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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel III

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

III. Auf dem Kriegsschauplatz

Noch am selben Abend bestiegen wir einen Extrazug und nun ging es per Bahn auf den Kriegsschauplatz zu. Wir kamen in Harper’s Ferry an, wo wir wieder einige Zeit zu liegen hatten. Dieser Platz, ein Städtchen, liegt zwischen hohen Bergen, von großen Flüssen umgeben, und ist beinahe eine Insel. Als wir ankamen, war es nur noch ein Trümmerhaufen. Wir mussten deshalb im Freien biwakieren. Da es jedoch fortwährend regnete, so spionierte ich so lange, bis ich einen Keller entdeckte, der noch gut erhalten war. Sogleich nahm ich mit drei Kameraden Besitz davon und wir fingen an, uns häuslich einzurichten. In einer Ecke wurde die Küche gemacht, und bald hing ein Kessel Wasser für Kaffee über dem Feuer. Die andere Ecke war die Vorratskammer, wo wir Proviant und Gepäck hatten. Die dritte diente als Wohn- und Schlafzimmer und die vierte wurde als Abtritt benutzt, sodass wir also alle Bequemlichkeiten in einem kleinen Komplex beisammen hatten.

Als ein Proviantzug fertig war, um an die Front zu gehen, wurden wir als Bedeckung dazu kommandiert. Nun ging es fort über Schlachtfelder und Gräber das Shenandoah-Tal hinauf. Am dritten Tag erreichten wir, was noch übrig war von der Stadt »Winchester«, wo sich das Hauptquartier unseres Generals Sheridan befand. Am Morgen rückten wir weiter vor und ich erreichte mein Regiment, das 75th NY Veteran Volunteer Infantry gerade rechtzeitig, um an der Schlacht von Fishers Hill teilzunehmen. Am Abend nach der Schlacht war ich der Glückliche, der ein Schaf erbeutete. Der Wohlgeruch eines Bratens erfüllte unser Zelt. Während der ganzen Nacht wurde gegessen und getrunken.

Am nächsten Morgen rückten wir bis Cedar Creek vor. Meine Division bildete das Zentrum der Linie. Denselben Abend wurden die Proviantwagen, da man einen Überfall fürchtete, zurückgeschickt und wir als Eskorte kommandiert. So mussten wir um Mitternacht noch zwölf englische Meilen laufen. Am Morgen kehrten wir wieder zur Front zurück. Mit Vorpostenstehen, Schanzenaufwerfen und etwas Exerzieren verging da die Zeit, bis die große Schlacht von Cedar Creek an die Tagesordnung kam.

Es war gegen drei Uhr morgens, als ich vom Hummelstein träumte, dass mich die Stimme des Sergeanten zum Antreten rief. Ich stand langsam auf, wurde aber gleich etwas schneller, als ich Kanonendonner und Kleingewehrfeuer vernahm. Wir waren zur Bedeckung einer Batterie bestimmt. Vor mir kauerte ein kleiner Irländer aus meiner Kompanie, dem der Schrecken eine ganz grüne Gesichtsfarbe verliehen hatte. Er war eben im Begriff, sein Gewehr zu laden, steckte aber in der Aufregung die Kugel zuerst hinein und obendrauf das Pulver. Er legte an, deckte ab und lud wieder. So machte er fort, bis der Lauf voll war, worauf er das Gewehr wegwarf und eilig den Rückzug antrat.

Der Kampf tobte nun im Zentrum und am linken Flügel sehr heftig. Bald wich der linke Flügel und löste sich in die eiligste Flucht auf. Der Feind, uns von beiden Seiten angreifend, war bald im Besitz unserer Artillerie und richtete nun die Kanonen auf uns. Sogleich folgte auch das Zentrum dem Beispiel des linken Flügels und gab Fersengeld. Wir fielen auf den rechten Flügel zurück, der bisher noch verschont worden war, um, durch sein Feuer geschützt, wieder Stellung zu nehmen. Doch das ging nicht so leicht. Denn sobald uns dieser kommen sah, wartete die Mannschaft nicht länger, sondern ergriff eilig die Flucht. Nun lief die ganze Armee, was sie nur laufen konnte; der Feind hinterher. Da ich einen großen Mantel anhatte und überhaupt etwas faul war, so war ich unter den Letzten. Neben mir war ein sechs Fuß hoher junger Sergeant, als ihn eine Kugel durch die Brust traf. Er fiel mir um den Hals und blieb im Todeskampf daran hängen. Ich konnte ihn nicht abschütteln, noch weniger tragen und wusste nicht, was ich tun sollte, denn kaum hundert Schritte hinterher kam der Feind.

In der Verzweiflung machte ich einen gewaltigen Ruck, schlug ihn zugleich zwischen die Augen, dass er zu Boden stürzte, und nun ging es fort. Vor mir war ein Fluss mit hohen Ufern, ungefähr zwanzig Fuß breit. Mit einem gewaltigen Satz sprang ich darüber und eilte der Armee nach. Durch ein Stück Zedernwaldung eilend, hörte ich jemand meinen Namen rufen. Als ich darauf zuging, siehe da! Da lag mein Zeltkamerad, ein Israelit, durch beide Beine geschossen auf dem Rücken.

