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Die drei Musketiere 49

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

XVI.

Widerwärtigkeiten

Außer sich vor Zorn, auf dem Verdeck wie eine Löwin schnaubend, die man einschifft, war Mylady mittlerweile versucht gewesen, sich in das Meer zu stürzen, um die Küste wieder zu erreichen, denn sie konnte den Gedanken nicht fassen, dass sie von d’Artagnan beleidigt, von Athos bedroht worden war und Frankreich verlassen sollte, ohne sich an ihnen zu rächen. Bald wurde dieser Gedanke ihr so unerträglich, dass sie auf die Gefahr, was auch Furchtbares daraus entstehen möchte, den Kapitän bat, sie an das Ufer zu setzen. Aber zwischen die französischen und englischen Kreuzer, wie die Fledermaus zwischen die Ratten und Vögel gestellt, lag dem Kapitän alles daran, so bald als möglich nach England zu gelangen. Er weigerte sich also hartnäckig, einem Ansinnen zu gehorchen, das er für eine Frauenlaune hielt, wobei er jedoch seiner Passagierin, die ihm vom Kardinal besonders empfohlen war, versprach, dass er sie, wenn es das Meer und die Franzosen erlauben, in einem der Häfen der Bretagne, entweder in Lorient oder in Brest, an das Ufer setzen wolle. Aber das Meer war schlimm und der Wind konträr. Man musste lavieren und verlor viel Zeit. Erst neun Tage, nachdem man aus der Charente ausgelaufen war, sah Mylady, ganz bleich vor Ärger und Zorn, das bläuliche Gestade von Finisterre.

Sie berechnete, dass es wenigstens drei Tage bedürfe, um diese Ecke von Frankreich zu umschiffen und wieder in die Nähe des Kardinals zu gelangen. Hierzu einen Tag für das Ausschiffen gerechnet, machte vier Tage. Fügte sie zu diesen vier Tagen die neun anderen, so kamen dreizehn verlorene Tage heraus, dreizehn Tage, während welcher so viele wichtige Ereignisse in London vorfallen konnten. Sie bedachte, dass der Kardinal ohne Zweifel über ihre Rückkehr wütend sein würde und folglich viel mehr geneigt wäre, den Klagen Gehör zu schenken, die man gegen sie führen, als den Anschuldigungen, welche sie gegen andere vorbringen würde. Sie ließ also Lorient und Brest vorübergehen, ohne dass sie beim Kapitän auf ihrem Willen beharrte. Dieser hütete sich seinerseits wohl, sie darin zu bestärken. Mylady setzte also ihre Reise fort. An demselben Tag, wo sich Planchet in Portsmouth nach Frankreich einschiffte, lief die Botin Seiner Eminenz triumphierend in dem Hafen ein.

Die ganze Stadt war in einer außerordentlichen Bewegung. Vier große, in den letzten Tagen erst fertig gewordene Schiffe hatte man vom Stapel laufen lassen. Buckingham stand, mit Gold verbrämt, seiner Gewohnheit gemäß von Diamanten und Edelsteinen funkelnd, den Hut mit einer Feder geschmückt, welche auf seine Schultern herabfiel, von seinem glänzenden Generalstab umgeben, auf dem Hafendamm.

Es war einer von den schönen, seltenen Sommertagen, wo England sich erinnert, dass es eine Sonne gibt. Das bleiche, aber immer noch schimmernde Gestirn ging am Horizont unter, übergoss den Himmel und die See mit Feuerstreifen und warf auf die Türme und alten Gebäude der Stadt einen letzten goldenen Strahl, der die Scheiben wie der Reflex eines Brandes funkeln machte. Als Mylady diese, in der Nähe des Landes lebhaftere balsamischere Seeluft einatmete und die ganze Macht dieser Vorbereitungen, welche sie zu zerstören beauftragt war, die ganze Kraft dieses Heeres betrachtete, das sie allein bekämpfen sollte, sie allein mit einigen Säcken Goldes, da verglich sie sich im Geist mit Judith, der furchtbaren Jüdin, als sie in das Lager der Assyrer drang und die ungeheure Masse von Wagen, Pferden, Menschen und Waffen erblickte, welche eine Bewegung ihrer Hand wie eine Rauchwolke zerstreuen sollte.

