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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 14

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Vierzehntes Kapitel

Von Pekaris aufgebäumt

Das Gespräch über die spanischen Schweine führte uns ganz natürlich auf das Pekari, indem dieses Tier nur diejenigen Teile Nordamerikas bewohnt, welche früher im Besitz spanischer Bevölkerung gewesen waren. Man kennt zwei deutlich voneinander unterschiedene Arten des Pekari, das Halsbandpekari und das weißlippige. In Gestalt und Gewohnheiten sind sie einander sehr ähnlich, unterscheiden sich aber in Größe und Farbe. Das weißlippige ist das größere. Seine Farbe ist dunkelbraun, fast schwarz, während das Halsbandpekari, mit Ausnahme eines Streifens auf seinen Schultern und des Halsbandes, einförmig eisengrau ist. Die Unterscheidungszeichen bestehen bei ersterer Art in einem grauweißen Flecken längs der Kinnbacken, und bei Letzterem in einem gelblichweißen Gürtel, welcher den Hals und die Schultern wie ein Pferdekummet einschließt. Diese Auszeichnung hat jedem seinen besonderen Namen gegeben. Sie unterscheiden sich ferner dadurch, dass die Stirn des weißlippigen Pekari mehr ausgehöhlt ist als die seines Verwandten.

In den meisten anderen Beziehungen gleichen diese Tiere einander. Beide nähren sich von Wurzeln, Früchten, Fröschen, Kröten, Eidechsen und Schlangen. Beide machen ihr Lager in hohle Baumstämme oder in Felsenhöhlen, und beide sind gesellige Tiere.

Die Wohnplätze des weißlippigen Pekari sind die großen tropischen Wälder von Guyana und Brasilien, doch findet es sich noch viel weiter südlich, und in Paraguay ist es sogar sehr häufig. Dort kennt man es unter dem Namen Baquira, wovon unsere Benennung Pekari herrührt. Die andere Art findet sich gleichfalls in Südamerika und wird der Vaquira de Lollar genannt. Keine von beiden Gattungen ist noch so zahlreich vorhanden, wie in früheren Zeiten. Sie sind durch die Jagd gelichtet worden, nicht etwa wegen großen Wertes ihres Fleisches, Felles oder des bloßen Jagdvergnügens wegen, sondern hauptsächlich wegen ihrer räuberischen Gewohnheiten. In der Nachbarschaft der Ansiedelungen stellen sie oft Raubzüge in die Mais- und Maniokfelder an und verwüsten zuweilen eine Zuckerpflanzung in einer einzigen Nacht. Aus diesem Grund ist seit langer Zeit von den Pflanzern und deren Leuten eine Art Vernichtungskrieg gegen sie geführt worden. Obwohl die beiden Arten der Pekaris einander sehr ähnlich sind, so vereinigen sie sich doch niemals miteinander in Herden und scheinen nichts von einer zwischen ihnen bestehenden Verwandtschaft zu wissen. Man findet sie sogar merkwürdigerweise niemals zu gleicher Zeit in demselben Waldstrich.

Das Halsbandpekari bewohnt auch Nordamerika. Man trifft es ziemlich häufig in den südlicheren Breiten westlich vom Mississippi. Im Gebiet von Texas ist es sehr gewöhnlich, und sein Bereich erstreckt sich westlich bis zum Stillen Ozean hin, südlich durch den ganzen übrigen Kontinent.

Seine Aufenthaltsorte beweisen, dass das Pekari die Beschwerden eines strengen Winters nicht ertragen kann, sondern ein Bewohner der Tropengegenden und der angrenzenden Länder ist.

Man trifft das Pekari in Wäldern, in Gebirgen und auf flachen Ebenen. Sein Lieblingsaufenthalt scheinen aber trockene, hügelige Wälder zu sein, wo es verschiedene Arten von Nüssen wie die Chinquapin- und Pekannuss und die Früchte mehrerer Eichenarten findet, mit denen das Halbprärieland des westlichen Texas bedeckt ist.

