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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Alte vom Berge – Kapitel 22

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

XXII.

Mit Geschenken reichlich versehen, verließen die Liebenden auf einer gut bemannten und starken Galeere die Stadt Kahira. Da Hugo seine Entlassung vom Orden so sehnlich wünschte, so glaubte er auch bald fest daran, worin ihn Mirza auch noch bestärkte.

»Durch die Geschenke meiner Schwester«, sprach sie, »sind wir reiche Leute und können einen Teil davon dem Papst schenken, wodurch er gewiss deine Bitte erfüllen wird.«

»Denn wer gut schmiert, der fährt auch gut«, setzte Hugo noch hinzu, die Geliebte umarmend.

Der Wind war und blieb günstig, so lange die Fahrt dauerte. In einer herrlichen Nacht fuhren die Liebenden, von einigen Moslem begleitet, in einem leichten Kahn dem Ufer zu und stiegen freudig bei Gaze an Land.

Hugo überreichte dem Schiffsherrn ein Schreiben an den Sultan, worin er diesem nochmals herzlich für seine Großmut und Güte dankte, doch schilderte er den Aga, wo er als Sklave gewesen war, als den schrecklichsten Barbaren.

Da Mirza männliche Kleidung trug, so kaufte Hugo in der nächsten Stadt zwei Pferde, um recht bald den Ort zu erreichen, wo ein so schändlicher Verräter weilte.

Nicht weit vom Tempelhof bezog er mit ihr ein kleines Haus, um erst einige Erkundigungen über die Templer einzuziehen. Hugo war eitel genug, sich eine weltliche Ritterkleidung zu kaufen, in welcher er in der Stadt umher stolzierte. Das Neue seines jetzigen Lebens hatte zu viel Reiz für ihn. Eine halbe Woche verstrich, ehe er Lust zeigte, zum Tempelhof zu gehen, um den Blitz der Vernichtung auf das Haupt des Verräters zu schleudern.

So im völligen Ritterschmuck stand er, sich brüstend, eben in der Haustür, als Brömser von Pleissenburg vorüber ging und ihn erschrocken erkannte, doch glaubte er bald sich geirrt zu haben, weil er seine Erscheinung für unmöglich hielt.

Am Abend belauschte er den sicheren Hugo mit Mirza bei dem schwachen Schein einer Lampe und erhielt nun Gewissheit, denn er hörte deutlich seinen Namen aussprechen und Hugos Plan. Nun war guter Rat teuer. Sollte er in das Haus dringen und Hugo an der Seite seiner Geliebten ermorden? Nein! Dieses Unternehmen schien ihm zu gewagt. Er überdachte sogleich einen anderen Plan und eilte in dieser Angelegenheit in den Tempelhof zurück.

Das Gemach des Großmeisters war noch erleuchtet. Er ließ sich melden und wurde vorgelassen.

»Verzeiht, Hochwürdigster, wenn ich störe«, begann er, »ich komme in einer wichtigen Angelegenheit, die ich unmöglich bis morgen aufschieben kann. Ihr werdet Euch erinnern, dass kurz nach Eurer Ankunft hierselbst aus der Sklaverei der Marschall Hugo von Maltiz eines Abends mit mir beim Ölberg lustwandelte.«

»Und von den Sarazenen gefangen wurde«, fiel hastig der Großmeister ein.

»Offenherzig muss ich Euch jetzt gestehen«, fuhr der Schändliche fort, »ich belog Euch damals, denn ich schämte mich, der Freund eines so schändlichen Menschen zu sein, wie dieser Hugo. Hört und erstaunt! Der Marschall der Templer bat mich mit ihm zu den Sarazenen überzugehen und ihre Religion anzunehmen. Als ich mich aber dagegen fest erklärte, so sprangen aus dem nächsten Gebüsch viele Sarazenen und versuchten mich gefangen zu nehmen, doch entwischte ich glücklich. Noch in weiter Ferne vernahm ich Hugos Gelächter über meine Einfalt, wie er sagte. Um den Orden nicht zu beschimpfen und Euch, Hochwürdigster, keinen Ärger zu machen, so sagte ich damals, Hugo wäre geraubt worden.

Auch würde ich dies Geheimnis nimmer verraten haben, wenn es nun die Pflicht nicht erforderte. Dieser Schändliche ist nun hier mit einer Heidendirne, wahrscheinlich als Spion, oder die Sarazenen haben ihn fortgejagt.«

»Lasst ihn ergreifen, den Verdammten der Hölle«, polterte der Großmeister, »ich will ein schreckliches Beispiel mit ihm aufstellen. Ihr habt mir aber doch die reine Wahrheit gesagt?«, setzte er etwas misstrauisch hinzu.