Man lief in die Reede ein; aber als man sich anschickte, dort Anker zu werfen, näherte sich ein kleiner, furchtbar bemannter Kutter dem Handelsschiff und ließ ein Boot in das Meer setzen, das sich sogleich nach der Leiter wandte. Der Offizier allein stieg an Bord, wo er mit der Achtung aufgenommen wurde, welche die Uniform einflößt.

Der Offizier unterhielt sich einige Augenblicke mit dem Patron, ließ ihn einige Papiere lesen, die er bei sich trug, und alle aus dem Schiff befindliche Personen, Matrosen und Passagiere wurden aus das Verdeck gerufen. Als dieser Aufruf geschehen war, fragte der Offizier ganz laut nach dem Auslaufpunkt der Brigg, nach ihrer Route, nach ihren Landungen. Alle diese Fragen wurden von dem Kapitän ohne Zögern und ohne Schwierigkeit beantwortet. Dann ließ der Offizier alle Personen, eine nach der anderen, Revue passieren. Als die Reihe an Mylady kam, betrachtete er sie äußerst aufmerksam, aber ohne ein einziges Wort an sie zu richten.

Dann kehrte er zu dem Kapitän zurück, sagte ihm noch einige Worte und empfahl, als ob das Schiff ihm nun zu gehorchen hatte, ein Manöver, das die Mannschaft sogleich ausführte.

Während der Offizier Mylady prüfend anschaute, hatte ihn Mylady ihrerseits, wie sich leicht denken lässt, mit dem Blick verschlungen. Aber wie sehr auch diese Frau mit den Flammenaugen daran gewöhnt war, in dem Herzen derjenigen zu lesen, deren Geheimnisse zu erraten sie für notwendig erachtete, so fand sie doch dieses Mal ein Gesicht von solcher Unbeweglichkeit, dass ihre Forschung keine Entdeckung zur Folge hatte. Der Offizier, welcher vor ihr stehen geblieben war und stillschweigend ihr Äußeres so sorgfältig studierte, mochte etwa fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahre alt sein und hatte ein weißes Gesicht und blaue, etwas tiefliegende Augen. Sein feiner, wohlgezeichneter Mund blieb unbeweglich in seinen untadelhaften Linien, sein kräftiges Kinn deutete jene Willenskraft an, welche in dem gewöhnlichen britischen Typus nichts anderes als Halsstarrigkeit ist. Eine etwas zurückliegende Stirne, wie sie den Dichtern den Enthusiasten und den Soldaten geziemt, war kaum von einem kurzen Haar beschattet, das sich wie der Bart, welcher den unteren Teil seines Gesichts bedeckte, durch eine schöne dunkle, kastanienbraune Farbe auszeichnete.

Als man in den Hafen einlief, war es bereits Nacht. Der Nebel vermehrte noch die Dunkelheit und bildete um die Leuchten und Laternen des Hafendammes einen Kreis, demjenigen ähnlich, welcher den Mond umgibt, wenn das Wetter regnerisch zu werden droht. Die Luft, welche man einatmete, war trübe, feucht und kalt.

Mylady schauderte trotz all ihrer Stärke.

Der Offizier ließ sich die einzelnen Stücke von Mylady nennen, ihr Gepäck sodann in das Boot bringen und ersuchte sie, nachdem dieses Geschäft abgemacht war, selbst hinabzusteigen, wobei er seine Hand bot. Mylady schaute diesen Mann an und zögerte.

»Wer seid Ihr, Monsieur«, fragte sie, »der Ihr die Güte habt, Euch so ganz besonders mit mir zu beschäftigen?«

»Ihr müßt es wohl an meiner Uniform sehen, Madame. Ich bin englischer Marineoffizier«, antwortete der junge Mann.

