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Gold Band 3 – Kapitel 7.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 3
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 7.2

Überall standen hier einzelne Gruppen von Männern beisammen, die mit dem dämmernden Abend die Vorgänge des heutigen ereignisreichen Tages besprachen.

Am Anfang hatte man sich noch für die Mexikaner interessiert; aber diese mochten vielleicht gefürchtet haben, dass die Amerikaner sie mit einbrechender Nacht noch einmal angreifen würden. Oder hatten sie sich auch geschämt, nach ihrer Niederlage noch länger hier zu bleiben? Kurz, bald nach Mittag waren die Letzten die Flat hinab in die Berge hineingezogen und keiner von ihnen mehr auf dem weiten Plan zu sehen. Seit diese übrigens verschwunden, nahm der entdeckte und aufgegriffene Mörder des Amerikaners – denn dass er es wirklich sei, daran zweifelte niemand – die Aufmerksamkeit der Leute völlig in Anspruch. Und Siftly, von dem sich Boyles in der Stadt trennte, verweilte hier und da bei den einzelnen Gruppen, um zu hören, was darüber gesprochen wurde.

Die Männer schienen übrigens ziemlich allgemein der Ansicht, dass die Jury am nächsten Morgen zusammenberufen würde, und gegen Abend konnte man ihn dann hängen. Was nämlich seine Auslieferung an die District Court betraf, so schwor Briars und dessen Gefährten, dass sie verdammt sein wollten, wenn das geschehen sollte. Sie wären hier Manns genug, mit solch einem australischen Sträfling fertig zu werden. Und wenn die Advokaten in den District Court Futter haben wollten, sollten sie es sich selber verschaffen.

Mit dem gehörten Resultat ziemlich zufrieden und nun wieder sogar in weit besserer Laune als vorher, dachte Siftly nun auch an seine eigenen Pläne. Zu denen brauchte er vor allen Dingen Hetson, den er auch ohne Weiteres aufsuchte.

Die Sonne war schon hinter den waldigen Bergen verschwunden. Als das letzte rosige Licht die höchsten Wipfel der Zedern, Kiefern und den Wald mit Grau färbte, legte sich auch die Nacht mit dunklem Schleier schon ins Tal. Als Siftly deshalb des Alkalden Zelt betrat, war es in dem inneren Raum desselben schon fast dunkel. Nur beim Zurückwerfen der Leinwand erkannte er die noch immer am Tisch sitzende Gestalt des Freundes.

»Hetson, schläfst du?«

»Nein, bist du das, Siftly?«

»Allerdings, aber was zum Wetter sitzt du denn hier im Dunklen und träumst. Zünde ein Licht an oder noch besser mach einmal mit mir einen Spaziergang durch die Stadt, denn ich möchte etwas mit dir bereden, das die Nachbarzelte gerade nicht zu wissen brauchen.«

Hetson, ohne ihm ein Wort darauf zu erwidern, ohne sich zu bewegen, blieb noch eine ganze Weile in seiner Stellung. Endlich stand er auf, ergriff seinen Hut und folgte dem vorangehenden Spieler ins Freie.

Dort schob Siftly ziemlich ungeniert seinen Arm unter den des Richters. Mit ihm die Straße hinabschlendernd sagte er: »Ich habe schon heute Morgen mit dir von dem Akkord gesprochen, den ich mit deinem alten Spanier über Manuelas Spiel abgeschlossen habe, und möchte ich nun bitten, dem Mädchen anzubefehlen, dass sie sich in etwa einer Stunde bereithält. Sie wird hoffentlich keine Umstände machen.«

»Du hast schon mit mir darüber gesprochen?«, sagte Hetson, ihn erstaunt ansehend.

»Allerdings«, konstatierte Siftly, »aber du hattest gerade andere Dinge im Kopf und magst es vielleicht überhört haben. Die Sache ist übrigens außerordentlich einfach, denn Señor Ronez …«

»Ich kenne die Einzelheiten«, unterbrach ihn Hetson, »und zwar von Don Alonso selber. Übrigens ist es mir lieb, dass du das Gespräch darauf bringst, da auch ich darin eine Bitte an dich habe.«

»Und die wäre?«, fragte Siftly, die Brauen finster zusammenziehend.

