›Schlage; rette England, rette dich, denn du wirst sterben, ohne Gott entwaffnet zu haben!‹ Sprecht, sprecht!« rief Felton, »denn ich kann Euch jetzt verstehen.«

Ein Blitz furchtbarer Freude, aber rasch wie der Gedanke, sprang aus den Augen Myladys hervor.

So flüchtig auch dieses mörderische Zucken gewesen war, so entging es doch Felton nicht. Er bebte, als ob dieser Blitz die Abgründe des Herzens dieser Frau erleuchtet hätte.

Felton erinnerte sich plötzlich der Bemerkungen von Lord Winter, der Verführungskünste Myladys, ihrer ersten Versuche bei ihrer Ankunft. Er wich einen Schritt zurück, ließ den Kopf sinken, hörte aber nicht auf, sie anzuschauen, als ob er von diesem seltsamen Geschöpf verzaubert wäre und seine Augen sich nicht von ihr trennen könnten.

Mylady war nicht die Frau, um sich in dem Sinne dieses Zögerns zu täuschen. Unter den scheinbaren Aufregungen verließ ihre eisige Kaltblütigkeit sie nicht. Ehe ihr Felton geantwortet hatte und sie sich genötigt sah, das Gespräch wieder aufzunehmen, das so schwer in demselben Ton der Begeisterung fortzusetzen war, ließ sie ihre Arme zurücksinken, als ob weibliche Schwäche über den Enthusiasmus der Begeisterten obsiegte.

»Aber nein«, sprach sie, »mir kommt es nicht zu, die Judith zu sein, welche Bethulien von diesem Holofernes befreien wird. Das Schwert des Ewigen ist zu schwer für meinen Arm. Lasst mich also der Schande durch den Tod entfliehen, lasst mich meine Zuflucht zum Märtyrertum nehmen. Ich verlange von Euch nicht die Freiheit, wie dies eine Schuldige tun würde, nicht die Rache, wie es eine Heidin täte. Ich bitte Euch, ich flehe Euch auf meinen Knien an: Lasst mich sterben und mein letzter Seufzer soll eine Segnung für meinen Retter sein.«

Bei dieser sanften, flehenden Stimme, bei diesem schüchternen, niedergeschlagenen Blick näherte sich Felton.

Allmählich hatte die Zauberin das magische Gewand angetan, das sie nach Belieben an- und ablegte, das heißt die Schönheit, die Sanftmut, die Tränen und vor allem den unwiderstehlichen Reiz mystischer Wollust, einer Wollust, die verzehrender wirkt, als jede andere.

»Ach«, sprach Felton, »ich kann weiter nichts als Euch beklagen, wenn Ihr mir beweist, dass Ihr ein Opfer seid. Aber Lord Winter erhebt schreckliche Anschuldigungen gegen Euch. Ihr seid Christin, Ihr seid meine Religionsschwester. Ich fühle mich zu Euch hingezogen, ich, der ich nie einen andern Menschen geliebt habe als meinen Wohltäter, ich, der ich im Leben nur Verräter und Gottlose gefunden habe! Aber Ihr, Madame, die Ihr in Wahrheit so schön und dem Anschein nach so rein seid, Ihr habt also, da Euch Lord Winter auf diese Weise verfolgt, große Frevel verübt?«

»Sie haben Augen«, wiederholte Mylady mit einem Ausdruck unsäglichen Schmerzes, »und werden nicht sehen; sie haben Ohren und werden nicht hören.«

»Aber so sprecht doch«, rief der junge Offizier, »sprecht, sprecht!«

»Euch meine Schmach und meine Schande anvertrauen!«, rief Mylady, mit Schamröte im Gesicht, »denn oft ist das Verbrechen des einen die Schande des anderen. Euch meine Schande anvertrauen, einem Mann, ich die Frau! Oh«, fuhr sie fort und legte dabei verschämt die Hand auf die schönen Augen. »Oh! Nie, nie werde ich dies über mich vermögen!«

»Vertraut mir als einem Bruder!«, rief Felton.