»Aber sagt mir, ist es Gewohnheit, dass sich die englischen Marineoffiziere ihren Landsleuten zu Befehl stellen, wenn sie in einem Hafen Großbritanniens ankommen, und ihre Höflichkeit sogar soweit treiben, sie bis ans Land zu begleiten?«

»Ja, Mylady, aber nicht aus Galanterie, sondern aus Klugheit werden die Fremden in Kriegszeiten in ein bestimmtes Gasthaus geführt, damit die Regierung sie überwachen kann, bis man vollständige Auskunft über sie erhalten hat.«

Diese Worte wurden mit der größten Artigkeit und der vollkommensten Ruhe ausgesprochen, aber sie waren nicht imstande, Mylady zu überzeugen.

»Ich bin keine Fremde, Monsieur«, sagte sie mit dem reinsten Akzent, der je zwischen Portsmouth und Manchester erklang. »Ich heiße Lady Winter, und diese Maßregel …«

»Diese Maßregel ist allgemein, Mylady, und Ihr würdet es vergeblich versuchen, Euch derselben zu entziehen.«

»Ich folge Euch also, Monsieur.«

Die Hand des Offiziers ergreifend, fing sie, an die Treppe hinabzusteigen, unter der das Boot wartete. Der Offizier folgte ihr. En großer Mantel war auf dem Hinterteil ausgebreitet. Der Offizier ließ sie auf den Mantel sitzen und setzte sich neben sie.

»Fahrt zu«, sprach er zu den Matrosen.

Die acht Ruder fielen geräuschvoll in das Meer, ließen nur einen gleichzeitigen Schlag hören, und das Boot schien aus der Oberfläche des Wassers hinzufliegen.

Nach fünf Minuten hatte man das Land erreicht. Der Offizier sprang auf den Kai und bot Mylady seine Hand.

Ein Wagen wartete.

»Ist dieser Wagen für uns?«, fragte Mylady.

»Ja, Madame«, antwortete der Offizier.

»Das Gasthaus ist also sehr entfernt?«

»Am anderen Ende der Stadt.«

»Vorwärts!«, rief Mylady und stieg entschlossen in den Wagen.

Der Offizier wachte darüber, dass das Gepäck gut hinter dem Kasten befestigt wurde, nahm, als dies geschehen war, seinen Platz neben Mylady und schloss den Kutschenschlag.

Sogleich, ohne dass ein Befehl gegeben war und ohne dass man ihm die Bestimmung anzugeben hatte, setzte der Kutscher seine Pferde in Galopp und fuhr in die Straßen der Stadt.

Eine so seltsame Aufnahme musste Mylady reichlichen Stoff zum Nachdenken bieten. Als sie sah, dass der junge Officier keineswegs geneigt schien, ein Gespräch anzuknüpfen, lehnte sie sich in eine Ecke des Wagens und ließ alle Vermutungen, welche in ihrem Geist auftauchten, eine nach der anderen Revue passieren.

Erstaunt über die Länge des Weges, neigte sie sich jedoch nach Verlauf einer Viertelstunde aus dem Kutschenschlag heraus, um zu sehen, wohin man sie führe. Man erblickte keine Häuser mehr. Bäume erschienen in der Finsternis wie große, schwarze, einander nachlaufende Gespenster.

Mylady bebte.

»Aber wir sind nicht mehr in der Stadt, Monsieur«, sagte sie.

Der Offizier beobachtete dasselbe Stillschweigen.

»Ich gehe nicht weiter, wenn Ihr mir nicht sagt, wohin Ihr mich führt, das erkläre ich Euch, Monsieur.«

Diese Drohung erhielt keine Antwort.

»Ah, das ist zu stark!«, rief Mylady. »Zu Hilfe! Zu Hilfe!«

Keine Stimme antwortete der ihren. Der Wagen rollte mit derselben Geschwindigkeit fort. Der Offizier schien eine Bildsäule.

Mylady fixierte den Offizier mit dem ihr eigentümlichen furchtbaren Ausdruck, der nur selten seine Wirkung verfehlte. Der Zorn machte ihre Augen in der Finsternis funkeln.

Der junge Mann blieb unbeweglich.

Mylady wollte den Kutschenschlag öffnen und hinausspringen.

