Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel IX

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

IX. Am Fluss Llano. Davis̓ Tod

Gegen neun Uhr abends erreichten wir den Fluss Llano, welcher zwischen hohen Bergen fließt. Ich nahm meinen Sattel ab, ließ das Pferd gehen, warf meinen Karabiner hin und dummer Weise auch meinen Revolver, nahm den Feldkessel und kletterte unbewaffnet das Ufer des Flusses hinab, um Wasser zum Abendbrot zu holen. Als ich mich neben einen großen Felsen kniete, um meinen Kessel zu füllen, sprang auf einmal ein großer Puma über mich weg in den Fluss, wo er vor mir stand und lauerte. Aufspringen, ihm den Kessel an den Kopf werfen und ausreißen wie der Blitz, war das Werk eines Augenblicks. Oben angelangt, bewaffnete ich mich und ging in Begleitung von einigen Freunden wieder zurück. Der Panther war fort. Den Kessel fanden wir erst nach langem Suchen wieder, da er ein Stück flussabwärts geschwommen, sich dann mit Wasser gefüllt und gesunken war. Etwas später fing das Tierleben an, rege zu werden Von allen Seiten her ertönte das Gebrüll oder vielmehr Geschrei der Pumas, welche sich sehr nahe ans Lager wagten. Dann erfüllte das Geheul der Wölfe und Kojoten die Luft. Große Eulen flogen herum, ihr schauerliches u, u, u, uah, uah ausstoßend. Tausende von anderen Tieren und Nachtvögeln taten ihr Bestes, um das Riesenkonzert so geschmackvoll wie möglich zu machen. Die Wachen um die Pferde mussten verstärkt werden, da diese die Nähe der Pumas sehr scheu und unruhig machte. Feuer brannten die ganze Nacht, was sie etwas beruhigen half.

Am nächsten Tag wollten wir hier rasten, um den Pferden etwas Ruhe zu geben, die während der letzten Tage sehr angestrengt waren. In aller Frühe machten sich die Kameraden, ausgenommen die Wache, auf den Weg, um zu jagen, zu fischen und die Gegend zu explorieren. Meine Partie ging flussaufwärts, wo wir einige sehr große Höhlen fanden, besonders eine, in die wir beinahe eine Meile weit hineingingen, bis unsere Lichter ausgebrannt und wir genötigt waren, den Rückzug anzutreten. An Ungeziefer fehlte es darin nicht, denn wir fanden Schlangen, Eulen, Stinktiere und allerhand kleinere Raubtiere. Auch erlegten wir einen schwarzen Bären und eine Wildkatze. Gegen Mittag gingen wir zum Camp zurück, um die Pferde zu tränken und selbst etwas zu genießen. Unsere Tafel war reichlich mit Fisch, Wildbret und Geflügel versehen. Nachmittags ging ich hinunter, um im Fluss zu baden. Das Bett des Flusses bestand aus ganz flachem Kalkstein, so schön und eben wie der Boden eines Zimmers. Das Wasser war ungefähr einen Fuß tief, hier und da Bassins im Stein ausgewaschen, in welchen das Wasser fünf bis sechs Fuß tief so hell und rein wie Kristall stand. Ein solches hatte ich mir zum Baden ausgesucht. An beiden Seiten des Flusses standen steile Felswände neunzig bis hundert Fuß hoch mit nur hier und da einer Unterbrechung, durch die man zum Fluss gelangen konnte. In einer dieser Felswände hatten die Jungen Bienen entdeckt, welche sich in einer Felsenspalte ansässig gemacht hatten. Sie wollten nun den Honig haben. Zwei junge Kerle, Davis und Funk, kletterten von oben hinab. Dort standen sie auf einem drei Zoll breiten Felsenrand, etwa achtzig Fuß über dem Flussbett, wo sie sich nur an kleinen Sträuchern und Wurzeln festzuhalten vermochten. Ich saß unten im Wasser, eine Pfeife rauchend, während einige andere sich die Sache von oben betrachteten. Es wurden von allen Seiten schlechte Witze gemacht und jeder war im besten Humor. Davis, der den Honig mit seinem Arm nicht erreichen konnte, wandte sich, um nach einem Stock zu suchen, als der weiche Kalkstein unter seinem Fuße brach und er den Abgrund hinabstürzte. In Fallen klammerte er sich an einen Felsblock, der ebenfalls fiel und durch sein Gewicht den Kopf erst hinabriss. Es gab einen dumpfen Schlag, als er auf dem Boden des Flusses anlangte. Er fiel auf die Brust und prallte einige Fuß wieder in die Höhe. Das Felsstück, welches er noch im Arm hielt, schnitt ihm den ganzen Backen entzwei. Ich sprang schnell hinzu, hob ihn etwas in die Höhe und sah, dass er innen stark verletzt sein musste, da ihm das Blut aus Mund und Nase lief. Inzwischen waren mehrere herbeigeeilt. Wir trugen ihn bewusstlos ins Lager, wo wir ein Bett bereiteten und ihn darauf legten. Funk, der mit ihm war, als er fiel, und den es so schwindelte, als er ihn fallen sah, dass er sich selbst nicht mehr halten konnte, wäre ohne Zweifel auch herabgestürzt, hätte ihm Valentin nicht schnell ein Lasso zugeworfen und ihn mit Hilfe anderer hinaufgezogen. Da wir keinen Arzt hatten, so war es eine traurige Geschichte für den armen Davis. Die Nacht saß ich bei ihm bis zwölf Uhr, und mit dem Lärmen der Raubtiere außen und dem Fantasien des armen Kerls war es eine Nacht, wie man sie nicht leicht vergisst.