Die Waldbäume gewähren dem Pekari keinen weiteren Nutzen, als dass es deren Früchte verzehrt. Bei Mangel an Bergen oder Felsenspalten macht es sein Lager im Fuß hohler Bäume oder in großen Höhlungen, welche man so häufig in halb verwitterten Stämmen findet. Ein Unterschlupf zwischen Felsen zieht es jedoch immer vor, da ihm ohne Zweifel die Erfahrung gelehrt hat, dass diese ihm einen sichereren Zufluchtsort sowohl vor den Jägern als auch anderen Feinden bietet. Das Pekari ist von anderen Waldtieren durch seine gerundete, schweinsähnliche Gestalt und seinen langen, spitzen Rüssel leicht zu unterscheiden. Trotz seiner Ähnlichkeit mit dem Schwein sind doch seine Bewegungen außerordentlich gewandt und leicht.

Der Mangel eines Schwanzes, der nur durch eine sehr kleine Erhöhung oder einen Buckel vertreten wird, prägt ihm den Charakter der Leichtigkeit auf. Es hat ganz die Kinnladen des Schweines und ein paar mächtige Hauzähne, welche aus den Mundwinkeln hervorstehen, verleihen ihm ein wildes und gefährliches Aussehen. Diese Hauer findet man übrigens nur bei den alten Männchen oder Eber. Die Ohren sind kurz und fast gänzlich unter den, auch den übrigen Körper bedeckenden langen, steifen Haaren oder Borsten versteckt. Auf dem Rücken sind diese Borsten am längsten. Wenn sie dort aufgerichtet oder nach vorn gesträubt werden, was immer geschieht, wenn das Pekari zornig ist, so haben sie das Aussehen einer steifen Mähne, die sich längs des ganzen Halses, der Schultern und des Rückgrates hinzieht. Zu solchen Zeiten lässt die starre, borstige Bedeckung des ganzen Körpers das Tier fast wie ein Stachelschwein erscheinen.

Die Pekaris sind, wie bereits erwähnt, sehr gesellig und wandern in Herden von zwanzig und mehr Stück, jedoch nur zur Winterszeit. Sonst trifft man sie nur paarweise, immer ein Männchen und ein Weibchen. Sie sind einander sehr anhänglich und halten sich stets dicht beisammen. Das Weibchen bringt zwei Junge zur Welt. Sie sind von rötlichbrauner Farbe und anfangs nicht größer als junge Hunde. Bald können sie jedoch der Mutter durch den Wald folgen, und dann besteht die ganze Familie gewöhnlich aus vier Mitgliedern.

Später im Jahr vereinigen sich mehrere dieser Familien und bleiben zusammen, um sich gegenseitig Schutz zu verleihen, denn sobald eines angegriffen wird, ergreift die ganze Herde Partei gegen den Angreifer, sei er nun Jäger, Jaguar oder Luchs. Da sie nicht nur Zähne und Hauer, sondern auch die scharfen Vorderhufe mit Schnelligkeit und Kraft gebrauchen, so werden sie zu furchtbaren und gefährlichen Feinden. Der Kuguar wird oft von einer Pekariherde, welche er unklugerweise angegriffen hat, getötet und in Stücke gerissen. Auch gibt sich dieses grimmige Tier in der Tat nicht leicht mit den Pekaris ab, wenn es sie in größerer Anzahl findet, sondern greift in der Regel nur einzelne an. Ihr Grunzen aber, welches man in der Entfernung von fast einer Meile hören kann, ruft dann die Übrigen herbei. Er ist plötzlich umzingelt, ehe er es ahnt, und wird von so vielen angepackt, wie sich an ihn drängen können.

Der texanische Jäger wird es zu Fuß nie wagen, eine Herde Pekaris zu beunruhigen. Selbst zu Pferde reitet er ruhig an ihnen vorüber, ohne ihren Zorn zu reizen, wenn der Wald nicht ganz licht ist. Trotzdem werden die Tiere doch von den Ansiedlern gejagt und jährlich zu Hunderten getötet.