Mylady schaute ihn lange mit einem Ausdruck an, den der Offizier für Zweifel hielt, während er nichts anderes, als Beobachtung und hauptsächlich Absicht, zu blenden, war. Nun faltete Felton flehend die Hände.

»Wohl!«, sprach Mylady, »ich will mich einem Bruder anvertrauen, ich will es wagen.«

In diesem Augenblick hörte man die Schritte von Lord Winter, aber diesmal begnügte sich der furchtbare Schwager Myladys nicht damit, wie am Tage vorher, an der Tür vorüberzugehen und sich wieder zu entfernen, sondern er blieb stehen und wechselte zwei Worte mit der Wache. Die Tür öffnete sich und er trat ein.

Während die zwei Worte gewechselt wurden, war Felton rasch zurückgewichen. Als Lord Winter erschien, stand er einige Schritte von der Gefangenen entfernt.

Der Baron trat langsam ein und ließ seinen forschenden Blick von der Gefangenen auf den jungen Offizier überschweifen.

»Ihr seid schon sehr lange hier, John«, sagte er. »Hat Euch diese Frau ihr Verbrechen erzählt? Dann begreife ich die Dauer der Unterhaltung.«

Felton bebte und Mylady fühlte, dass sie verloren war, wenn sie dem aus der Fassung gebrachten Puritaner nicht zu Hilfe kam.

»Ah, Ihr fürchtet, Eure Gefangene dürfte Euch entkommen«, sprach sie. »Ei, so fragt doch Euren Kerkermeister, welche Gnade ich mir soeben von ihm erbeten habe.«

»Ihr habt Euch eine Gnade erbeten?«, sprach der Baron argwöhnisch.

»Ja, Mylord«, erwiderte der junge Mann verwirrt.

»Und welche Gnade? Lasst hören!«, fügte Lord Winter bei.

»Ein Messer, das sie mir eine Minute, nachdem sie es empfangen hatte, durch das Gitter der Tür zurückgeben will«, antwortete Felton.

»Es ist also irgendjemand hier verborgen, den diese anmutreiche Person erstechen will?«, versetzte Lord Winter mit spöttischem, verächtlichem Ton.

»Ich bin hier«, antwortete Mylady.

»Ich habe Euch die Wahl zwischen Amerika und Tyburn gelassen«, entgegnete Lord Winter. »Wählt Tyburn, Mylady. Glaubt mir, der Strick ist sicherer als das Messer.«

Felton fühlte einen Schauer durch das Mark seiner Knochen. Wahrscheinlich bemerkte Lord Winter diese Bewegung.

»Ihr habt recht«, sprach Mylady, »und ich habe bereits daran gedacht.« Dann fügte sie mit dumpfer Stimme bei: »Ich werde noch einmal daran denken.«

Felton erbleichte und machte einen Schritt vorwärts, denn er erinnerte sich, dass Mylady, als er eintrat, einen Strick in der Hand gehalten hatte.

»Traue ihr nicht, John«, sagte der Baron. »John, mein Freund, ich habe mich auf dich verlassen. Nimm dich in Acht, du bist von mir unterrichtet. Sei übrigens guten Muts, mein Kind! In drei Tagen werden wir von diesem Geschöpf befreit sein. An dem Ort, wohin ich sie schicke, wird sie niemand mehr schaden.«

»Du hörst ihn!«, rief Mylady, die Stimme erhebend, sodass der Baron glaubte, sie wende sich an den Himmel, während Felton begriff, dass es ihm galt.

Felton ließ das Haupt sinken und träumte.

Der Baron nahm den Offizier beim Arm und drehte sogleich den Kopf über seine Schulter zurück, um Mylady nicht aus dem Blick zu verlieren, bis er das Zimmer verlassen hätte.