Am Morgen wurde Tragbahre angefertigt und an zwei Maultieren befestigt. Davis wurde hineingelegt und wir traten unsere Reise an. Über hohe Berge mussten immer einige Mann absteigen und die Bahre tragen, da die Maultiere ihn über Felsenblöcke geschleift haben würden. Es war eine furchtbare Hitze und Fliegen waren massenweise da, sodass der arme Davis viel zu leiden hatte und fortwährend nach Wasser rief. Kein Mann berührte seine Feldflasche, obwohl jeder Durst hatte, sondern alles Wasser wurde den Tag über dem Kranken gegeben. Am dritten Abend erreichten wir Taylor Town, eine Ansiedlung von vier Häusern. Hier ließen wir Davis zurück, während das Kommando den Weg nach Camp Verde antrat. Dort angekommen, wurde ich sogleich kommandiert mit zwei Mann nach Taylor Town zurückzugehen, um Arzneien und eine Flasche Brandy für Davis zu überbringen. In aller Frühe waren wir auf dem Weg. Nach einem starken Ritt hielten mir gegen Mittag eine halbe Stunde, um die Pferde etwas zu rasten und uns selbst zu erfrischen. Als wir so im Schatten einiger großer Bäume saßen und uns das Pfeifchen schmecken ließen, kam eine Herde wildes Vieh uns ganz nahe. Auf einmal hörten wir einen furchtbaren Schrei. Als wir aufsprangen, sahen wir einen großen Puma, der vom Baum auf eine Kuh gesprungen war und ihr mit einem Schnapp das Rückgrat entzweigebissen hatte. Im Augenblick gingen drei Schüsse los und der Puma rollte tot auf die Seite. Nachdem wir die Kuh vollends getötet hatten, zogen wir dem Puma das Fell ab. Er war neun Fuß von tip to tip.

Nun ging der Krawall los. Wir hatten alle drei geschossen, das Tier hatte aber nur eine Kugel im Kopf. Jeder behauptete, dass das sein Schuss wäre, und dass die anderen nicht getroffen hätten. Man sprach von Duellen mit Pistolen und Messern, man sprach von Durchprügeln, und verschiedene Pläne wurden entworfen, aber keiner wollte nachgeben. Man beschloss endlich, das Fell zu verkaufen und das gelöste Geld gemeinschaftlich zu versaufen, was unbedingten Beifall fand und später auch ausgeführt wurde. Nachdem wir noch die besten Stücke Fleisch aus der Kuh geschnitten hatten, traten wir die Reise wieder an und erreichten Taylor Town am Abend, fanden Davis aber tot. Er war gar nicht zur Besinnung gekommen. Am nächsten Tag begruben wir ihn. Da die mitgebrachte Flasche Brandy ihm nicht mehr helfen konnte, so wurde beschlossen, dass wir sie selbst vertilgen wollten. Infolgedessen wurden große Kessel Wasser heiß gemacht und ein ausgezeichneter Punsch gebraut. Wenn ein Wanderer während dieser Nacht durch die Llano-Berge gezogen wäre, so hätte er eines der schauerlichsten Konzerte, das so aus menschlichen Kehlen kam, gehört, denn der Punsch hatte uns furchtbar musikalisch gestimmt. erst in später Stunde suchten wir unser Lager auf. Nächsten Tag kehrten wir nach Camp Verde zurück. Ich rapportierte dem Doktor, dass das Packpferd gestürzt sei und die Brandyflasche zerbrochen wäre, worauf er ein Auge zudrückte und So, so sagte.