Die Verwüstungen, welche sie auf den Maisfeldern anrichten, machen ihnen viele Feinde, welche ihnen, in Gesellschaften vereinigt, eifrig nachstellen. Man wendet Hunde an, um das Pekari aufzuspüren und zum Stehen zu bringen, worauf der Jäger herbeireitet und der Jagd mit seiner sicheren Büchse ein Ende macht. Eine Herde Pekaris pflegt zuweilen, wenn sie verfolgt wird, eine Zuflucht in einer Höhle oder Felsenspalte zu suchen, wobei dann nur eines von ihnen am Eingang gewissermaßen Wache steht. Wenn dieses von dem Jäger niedergeschossen ist, stürzt sofort ein zweites heraus und nimmt dessen Stelle ein. Sobald auch dieses getötet ist, wird es durch ein drittes ersetzt, und so fort, bis die ganze Herde gefallen ist.

Wenn die Hunde die Pekaris ja einmal allein und ohne Beistand und Ermutigung des Jägers angreifen, so werden sie zuverlässig immer in die Flucht geschlagen und einige von ihnen getötet. Ja, dieses kleine Geschöpf von nicht mehr als zwei Fuß Länge ist selbst dem tüchtigsten Bullenbeißer gewachsen! Ich selbst habe ein Pekari, und noch dazu ein eingesperrtes, gesehen, das nicht weniger als sechs Bullenbeißer und Kettenhunde, die sämtlich für tüchtige Beißer galten, kampfunfähig gemacht hatte.

Dem Kentuckyer war einmal ein Pekari-Abenteuer zugestoßen, während er sich auf einem Ausflug nach den neuen Ansiedelungen in Texas befand.

»Es war«, erzählte er, »das erste Mal, dass ich die Bekanntschaft dieser Tiere machte, aber ich werde es nicht so leicht wieder vergessen. Es verschaffte mir unter den Grenzansiedlern von Texas den Ruf eines großen Jägers, doch mögen Sie nachher selbst urteilen, mit welchem Grund ich diesen Namen verdiente. Ich war auf einige Wochen als Gast bei einem Farmer oder Pflanzer, der in der Dreifaltigkeits-Niederung wohnte. Wir waren schon mehrere Male draußen im Holz gewesen und hatten Bären, Hirsche und Truthühner geschossen, aber noch niemals das Glück gehabt, Pekaris anzutreffen, Obwohl wir selten hinausgingen, ohne ihre Fährten oder sonstige Zeichen, welche mein Freund Pekarispuren nannte, zu erblicken. Diese Tiere besitzen nämlich den ausgebildetsten Geruchsinn und suchen daher lange zuvor ein Versteck, ehe der Jäger sie sehen oder in ihre Nähe kommen kann. Da wir ohne Hunde auszogen, so konnten wir natürlicherweise nicht leicht entdecken, welcher von den 999 hohlen Bäumen, an denen wir alltäglich vorüberkamen, gerade derjenige sein mochte, in welchem die Pekaris eine Zuflucht gefunden hatten. Gleichwohl interessierten mich diese Tiere sehr. Ich hatte schon oft Bären gejagt, Hirsche gehetzt und Truthühner sowohl in Fallen gefangen als auch geschossen, aber bisher hatte ich noch kein Pekari getötet, ja sogar noch nicht einmal eins gesehen. Es verlangte mich deshalb sehr darnach, meine Jagdtrophäen durch den Hauer eines dieser wilden Eber zu bereichern.

Mein Verlangen sollte schneller befriedigt werden, als ich erwartete, und in einer Ausdehnung, von der ich mir nie hätte etwas träumen lassen, denn eines Morgens, noch ehe ich mein Frühstück verzehrt hatte, brachte ich nicht weniger als 19 dieser Tiere dazu, ihr letztes Quieken auszustoßen. Aber ich muss Ihnen die Umstände dieser Heldentat der Reihenfolge nach erzählen.

Es war im Herbst, der schönsten Jahreszeit des Waldes, wo das Laubwerk seine Goldorange- und Purpurfarben annimmt. Ich lag im Haus meines Freundes im Bett, wurde jedoch durch das nahe am Hause erschallende Kollern wilder Truthähne aus dem Schlaf geweckt.

