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Der Konstanzer Hans Teil 21

W. Fr. Wüst
Der Konstanzer Hans
Merkwürdige Geschichte eines schwäbischen Gauners
Reutlingen, 1852

Einundwanzigstes Kapitel

Hans treibt das Diebeshandwerk wieder und macht große Märsche.

Mit einem Pass versehen, fing er sogleich wieder Diebstähle an und war keck genug, sich selbst in die Gegend von Sulz zu wagen, um Nachrichten von Peter und der Göhringer einzuziehen. Aber schnell kehrte er wieder um, als er hörte, dass diese wirklich da im Gefängnis seien und dass man eifrig einen gewissen Konstanzer Hans aufsuche.

Er begab sich auf die Filder, brach in Scharnhausen ein, trieb sich unangefochten in dieser Gegend, in Reutlingen und Kirchheim einige Wochen als Scharfrichter und Quacksalber herum und ging dann nach Bodelshausen. Hier erfuhr er, die Schleiferbärbel sei in Sulz auf eine äußerst listige Weise ausgebrochen. Hans war sehr ärgerlich darüber, dass sie entkommen war, denn er hatte ihr ihre Gefangenschaft so wohl gegönnt.

Mit großer Eilfertigkeit machte er sich nun zu ihrer Verfolgung auf, um die längst beschlossene Rache an ihr zu nehmen und ihr Nase und Ohren abzuschneiden.

Er verließ Württemberg, weil er sich da nimmer sicher glaubte. In einem Dorf bei Haigerloch sagte ihm ein Bauer, in dessen Scheune er übernachten wollte, es seien in Sulz viele Gauner eingebracht worden, und man suche noch einen, der einen Hieb im Gesicht hab. Es müsse so ein Mann sein wie er. Diesen Wink benutzte Hans und setzte seinen Weg mit dem großen Schinder-Peter, der zu ihm gekommen war, in aller Eile fort. Während er überall eifrig nach der Schleiferbärbel forschte, erfuhr er, der Schul-Toni sei zu Rottenmünster gehenkt worden. Hans und Peter hatten beschlossen, ihn in der nächsten Nacht vom Galgen herunter zu nehmen. Da sie nun den Entschluss auszuführen, schon auf dem Plate waren, erinnerte sich Hans mit Unwillen und Ärger des Unterrichts, den der Gehenkte ihm im Stehlen gegeben hatte und sagte: »Nein! Ich erweise ihm den Freundschaftsdienst nicht, er hat mich stehlen gelehrt. Ich muss wahrscheinlich auch einmal hängen, dann wird sich ebenfalls niemand um mich bekümmern!«

Hans verließ den Galgen und erfuhr, dass die von ihm Verfolgte in der Nähe von Schaffhausen einer Partie Streifer in die Hände gefallen sei, aber durch ihre bekannte List sich wieder frei gemacht und zu ihrer Sicherheit tiefer in die Schweiz hinein sich begeben habe. Gerade nun wurde aller Orten gar eifrig nach den Gaunern gefahndet, und Hans glaubte sich auch mehr gesichert, wenn er sich weiter von Schwaben entferne. Nun hörte er, dass die Schleiferbärbel mit dem starken Hans herumziehe, welche Nachricht ihn vollends erbitterte.

In dieser Gemütsstimmung kam er mit Stocker Michels Gebhard, dem berüchtigtsten Schweizer Gauner zusammen, der mit einer ungewöhnlichen Leibesstärke einen Mut verband, welcher keine Gefahr scheute. Er ging als Jäger umher, bis an die Zähne bewaffnet, einen Hund zur Seite, und gab sich nur mit großen und verwegenen Unternehmungen ab. Alles fürchtete ihn und seinen ihm ähnlichen Bruder, und es war auf seinen Kopf eine Belohnung von 500 Gulden gesetzt.

Dieser Gauner nun glaubte sich von dem starken Hans gleichfalls beleidigt und verband sich gegen diesen mit Hans. Schon waren diese beiden Verbündeten dem starken Hans und der Schleiferbärbel auf der Spur, kamen aber nun selbst am Züricher See in die größte Gefahr, indem einige hundert Streifer aus Glarus gegen sie anrückten. Geschreckt durch Gebhardts fürchterliche Drohungen, gestatteten diese den Gaunern freien Abzug, worauf die Letzteren sich in den Fluss stürzten und trotz der nachgesandten Kugeln glücklich das andere Ufer erreichten.

Bald darauf trennte sich Hans von Gebhardt und ging nach Chur in Graubünden, wo er gute Beute machte. Hier gab er auch das Kind der Göhringer einem Vetter derselben, der Scharfrichter dort war. Die Schleiferbärbel aber fand er nirgends und musste nun seine Verfolgungen aufgeben, da er nun selbst immer verfolgt wurde. Einmal um das andere fiel er Hatschieren in die Hände und entkam jedes Mal wieder glücklich. Diesen beständigen Gefahren wollte er nun ausweichen und begab sich nach Schwaben zurück. Aber er sah bald, dass man auch hier Ernst mache mit der Verfolgung und dem Einfangen der Gauner und er dachte, auch er werde in Kurzem in den Gefängnissen von Sulz sitzen, dessen Oberamtmann für die Habhaftwerdung der Diebe besonders tätig war.

Dessen ungeachtet war er nicht furchtsam, wurde auch bei seinen Unternehmungen nicht vorsichtiger. Doch ließ er sich einen neuen Pass in Lakendorf ausfertigen auf den Namen Peter Niklas Koch (des ersten Mannes der Göhringer) und zog als verabschiedeter Regimentshenker umher. Zu gleicher Zeit kaufte er wieder Arzneimittel ein und trieb wie früher die Quacksalberei, setzte aber daneben auch seine Einbrüche und Diebstähle mit solcher Gleichgültigkeit fort, als wenn er nichts zu fürchten hätte, und zwar in einer Gegend, die ihm die größte Gefahr drohte.