»Nehmt Euch in Acht, Madame«, sagte der junge Mann kalt. »Ihr tötet Euch, wenn Ihr springt.«

Mylady setzte sich schäumend wieder zurück. Der Offizier neigte sich vor, schaute sie ebenfalls an und schien erstaunt, als er dieses kurz zuvor noch so schöne Gesicht durch die Wut ganz verstört und beinahe hässlich geworden sah. Die schlaue Person begriff, dass sie sich ins Verderben stürzte, wenn sie so in ihre Seele blicken ließ. Sie suchte ihre Züge wieder aufzuheitern und sprach mit seufzender Stimme: »Um Gotteswillen, Monsieur, sagt mir, ob ich Euch, Eurer Regierung oder einem Feind die Gewalt zuzuschreiben habe, die man mir antut?«

»Man tut Euch keine Gewalt an, Madame, und was Euch widerfährt, ist die Folge einer ganz einfachen Maßregel, die wir bei allen zu nehmen genötigt sind, welche in England landen.«

»Also kennt Ihr mich nicht?«

»Es ist das erste Mal, dass ich die Ehre habe, Euch zu sehen.«

»Und auf Euer Wort, Ihr habt keinen Grund des Hasses gegen mich?«

»Keinen, ich schwöre Euch.«

Es lag so viel Offenheit, Kaltblütigkeit und sogar Sanftmut in der Stimme des jungen Mannes, dass Mylady beruhigt wurde.

Nachdem man ungefähr eine Stunde gefahren war, hielt der Wagen vor einem eisernen Gitter an, das einen Hohlweg verschloss, welcher nach einem massiven Schloss von ernstem Aussehen führte. Als nun die Räder auf einem zarten Sand hinliefen, hörte Mylady ein dumpfes Geräusch, das sie als ein Brausen der See erkannte, welche sich an einem abschüssigen Gestade brach.

Der Wagen lief unter zwei Gewölben hin und hielt endlich in einem düsteren viereckigen Hof. Beinahe in demselben Augenblick öffnete sich der Kutschenschlag, der junge Mann sprang leicht heraus und bot Mylady seine Hand. Sie stützte sich darauf und stieg mit ziemlich viel Ruhe aus.

»Es wird mir immer klarer«, sprach Mylady, indem sie um sich schaute und ihre Augen dann mit dem anmutigsten Lächeln der Welt auf den jungen Offizier richtete, »es wird mir immer klarer, dass ich eine Gefangene bin. Aber ich werde es nicht lange bleiben, das weiß ich gewiss«, fügte sie bei. »Mein Gewissen und Eure Artigkeit, Monsieur, bürgen mir hierfür.«

So schmeichelhaft auch dieses Kompliment war, so antwortete doch der Offizier nicht, sondern zog aus seinem Gürtel eine kleine silberne Pfeife hervor, derjenigen ähnlich, welcher sich die Hochbootsleute auf Kriegsschiffen bedienen, und pfiff dreimal auf drei verschiedene Modulationen. Sogleich erschienen mehrere Männer, spannten die Pferde aus und führten den Wagen unter eine Remise.

Der Offizier forderte, stets mit derselben ruhigen Höflichkeit, seine Gefangene auf, in das Haus einzutreten. Diese nahm, fortwährend mit demselben lächelnden Gesicht, seinen Arm und trat mit ihm unter eine niedrige Tür, welche durch ein nur im Hintergrund beleuchtetes Gewölbe nach einer steinernen Treppe führte. Dann blieb man vor einer zweiten starken Tür stehen, die sich, nachdem der junge Mann sie mit einem Schlüssel aufgeschlossen hatte, den er bei sich trug, schwerfällig auf ihren Angeln drehte und das für Mylady bestimmte Zimmer öffnete.

Mit einem einzigen Blick hatte die Gefangene das Zimmer in seinen kleinsten Einzelnheiten überschaut.

Es war eine Stube, deren Geräte ein für ein Gefängnis reinliches, anständiges, für die Wohnung eines freien Menschen aber strenges Aussehen hatte. Die eisernen Stangen an den Fenstern und die Riegel an der Tür entschieden jedoch den Prozess zu Gunsten des Gefängnisses. Einen Augenblick wurde dieses Geschöpf, das seine Kraft in so mächtigen Quellen gestählt hatte, von aller Seelenstärke verlassen. Sie fiel auf einen Stuhl zurück, kreuzte die Arme, ließ den Kopf sinken und erwartete jeden Augenblick, es werde ein Richter erscheinen, um sie zu verhören.