Obwohl mein Gemach kein Fenster hatte, so sagten mir doch die gelben Strahlen, welche durch die Spalten der aus Baumstämmen errichteten Wand drangen, dass die Sonne aufgegangen sein müsse.

Ich stand also auf, legte meine Kleidung und Jagdausrüstung an, nahm meine Büchse und schlich hinaus. Ich sagte keinem Menschen etwas, da im ganzen Haus weder Neger noch Master zu erblicken waren. Auch wollte ich meinen Freund überraschen und ihm meine Geschicklichkeit beweisen, indem ich ihm einen jungen fetten Hahn zum Frühstück lieferte.

Sobald ich um die Ecke des Hauses bog, erblickte ich einen starken Flug von Truthühnern. Sie trieben sich auf einem alten Maisfeld umher, wo sie die Körner suchten, welche von der Ernte her liegen geblieben waren, befanden sich aber zu entfernt, als dass ich sie mit der Büchse hätte erreichen können. Ich schlich mich also zwischen den Maisstängeln hin, um in ihre Nähe zu gelangen. Bald bemerkte ich, dass sie zum Walde zu gingen, und berechnete den wahrscheinlichen Punkt, wo sie in denselben eindringen würden. Wenn ich vor ihnen diesen Punkt erreichen konnte, so musste ich gut zum Schuss kommen. Um dahin zu gelangen, brauchte ich nur zum Haus zurückzugehen und mich dann am Rand des Feldes zu halten, wo ich einige Deckung fand. Ich verlor keinen Augenblick, sondern machte mich auf und erreichte den gewünschten Ort, indem ich den größten Teil des Weges laufend zurücklegte.

Ich befand mich nun ungefähr eine Meile weit vom Haus meines Freundes, denn das Maisfeld war sehr groß, wie man dergleichen nur auf den großen Pflanzungen des fernen Westens findet. Ich sah, dass ich die Truthühner überholt und noch einige Zeit übrig hatte, und suchte mir daher einen passenden Baumstamm aus, auf welchen ich mich niederließ, um ihr Herankommen zu erwarten. Meine Stellung war so, dass ich durch das breite, grüne Laubwerk einiger neben dem Stamm wachsenden großen buschigen Bäume vollständig verborgen wurde.

Noch keine Minute hatte ich mich in dieser Stellung befunden, als ein leises Rascheln im Laub meine Aufmerksamkeit erregte. Ich blickte auf und sah aus dem Gebüsch den langen Körper einer Schlange hervorkommen. Bisher konnte ich ihren Schwanz, der durch das Gras verdeckt wurde, noch nicht bemerken, aber die Gestalt des Kopfes und die eigentümliche zickzackartige Zeichnung des Körpers überzeugte mich, dass ich eine gestreifte Klapperschlange vor mir sah. Sie kroch langsam zu einer offenen Stelle hin, augenscheinlich in der Absicht, ein Dickicht auf der anderen Seite zu erreichen. Wahrscheinlich hatte ich sie von dem Stamm aufgestört, wo sie sich gesonnt halte, und sie floh nun vor mir.

Mein erster Gedanke war, dem scheußlichen Tier zu folgen und es zu töten, doch da ich bedachte, dass ich mich, wenn ich es täte, den Blicken der Truthühner aussetzen müsste, so beschloss ich, zu bleiben, wo ich war, und es entschlüpfen zu lassen. Doch beobachtete ich die Schlange, während sie sich langsam weiterschleppte, wie sie denn immer sehr träge kriecht, bis sie sich ungefähr in der Mitte der Lichtung befand, worauf ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Vögel richtete, welche sich nun beinahe auf Schussweite genähert hatten. Als ich mich

eben zum Schießen fertig machte, drang ein sonderbares Geräusch, wie das Grunzen eines kleinen Schweines, von der Lichtung her zu meinen Ohren und veranlasste mich, wieder in jene Richtung zu schauen. Sogleich fielen meine Augen auf ein sonderbares kleines Tier, das eben aus dem Gebüsch herauskam.