»Einfach diese. Don Alonso hat mit dir gespielt, obwohl ich dich dringend gebeten hatte, den unglückseligen Menschen dazu nicht mehr zu verleiten.«

»Verleiten? Was kümmert mich der Spanier? Wenn er Tor genug ist, mir sein Gold zu bringen, soll ich es zurückweisen? Und hat er nicht dieselbe Chance wie ich, mir das meine abzugewinnen?«

»Wir wollen darüber jetzt nicht richten«, entgegnete Hetson ruhig. »Don Alonso konnte auch sein Gold verspielen, so viel er wollte, aber er hat etwas auf eine Karte gesetzt, worüber ihm kein Recht zusteht: die Freiheit seiner Tochter.«

»Bah, Freiheit«, rief Siftly, dabei abwertend lachend. »Es will sie ihm niemand abkaufen. Die ganze Sache handelt sich nur um ein paar Stunden, die sie abends in meinem Zelt spielen soll. Übrigens ist Manuela noch nicht mündig. Deshalb steht ihm allerdings ein Recht über sie zu.«

»Auch das wollen wir hier nicht erörtern«, sagte Hetson, »meine Bitte nur geht an dich, dem Spanier seinen Einsatz nachzusehen und dafür das an Bargeld zu nehmen, was du gegen ihn gewagt hast.«

»Verdammt, wenn ich es tue«, rief Siftly, Hetsons Arm loslassend. »Wir sind beide keine Kinder mehr, die um Bohnen oder Zahlpfennige spielen. Wir beide wussten genau, was der Satz bedeute, ehe die Karte fiel. Dass es ihn nun gereut, ist seine Sache, nicht meine.«

»Manuela weigert sich zu spielen.«

»Das habe ich mir etwa gedacht«, höhnte Siftly, »die alte Geschichte, die ihr aber hier so wenig helfen wird wie in San Francisco. Dafür haben wir die Gesetze, dass sie für uns Amerikaner das Recht den Fremden gegenüber aufrechthalten.«

»Du könntest dich in diesem Fall irren«, erwiderte Hetson. »Unsere kalifornischen Gesetze sind nicht mit denen der Vereinigten Staaten überall gleichlautend und zu Gunsten der spanischen Rasse als den früheren Eigentümern des Bodens manches geändert oder nachsichtig behandelt, was in ihre Sitten und Gewohnheiten eingreift. Nimm allein das Hasardspiel selber, das in den Staaten drüben bei schwerer Strafe verboten wird, während es hier der Gesetzgebung nicht einfällt, es zu verhindern.«

»Sie wissen auch warum«, konterte der Spieler höhnisch lachend, »sie sollten es versuchen. Aber was streiten wir uns hier um Spreu. Die Sache ist abgemacht, unter volljährigen vernünftigen Männern abgemacht, zehn oder zwölf Zeugen außerdem dabei. Es ist unnötig, ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Tu mir also den Gefallen und setze der Dirne gleich den Kopf ein wenig zurecht, dass sie ihr albernes Sträuben aufgibt. Ändern kann sie doch nichts an der Sache.«

»Wenn ich dich aber nun bitte, mir zu liebe von deinem vermeintlichen Recht abzustehen und die Sache in Güte beizulegen. Wir haben jetzt Unruhe genug im Lager, sie noch unnötigerweise zu vergrößern.«

»Dann tut es mir leid, dir die Bitte abschlagen zu müssen, »sagte Siftly trocken. »Ich bin in meinem Recht und wenn es nicht anders geht, will ich die stolze Dirne zwingen, sich dem zu fügen.«

»Und du verweigerst also den Einsatz, den ich dir voll und gleich auszahlen würde?«

»Ich verweigere den Einsatz, allerdings«, erwiderte Siftly, »und verlange, dass das Mädchen heute Abend in meinem Zelt spielt.«

»Dann tut es mir leid, dir mitteilen zu müssen«, sagte Hetson ruhig, »dass das nicht geschehen wird, wenigstens nicht so lange ich hier Alkalde im Paradies bin.«

»Und du vergisst dabei, durch wen du es geworden bist«, rief Siftly in rasch aufloderndem Zorn.

»Durch wen? Durch die Wahl der Bürger«, lautete die kalte Antwort.