Aber es kam niemand, außer zwei oder drei Marinesoldaten, welche die Koffer und Kisten brachten, diese in eine Ecke niederstellten und sich dann entfernten, ohne ein Wort zu sprechen.

Der Offizier wohnte allen diesen Verrichtungen mit derselben Ruhe bei, welche Mylady beständig an ihm wahrgenommen hatte, sprach selbst kein Wort und verschaffte sich durch eine Handbewegung oder einen Ton seiner Pfeife Gehorsam.

Man hätte glauben sollen, zwischen diesem Mann und seinen Untergebenen bestehe die Sprache nicht, die man mit der Zunge spricht, oder sie sei überflüssig geworden. Endlich konnte Mylady nicht mehr länger an sich halten. Sie unterbrach das Stillschweigen und rief: »Um Gottes willen, Monsieur, was soll das alles bedeuten? Macht meiner Unruhe ein Ende. Ich habe Mut, jeder Gefahr, die ich vorhersehe, jedem Unglück, das ich begreife, zu trotzen. Wo bin ich und was bin ich? Bin ich frei? Warum diese eisernen Stangen und diese Türen? Bin ich eine Gefangene? Welches Verbrechen habe ich begangen?«

»Ihr seid hier in der für Euch bestimmten Wohnung, Madame. Ich habe Befehl erhalten, Euch auf der See abzuholen und in dieses Schloss zu bringen. Diesen Befehl habe ich, wie ich glaube, mit aller Strenge eines Soldaten, aber zugleich mit aller Höflichkeit eines Edelmanns vollzogen. Hiemit endigt sich, wenigstens für jetzt, der Auftrag, den ich bei Euch zu erfüllen habe, das Übrige geht eine andere Person an.«

»Und die andere Person, wer ist sie?«, fragte Mylady. »Könnt Ihr mir nicht ihren Namen sagen?«

In diesem Augenblick vernahm man auf der Treppe ein gewaltiges Sporengeklirr, einige Stimmen machten sich im Vorübergehen hörbar und verhallten dann wieder. Das Geräusch eines einzelnen Trittes näherte sich der Tür.

»Hier ist sie, Madame«, sagte der Offizier, den Gang öffnend und eine ehrfurchtsvolle Stellung nehmend.

Zu gleicher Zeit erschien ein Mann auf der Schwelle: Er war ohne Hut, trug einen Degen an seiner Seite und zerknitterte ein Sacktuch zwischen seinen Fingern.

Mylady glaubte diesen Schatten im Schatten zu erkennen. Sie stützte sich mit einer Hand auf den Arm eines Lehnsessels und reckte den Kopf, um einer Gewissheit entgegen zu gehen.

Der Fremde näherte sich langsam. Sobald er in den von der Lampe geworfenen Lichtkreis eintrat und näher kam, wich Mylady unwillkürlich zurück. Als ihr kein Zweifel mehr übrig blieb, rief sie mit dem höchsten Erstaunen: »Wie, mein Bruder, Ihr seid es?«

»Ja, schöne Dame«, antwortete Lord Winter mit einer halb höflichen, halb ironischen Verbeugung. »Ich bin es.«

»Aber dieses Schloss?«

»Gehört mir.«

»Dieses Zimmer?«

»Ist das Eure.«

»Und ich bin also eine Gefangene?«

»Ungefähr.«

»Aber das ist ein ganz abscheulicher Missbrauch der Gewalt.«

»Keine großen Worte! Setzen wir uns und plaudern wir ruhig miteinander, wie es sich zwischen Bruder und Schwester geziemt.«

Dann wandte er sich nach der Türe um und sagte, als er sah, dass der junge Offizier auf seine letzten Befehle wartete.

»Es ist gut, ich danke Euch, lasst uns nun allein, Monsieur Felton.«