»Ich verpflichte mich, den Schwur des Ordens zu leisten«, entgegnete jener etwas zagend.

»So eilt, den Abtrünnigen zu erhaschen, ich will sogleich das Kapitel zusammenberufen lassen«, meinte der Großmeister.

Noch saß das Pärchen fest umschlungen auf derselben Stelle, als Brömser mit einigen Rittern und Waffenträgern in das Gemach stürzte. Sogleich wurde Hugo, trotz seinem Sträuben, zu Boden geworfen und mit Ketten belegt. Vergebens schrie, flehte und rang Mirza die Hände, um Gnade für ihren Geliebten. Brömser flüsterte ihr einige Worte ins Ohr, worauf sie sich mit Abscheu von ihm wandte. Hierdurch gereizt, gab er Befehl, auch sie festzunehmen, allein die Angst verlieh ihr Stärke. Mit Kraft stieß sie einige Waffenträger auf die Seite und erreichte glücklich die Straße.

Hugo versuchte seine Unschuld zu beweisen, doch waren Schmähungen die Antwort.

Noch war das ganze Kapitel nicht versammelt, als Hugo eingeführt wurde. Er raffte allen seinen Mut zusammen und blickte mit Stolz auf die Häupter des Ordens. Endlich erschien der Großmeister und setzte sich seufzend auf seinen Sessel. »Hugo von Maltiz«, begann er, »Ihr seid schwerer Verbrechen angeklagt. Der Kläger trete sogleich vor!«

Da trat Brömser zu dem Großmeister und legte zu dessen Füßen sein Schwert. »Ich klage«, begann er, »den Templer Hugo von Maltiz der Abtrünnigkeit vom Glauben an und der Buhlerei mit einer Heidendirne.«

»Erklärt Euch deutlicher«, sprach der Großmeister.

»An jenem Abend«, fuhr Brömser fort, als ich mit Hugo lustwandelte, machte er mir den Vorschlag, meinen Glauben abzuschwören und mit ihm zu den Sarazenen überzugehen!«

»Schändlicher, verfluchter Lügner«, fiel Hugo wütend ein.

»Mäßigt jetzt Eure Zunge!«, befahl der Gebieter.

Brömser fuhr fort: »Da ich in Hugos Vorschlag nicht einwilligte, so verhöhnte er mich auf jede Art. Die Sarazenen, welche schon auf den Verräter lauerten, versuchten mich sogar zu fangen, doch entkam ich glücklich. Da ich mich eines solchen Freundes schämte und dem Orden keine Schande machen wollte, so gab ich vor, Hugo wäre geraubt worden. Ferner hat sich besagter Hugo wieder hierher gewagt, wahrscheinlich als Spion, und hat Buhlerei mit einer Heidendirne getrieben, wovon mehrere Brüder Zeugen sind!«

»Was habt Ihr darauf zu Eurer Verteidigung zu sagen?«, fragte der Großmeister.

»Sehr viel« entgegnete Hugo, »dieser schändliche Brömser hatte früher die Wahrheit gesagt, denn ich wurde wirklich geraubt. Zur Behauptung meiner Aussage will ich den Eid des Ordens schwören. Ich bin noch ein Christ und werde es ewig bleiben. Durch Zufall wurde ich aus meiner Sklaverei befreit und komme hierher, dem Orden das schändliche Verfahren dieses Brömsers mitzuteilen, als er mich entdeckt und es, wahrscheinlich durch seine Lügen, so weit brachte, dass ich als ein Verbrecher hierher gebracht wurde.«

»Ihr verlasst Euch auf das Leugnen«, spottete der Großmeister, »weshalb bei Euch wohl schärfere Mittel angewandt werden müssen. Leugnet Ihr auch die Buhlschaft mit der Heidendirne ab?«

»Nein, dies leugne ich nicht«, erwiderte er, »denn ich hoffte die Dispensation vom Ordensgelübde zu erhalten.«

»Hauskomtur«, fragte der Großmeister, »was steht in unseren Statuten für eine Strafe gegen denjenigen, der in verbotenem Umgang mit einer Nonne oder Heidendirne lebt?«