»Ach, ich bin noch nicht so weit vorgerückt, wie ich glaubte«, sagte die Gefangene, als die Tür wieder geschlossen war. »Der Baron hatte seine gewöhnliche Albernheit in eine ihm sonst unbekannte Klugheit verwandelt. Das ist die Rachgier, die den Menschen bildet. Felton zögerte noch. Ach, das ist kein entschlossener Mensch wie dieser verdammte d’Artagnan.«

Mylady wartete jedoch mit Ungeduld, denn sie vermutete mit Recht, der Tag würde nicht vorübergehen, ohne dass Felton wiederkäme. Eine Stunde nach der soeben erzählten Szene hörte sie leise an der Tür sprechen. Bald öffnete sich die Tür und sie erkannte Felton.

Der junge Mann trat rasch in das Zimmer ein, ließ die Tür hinter sich offen und bedeutete Mylady durch ein Zeichen, sie möge schweigen. Sein Gesicht war ganz verstört.

»Was wollt Ihr von mir?«, fragte sie.

»Hört«, antwortete Felton mit leiser Stimme; »ich habe die Wache entfernt, um hier bleiben zu können, ohne dass man weiß, dass ich gekommen bin, um mit Euch sprechen zu können, ohne dass man hört, was ich Euch sage. Der Baron hat mir eine furchtbare Geschichte erzählt.«

Mylady nahm wieder das Lächeln des in sein Schicksal ergebenen Opfers an.

»Entweder seid Ihr ein Teufel, oder der Baron, mein Wohltäter, mein Vater, ist ein Ungeheuer. Ich kenne Euch seit vier Tagen, ich liebe ihn seit zehn Jahren. Ich darf also in der Wahl zwischen Euch beiden wohl bedenklich sein. Erschreckt nicht über das, was ich Euch sage. Ich bedarf der Überlegung. Ich komme nach Mitternacht zu Euch und Ihr werdet mich überzeugen.«

»Nein, Felton, nein, mein Bruder«, entgegnete sie. »Das Opfer ist zu groß, und ich fühle, was es Euch kostet. Nein, ich bin verloren, richtet Euch nicht auch zu Grunde. Mein Tod wird viel beredter sein als mein Leben, und das Stillschweigen des Leichnams wird Euch eher überzeugen, als das Wort der Gefangenen.«

»Schweigt, Madame!«. rief Felton, »und lasst mich nicht solche Worte hören. Ich bin gekommen, damit Ihr mir bei Eurer Ehre gelobt, damit Ihr mir schwört bei allem, was heilig ist, nicht Hand an Euer Leben zu legen.«

»Ich will nicht geloben«, antwortete Mylady, »denn niemand achtet den Eid so sehr wie ich, und wenn ich geloben würde, dann müsste ich es auch halten.«

»Gut«, sagte Felton, »so versprecht es wenigstens nur bis zu dem Augenblick, wo wir uns wiedergesehen haben werden. Besteht Ihr auf Eurer Absicht, wenn wir uns wiedergesehen haben, so seid Ihr frei, und ich selbst gebe Euch die Waffe, die Ihr von mir verlangt.«

»Es sei!«, sagte Mylady, »Euch zu Liebe werde ich warten.«

»Schwört mir!«

»Ich schwöre bei unserem Gott! Seid Ihr zufrieden?«

»Wohl«, erwiderte Felton, »heute Nacht also!«

Er stürzte aus dem Zimmer, verschloss die Tür und blieb außen, die Halbpike des Soldaten in der Hand haltend, als ob er die Wache bezogen hätte.

Der Soldat kam zurück, Felton gab ihm seine Waffe wieder.

Mylady sah nun durch das Gitter der Tür, dem sie sich genähert hatte, wie sich der junge Mann mit allen Zeichen einer irrsinnigen Inbrunst gebärdete und in einer Art von Entzücken durch den Hausflur eilte. Sie aber kehrte, ein Lächeln wilder Verachtung auf den Lippen, an ihren Platz zurück und wiederholte lächelnd den furchtbaren Namen Gottes, bei welchem sie geschworen hatte, ohne ihn je kennen gelernt zu haben.

»Mein Gott«, sagte sie, »wahnsinniger Fanatiker, mein Gott bin ich selbst und derjenige, welcher mir zu meiner Rache verhelfen wird.«