Dann traten wir für einige Tage wieder den gewöhnlichen Garnisondienst an. Eines Morgens, als wir um das Feuer saßen, wollte ich ein Stück Holz darauf werfen, aber gerade auf dem Stück, das ich wünschte, saß mein Freund Deamers. Da er sich nicht aufbemühen wollte, so half ich ihm etwas nach. Ganz wild sprang er auf und forderte mich zum Zweikampf auf. Ich benachrichtigte ihn, dass ich nach dem Frühstück zu seinen Diensten stände, aber vor dem Frühstück es nicht riskieren wollte, ein Paar Zähne zu verlieren. Ich nahm mir Zeit zum Essen, besonders da ich bemerkte, dass Deamers in einer sehr großen Aufregung sich befand. Nachdem ich noch einen extra Becher Kaffee getrunken hatte, meldete ich mich als fertig und wir gingen hinaus auf einen freien Platz, von der ganzen Kompanie begleitet. Dort stülpte Deamers seine Hemdärmel auf und fragte mich, nachdem er sich so viel wie möglich dem Ansehen eines Metzgers gleichgemacht hatte, ob ich fertig sei. Ich bat um noch einen Augenblick, holte meine Pfeife aus der Tasche und zündete sie an, worauf ich Deamers mit einer höflichen Verbeugung bat, er möchte nun die Güte haben loszuschlagen. Ich hatte mich nicht verrechnet. Deamers, der sowieso kein rechter Krieger war, wurde nun durch mein kaltblütiges Betragen in großen Schrecken versetzt und sah sich schon im Geiste mit gebrochenen Rippen und allgemein verstümmelt. Er hätte gerne das Kämpfen aufgegeben, aber die Zuschauermenge stieß ein Hurra nach dem anderen für Sombrero aus und rief ihm zu, darauf loszugehen. So drückte er endlich in der Verzweiflung beide Augen zu und fing an, loszuschlagen. Da er aber in einer furchtbaren Aufregung war, so schlug er immer um und neben mir in die Luft. Ich, der trotz aller Anstrengung von seiner Seite nicht in Wut zu bringen war, rührte ihn gar nicht an, sondern parierte bloß hier und da einen Hieb, der mir zu nahe kam. Als er endlich aus Erschöpfung einen Augenblick innehalten musste, ersuchte ich ihn um ein Zündholz, da meine Pfeife ausgegangen war, was so viele Hurrarufe und Heiterkeit verursachte, dass Deamers sich als besiegt erklärte und mir die Hand reichte, worauf ich ihn im Arm nach Hause führte. Die Zuschauer haben nie dieses Duell vergessen, und nach Jahren wurde es noch den Leuten erzählt, wie Sombero den Deamers besiegt hatte.

Wir waren nun sehr beschäftigt in Camp Verde, da wir neue Häuser zu bauen hatten. Indessen ging es immer lustig zu. Wir hatten einen Sergeant in der Kompanie, der etwas stolz war und durchaus nicht beliebt. Als er eines Abends ziemlich viel getrunken hatte und daher fest schlief, hoben wir ihn mit Bettstatt und Zubehör auf und trugen ihn über den Paradeplatz vor die Haustür des Obersten, ihn dort der Ruhe überlassend, nahmen aber sämtliche Kleidungsstücke zurück in das Quartier. Bei Sonnenaufgang wurde Reveille geblasen und unser Sergeant Brennan sprang aus dem Bett. Aber groß war sein Erstaunen, als er weder Kleider noch Stiefel hatte und sich auf dem Paradeplatz fand. Die Offiziere waren bereits vor ihren Häusern und schauten diese fremde Erscheinung mit Verwunderung an. Brennan wurde desperat. Sich eine Decke umwerfend, eilte er in großen Sätzen über den Paradeplatz, wo er halbwegs die Decke verlor und den übrigen Weg im bloßen Hemd zurücklegte. Nachdem er sich angekleidet hatte, schwor er blutige Rache gegen die Missetäter. Da ihn aber niemand belehrte, wer es getan hatte, so wurde sie nie ausgeführt.