Die Antwort war: »Wer so etwas treibt, soll lebendig eingemauert oder nach St. Jean d’Acre gegeißelt und dort auf ewig eingekerkert werden.«

»Um Aufsehen zu vermeiden, ist es mein Wille« sprach der Gebieter, »dass dieser Hugo noch heute eingemauert wird. Hat jemand eine Einwendung dagegen zu machen?«

»Nein! nein!«, ertönte es von allen Seiten, »es ist recht gerichtet.«

Da trat Hunfred von Gassert vor. »Ehrwürdige Versammlung«, sprach er, »es ist zwar wie gebräuchlich rasch über den Marschall Hugo von Maltiz gerichtet worden, doch wäre eine genaue Untersuchung gegen den Turkopolier Brömser sehr zu wünschen.«

»Ich bin rein und unschuldig«, fiel Brömser zagend ein, »wer kann in dieser Sache gegen mich zeugen?«

»Mein Freund Hugo von Maltiz« entgegnete mit fester Stimme Hunfred.

»Dieser Zeuge kann nicht angenommen werden«, entgegnete der Großmeister, »weil er der gröbste Verbrecher ist.«

»Wenn man den ehemals so geachteten Marschall Hugo nicht glauben will, wem soll man wohl anders glauben?«, fragte jener zürnend.

»Ihr seid parteiisch«, rief der Großmeister, »nach unseren Statuten kann Hugo nicht zeugen, weil, wie schon gesagt, er der gröbste Verbrecher ist. Wo ist die Heidendirne?«

»Die ist uns entwischt«, erwiderte Brömser.

»Ich bitte um Aufschub meiner Strafe«, sprach Hugo.

»Von den Gesetzen weiche ich nicht ab«, entgegnete der Gebieter, »noch in dieser Nacht werdet Ihr eingemauert. Der älteste Komtur möge den schwarzen Stab brechen.«

Da trat ein ehrwürdiger Greis gegen die Versammlung, hielt einen schwarzen Stab in die Höhe und fragte dreimal: »Ist recht gerichtet?« Und als die Antwort »Ja!« ertönte, so bebte der Held im Inneren zusammen und musste sich an einem Tisch halten. Indem entstand im Vorzimmer ein Geräusch. Noch war der Stab nicht gebrochen. Die Tür flog auf und hereintrat der Patriarch von Jerusalem, Mirza und eine verschleierte Dame.

Mirza stürzte sich an Hugos Brust, während sie jauchzte: »Du bist frei!«

Der Patriarch überreichte dem Großmeister Hugos Dispensation vom Ordensgelübde, welches schon vor mehreren Monaten in Rom ausgefertigt worden war. Sprachlos vor Erstaunen betrachteten die Templer die Fügungen des Geschicks. Brömser trat, am ganzen Körper zitternd, zurück. Des Ex-Marschalls Fesseln fielen. Nun konnte er nun gleich gegen Brömser auftreten, doch wollte er diese heilige Stunde nicht entweihen.

»Hugo ist zwar durch die Dispensation von der Strafe wegen seiner Buhlschaft befreit«, sprach der Großmeister nachdenkend, »doch der Strafe als Verräter und Überläufer kann er nicht entgehen. Wer wagte es, ihn von den Ketten zu befreien? Legt sie ihm wieder an!«

Der Patriarch winkte, dies nicht zu tun. »Hier ist eine Zeugin«, sprach er feierlich, »gegen den Turkopolier Brömser. Besagter Brömser hat diesem unschuldigen Mädchen die Ehe versprochen, sie zur Stillung seiner Lüste gebraucht und zuletzt mit einem Dolch in die Brust gestoßen. Die Vorsicht aber wachte, denn der Stoß war nicht tödlich.«

Indem hob das Mädchen den Schleier in die Höhe.

Brömser erstarrte fast zur Bildsäule. Plötzlich ermannte er sich. »Ich bin verloren«, kreischte er, »fahre hin meine Seele in die Hölle!« Mit diesen Worten stürzte er sich zum Fenster hinaus in den tiefen morastigen Graben.

Man stieg sogleich mit Leitern in den Graben, aber der Bösewicht war nicht mehr am Leben. Auf einem Steine hatte er das Haupt zerschmettert.

Ausführlich erzählte noch in derselben Nacht das unglückliche Mädchen die Schändlichkeiten Brömsers.

»Bin ich nun gerechtfertigt?«, fragte Hugo zur Versammlung gewendet.

Alle Brüder kamen hierbei, umarmten und küssten ihn.