Sein langer, spitzer Rüssel, seine schweineähnliche Gestalt, der Mangel eines Schweifes, sein hohes Kreuz und das weißliche Band längs der Schultern waren lauter Kennzeichen, deren ich mich erinnerte. Das Tier konnte nichts anderes sein als ein Pekari.

Während ich es noch mit neugierigen Augen betrachtete, kam ein zweites aus dem Gebüsch, dann noch eins und wieder eins, bis ich eine ziemlich große Herde vor mir sah. Als die Klapperschlange das Erste erblickte, hatte sie den Kopf platt auf die Erde geduckt und versuchte sich augenscheinlich voll Angst im Gras zu verbergen. Aber auf dem glatten Rasenfleck gelang ihr dies nicht. Das Pekari hatte sie bereits bemerkt, und im Augenblicke richtete es sich zu seiner vollen Höhe auf, sträubte seine Mähne und das ganze Haar an seinem Körper, sodass es nach allen Seiten aufrecht und borstig stand. Das Aussehen des Tieres hatte sich in einem Augenblick ganz verändert, und zu gleicher Zeit bemerkte ich einen unangenehmen Geruch, welchen das erzürnte Tier aus seinen Rückendrüsen von sich gab. Ohne sich länger als einen Augenblick zu besinnen, sprang es vorwärts, bis es nur noch drei Fuß vom Körper der Schlange entfernt stand. Da Letztere sah, dass sie sich nicht länger verbergen konnte, so ringelte sie sich zusammen und machte sich zur Verteidigung bereit. Ihre Augen funkelten in feurigem Glanz und das Rasseln ihrer Klappern ertönte fast ohne Aufhören, während sie ihren Kopf aufrichtete und zu wiederholten Malen in die Richtung ihres Feindes züngelte.

Bald kam nun auch die ganze übrige Pekariherde herbei, und in einem Augenblick hatte sie einen Kreis um das Reptil gebildet, das nun nicht wusste, auf welches zuerst es losfahren sollte, und deshalb fortfuhr, beständig den Kopf nach allen Seiten zu drehen. Die Pekaris standen mit hoch gekrümmten Rücken und zusammengezogenen Füßen wie zornige Katzen drohend und ein schrilles Grunzen ausstoßend da. Dann erhob sich eins von ihnen, ich glaube das zuerst herbeigekommene, plötzlich in die Luft und sprang heftig mit den fest zusammengehaltenen vier Hufen auf den zusammengerollten Körper der Schlange herab. Ein Zweites folgte in gleicher Weise und so mehrere andere, bis ich den langen Körper des Reptils aufgerollt und sich krümmend auf der Erde liegen sah.

Nach einer kurzen Weile war sie völlig zermalmt und zerquetscht. Nun packte die ganze Herde sie mit den Zähnen, riss sie in Stücke und verzehrte sie fast in einem Augenblick.

Von dem Erscheinen der Pekaris an hatte ich sogleich jeden Gedanken an die Truthühner aufgegeben und beschlossen, meine Kugeln in ganz anderer Richtung auszusenden. Truthühner konnte ich fast zu jeder Zeit haben, aber Pekaris zeigten sich nicht alle Tage. Ich stützte mich deshalb auf den Baumstamm, hob behutsam meine Büchse, suchte mir den größten Eber aus der Herde aus, zielte und gab Feuer.

Der Eber quiekte laut auf, alle übrigen stimmten mit ein. Gleich darauf sah ich den alten Burschen entweder tot oder schwer verwundet zur Erde stürzen. Hierauf, kaum nachdem sich der Rauch vor meinen Augen verzogen hatte, sah ich die ganze Herde von Pekaris, welche wider alle meine Erwartung keineswegs entflohen war, in vollem Lauf auf mich zukommen. In einem Augenblick war ich von einem dichten Gedränge zorniger Geschöpfe umringt, die wild nach meinen Beinen sprangen, ein schrillendes Grunzen ausstießen und ihre Zähne aneinander klappern ließen. Ich kletterte auf den höchsten Teil des Stammes, aber auch dieser gewährte mir keine Sicherheit. Die Pekari’, mich verfolgend, sprangen auch da hinauf. Ich schlug mit dem Kolben meiner umgekehrten Flinte auf sie los, aber sie umringten mich immer wieder, indem sie in die Höhe sprangen und nach meinen Beinen schnappten, bis kaum noch ein Fetzen von meinen Beinkleidern übrig blieb.