»Die aber im Leben nicht auf dich gefallen wäre«, zischte Siftly, »wenn ich sie nicht dahin gelenkt hätte. Bedenke, dass ich das, was ich aufgerichtet habe, auch wieder zerstören kann.«

»Ich glaube, Du misst dir da mehr Kräfte zu, als du wirklich besitzt«, gab der junge Mann lächelnd von sich. »Wenn dem aber auch wirklich so wäre, was täte es? So lange ich hier diese Ehrenstelle bekleide, werde ich auch ihre Rechte wahren.«

»Damit etwa, dass du die Rechte der Amerikaner mit Füßen treten willst? Eine verdammt pfiffige Auslegung deiner Stelle. Außerdem fürchte ich fast, dass du dabei ein klein wenig zu viel auf deine Macht und deine eigenen Kräfte vertraust. Sollte dein heutiger, so unerwarteter Erfolg dich so übermütig gemacht haben? Bedenke, dass du damit noch nicht am Ziel bist.«

»Die Mexikaner sind zerstreut«, sagte Hetson gleichgültig, »und werden es wohl unterlassen, wenigstens mit uns einen zweiten Versuch zu machen.«

»Ich rede nicht von dem feigen Gesindel«, sagte finster der Spieler. »Wenn Ihr nur eine Büchse zwischen den Zelten abgefeuert hättet, würde es denselben Erfolg gehabt haben.«

»Und wovon sonst?«, fragte Hetson, aufmerksam werdend.

»Von deinem glücklichen Fang«, erwiderte Siftly, »zu dem ich dir unter anderen Umständen von Herzen gratuliert haben würde.«

»Ich weiß nicht«, sagte Hetson finster, ob ich das, was du einen Fang nennst, gerade für ein Glück betrachten soll. Ich selber habe aber nichts damit zu tun. Der Mann steht unter dem Gesetz und wird frei oder bestraft, je nachdem ihn das für schuldig findet.«

»Ja, wir kennen das«, bestätigte der Spieler und lächelte dabei. »Aber wenn er nun frei ausgeht? Wenn er durch diese unschuldige Gefangenschaft und Lebensgefahr – denn bei den Weibern spielt nun einmal das Mitleid eine fast noch größere Rolle als die Liebe – deine Frau nur so viel interessanter, so viel teurer geworden wäre?«

»Siftly!«

»Denke dir, ich träte am Ende selber auf und bezeugte, dass der Bursche das Stück Gold von mir bekommen hätte – habe ich doch in der letzten Zeit in den verschiedenen benachbarten Minen eine ganze Anzahl ziemlich wunderlich geformter Stücke den Mexikanern abgewonnen. Kann das nicht darunter gewesen sein? Glaubst du, es würde einer die Frechheit haben, mich des Mordes zu beschuldigen? Denk dir, dass ich das – wenn nicht dir oder dem Burschen – doch deiner Frau vielleicht zuliebe täte.«

»Siftly«, sagte da Hetson, indem er stehen blieb und des Spielers Arm ergriff. »Ich weiß nicht, in wie weit du fähig wärest, ein falsches Zeugnis abzugeben. Ich glaube, du machst dich da in tollem Übermut schlechter, als du bist. Wärest du aber imstande, mir den wahren und echten Beweis zu bringen, dass jener unglückliche Mann unschuldig ist, so wollte ich dir mit vollem Herzen danken und dich segnen.«

Siftly sah den Mann erstaunt an, als ob er hinter den Worten eine List vermute. Plötzlich, aber kurz abbrechend, rief er aus: »Wahnsinnig genug wärest du am Ende dazu, und der Teufel mag aus dir klug werden. Doch jetzt zum letzten Mal: Willst du mir zu meinem Recht kraft deines Amts und deiner Autorität mit der Dirne verhelfen?«

»Nein, du hast mein letztes Wort.«

»Also soll ich mir selber helfen?«

»Versuch es, aber beim ewigen Gott, der, der mein Zelt ohne meine Erlaubnis oder in gewalttätiger Absicht betritt, stirbt von meiner Hand.«

»Bah«, gab der Spieler verächtlich lachend von sich, »so viel für deine Drohung. Da du aber den Frieden mit mir verweigerst, so nimm denn, was du haben willst, Krieg; aber, dass wir noch Männer im Lager haben, will ich dir beweisen.«

Seine Serape um die Schulter schlagend, ließ er den Richter allein im Weg stehen und schritt rasch die dunkle Straße hinauf, Kentons Zelt zu.

 

***