Nun sah ich wohl, dass ich mich in großer Gefahr befand, und strengte meine Kraft aufs Äußerste an. Wütend schwang ich meine Büchse um mich, aber wo eine der rasenden Bestien niedergeschlagen war, sprang gleich eine andere, ebenso entschlossene, an ihre Stelle. Ich konnte nichts dagegen tun, sondern schrie mit lauter Stimme um Hilfe, indem ich fortwährend verzweifelt um mein Leben kämpfte. Immer noch hielt ich mich auf dem höchsten Punkt des Stammes, da mich dort wenigstens nicht alle zugleich angreifen konnten. Trotzdem sah ich aber ein, dass ich eine bessere Verteidigung suchen müsse. Denn selbst bei dem erwähnten Vorteil wurden die Angriffe der Tiere so beharrlich fortgesetzt. Meine Anstrengungen, sie abzuhalten, waren so anstrengend, dass ich wirklich Gefahr lief, ihnen aus reiner Erschöpfung in den Rachen zu fallen.

Ich fühlte mich matt und schwach und begann bereits zu zweifeln, ob ich mit dem Leben davonkommen würde, da fühlte ich, wie meine Büchse, als ich sie gerade recht hoch über dem Kopf schwang, um meinen Schlägen Nachdruck zu geben, hinter mir gegen etwas anstieß. Ich wandte mich um und bemerkte den Zweig eines Baumes, der sich über meinen Standpunkt hinaus erstreckte. Ein neuer Gedanke erfüllte plötzlich meine Seele, der Gedanke, den Baum zu erklettern. Die Pekaris vermochten dies nicht, und auf dem Baum musste ich also sicher sein. Ich blickte in die Höhe. Der Zweig befand sich in Reichweite meiner Hand. Tief holte ich Atem, sprang mit aller mir noch innewohnender Kraft aufwärts, packte den Zweig, riss mich empor, und im nächsten Augenblicke kroch ich auf demselben entlang und saß, an den Stamm gelehnt, da. Erleichtert atmete ich auf, denn nun war ich in Sicherheit. Einige Zeit verging, ehe ich an irgendetwas anderes denken konnte, als zu ruhen und Atem zu schöpfen. Eine volle halbe Stunde blieb ich auf meinem Horst sitzen, ohne mich zu rühren. Von Zeit zu Zeit blickte ich auf meine Bedränger herab und sah, dass sie, anstatt davonzulaufen, noch immer da waren. Sie rannten rings um den Fuß des Baumes, sprangen an dessen Stamme hinauf und rissen die Rinde mit den Zähnen ab. Fortwährend stießen sie dabei ihr schrilles, widerliches Grunzen aus und der moschusähnliche Duft, welcher aus ihren Rückendrüsen ausströmte, erstickte mich fast. Deutlich genug sah ich, dass sie nicht die geringste Neigung zeigten, sich zurückzuziehen, sondern im Gegenteil ganz entschlossen waren, mich eine ordentliche Belagerung aushalten zu lassen. Von Zeit zu Zeit wandten sie sich zu der Stelle, wo ihr toter Kamerad auf dem Grase lag, aber sein Anblick schien sie in ihrem Entschluss nur zu befestigen, denn sie kehrten jedes Mal mit fast noch wilderem Grunzen zu mir zurück. Ich schmeichelte mir mit der schwachen Hoffnung, dass mein Freund nun munter sein und zu meiner Hilfe herbeikommen würde, aber bei näherer Überlegung fand ich es auch wieder nicht sehr wahrscheinlich, da er mich unmöglich eher vermissen konnte, bis meine lange Abwesenheit ihm sonderbar und auffallend erscheinen musste. Den Umständen nach konnte dies kaum eher als nach Einbruch der Nacht oder vielleicht gar erst am folgenden Tag stattfinden, denn es war gerade nichts Ungewöhnliches, dass ich mit der Büchse fortging und dann länger als fünfzehn bis zwanzig Stunden wegblieb. Mehrere Stunden lang saß ich so auf meinem unbequemen Platz, indem ich bald auf die rachsüchtigen Tiere unter mir schaute, bald wieder meine Blicke in der Hoffnung, irgendjemanden auszumachen, über das große Maisfeld schweifen ließ. Manchmal fuhr mir der Gedanke durch den Sinn, dass ich vielleicht wohl gar morgen noch nicht vermisst werden würde. Dann konnte ich vor Hunger oder Durst umkommen, woran ich in diesem Augenblick bereits heftig litt, oder ich musste jedenfalls doch so schwach werden, dass ich nicht mehr imstande sein würde, mich an dem Baum festzuhalten. Mein Sitz war keineswegs bequem. Der Baum war klein, der Zweig schwach, er schnitt mir bereits in das Fleisch. Ich mochte vielleicht aus Entkräftung gezwungen sein, loszulassen, und dann …

Diese Gedanken waren in der Tat fürchterlich. Als sie so meinen Geist bedrängten, schrie ich mit lauter Stimme, in der Hoffnung, dass ich gehört werden könnte. Bis zu diesem Augenblick hatte ich noch nicht daran gedacht, meine Büchse zu gebrauchen, obwohl ich sie wie aus Instinkt festgehalten und sogar mit auf den Baum gebracht hatte. Es fiel mir nun ein, sie abzufeuern, in der Hoffnung, dass mein Freund oder sonst jemand den Knall hören werde. Zu diesem Zweck stellte ich mich, so gut ich konnte, auf dem Zweig fest, lud sie mit Pulver und stand im Begriffe, sie in die Luft abzuschießen, als mir noch zu rechter Zeit einfiel, dass ich ja ebenso gut die Anzahl meiner Feinde damit verringern konnte. Also setzte ich eine Kugel auf das Pulver, zielte nach dem Kopf eines Pekari und streckte es glücklich zu Boden.

Nun fing ich an, zu hoffen, dass ich vielleicht die ganze Herde auf ähnliche Weise niederbringen könnte. Der Fall des Tieres hatte die Übrigen nicht im Geringsten erschreckt. Sie drängten sich nur noch dichter heran und streckten ihre Rüssel gegen mich auf, um mir so besser Gelegenheit zu geben, sie zu treffen.

Ich wiederholte das Laden und Feuern, und wieder hatte ich einen Feind weniger. Meine Hoffnungen stiegen. Ich zählte meine Kugeln und hielt das Pulverhorn gegen die Sonne. Noch besaß ich über 20 Kugeln und hinreichendes Pulver. Ich zählte auch die Pekaris. Sechszehn lebten noch, drei hatte ich getötet. Nun lud ich und feuerte immer fort, und nahm jedes Mal so sorgfältig mein Ziel, dass ich im Ganzen nur einen einzigen Fehlschuss tat. Als ich mit den Tieren fertig war, sprang ich von meinem Zweig herunter und stand auf einem Platz, der einem großen Schlachthof ähnlich war. Neunzehn Pekaris lagen tot rings um den Baum herum und die Erde war von ihrem Blut getränkt. In diesem Augenblick erschallte die Stimme meines Freundes. Als ich mich umdrehte, sah ich ihn mit erhobenen Händen und mit Augen, so groß wie eine Untertasse, dastehen.

Die Heldentat verbreitete sich bald durch die Ansiedlung und es ging ganz natürlich zu, dass ich zu jener Zeit als der größte Jäger in der Dreifaltigkeits-Niederung angesehen wurde.

Gleichwohl – mein Verdienst war nicht allzu groß.«