Er hatte, da ich mein Gepäck liegen ließ, es auch als Kriegsbeute mitgenommen. Als er aber getroffen in eine kleine Aushöhlung des Bodens fiel, hatte ihn das große Gewicht seiner Last so fest niedergehalten, dass er beinahe auf dem Kopf stand. Ich verhalf ihm zu einer besseren Lage, entledigte mich meines Mantels und, da ich keine Zeit zu verlieren hatte, trabte ich wieder fort. Bald holte ich die Armee ein. Gegen zwei Uhr bezogen wir in einem kleinen Örtchen hinter Steinmauern und Häusern Stellung, um den Feind einige Stunden aufzuhalten, bis unser General Sheridan, der abwesend war, von Winchester herauskam und uns zum Angriff führte. Nun kam der Wendepunkt. Wir schlugen den Feind, eroberten unsere Geschütze wieder, nahmen noch neunzig feindliche Kanonen nebst viel anderer Beute, rückten noch am selben Abend bis Straßburg vor und machten endlich um zehn Uhr nachts Halt.

Dies war einer der größten Siege im amerikanischen Krieg. Es war ein Schlachtfeld, vierzehn bis fünfzehn englische Meilen lang.

Da wir bereits 36 Stunden nichts gegessen hatten, so ging ich sogleich am Morgen ans Werk, etwas aufzusuchen, fand auch ein schönes fettes Schwein in Straßburg. Bald war ich auf dem Weg zum Lager, mein Schweinlein vor mir hertreibend. Ich gedachte es so nahe wie möglich zu bringen, ehe ich es tötete, damit ich das Fleisch nicht so weit zu tragen hätte. Als ich näher kam, sah ich eine große Menschenmasse meiner harrend. Auf einmal stürzten sich einhundert tapferer Krieger auf mein Schwein. Mit der einen Hand zog ich mein Messer, mit den anderen ergriff ich krampfhaft das edle Tier beim Schwänzlein, um es zu retten. Allein zu spät. Die Menge zog sich zurück, jeder ein Stück Fleisch mit sich forttragend. Und ich? Nun, ich stand da, das Schwänzlein in der Hand, welches noch wedelte. Denn alles war so schnell gegangen, dass dieses selbst noch nicht wusste, ob es tot war oder nicht.

Ich kochte etwas (nicht sehr kräftige) Suppe aus meinem Teil der Beute. Da aber gegen Mittag die Proviantwagen ankamen, so war uns wieder geholfen. Nun lebten wir ruhig fort. Hier und da gab es ein kleines Vorpostengefecht, sonst kam nichts vor. Einmal hatte ich einen Kampf mit einem Irländer um einen Blechbecher, aus welchem ich als Sieger hervorging. Das Wetter fing an, sehr kalt zu werden. Wir hatten viel Schnee und litten umso mehr von den Kälte, als wir im Freien lebten und nur eine dünne Decke hatten, um uns nachts gegen Schnee und Frost zu schützen.

Wir zogen uns etwas zurück und bauten Winterquartiere,

das heißt Grassoden, drei bis vier Fuß hoch und sechs Fuß lang mit einem Kamin am Ende, worin wir tüchtige Feuer unterhielten. Nachts spazierten wir im Lager herum. Wo man einen extra schönen Kamin sah, warf man von oben ein Paket Pulver hinein, sodass eine Explosion erfolgte, welche den Kamin in einen Trümmerhaufen verwandelte. Mein eigener wurde mir zwei verschiedene Male in die Luft gesprengt.

So vertrieben wir uns die lange Weile, bis wir im Monat Dezember nach Winchester zurück gingen, wo wir ein paar Tage blieben und dann per Bahn nach Baltimore fuhren.

Dort wurden wir in große Ställe einquartiert. Es war sehr kalt und wir unterhielten große Feuer. Schnaps wurde herein geschmuggelt und bald waren unsere Krieger in einem gewissen Zustand. Neben uns lag ein Connecticut-Regiment. Einer davon, welcher in unsere Baracke kam, wurde von uns bewirtet. Als er aber mit einer Feldflasche voll guten Whisky Reißaus nahm, wurde er von einigen hitzig verfolgt. Als sie ihn ein Stück vom Haus weg erwischten, prügelten sie ihn tüchtig durch, bis einige seiner Kameraden zu Hilfe kamen, worauf auch von unseren Leuten mehrere hinausstürmten. Bald wurde das Gefecht allgemein. Von beiden Seiten eilten Verstärkungen herbei, bis beide Regimenter sich vollzählig gegenüberstanden. Das Hauptgeschütz bestand ans Backsteinen. Mancher wurde mit gebrochenen Nippen weggetragen. Unsere Seite fiel zurück zu der Baracke, hart gedrängt vom Gegner. Hier griffen wir alle zu den Waffen und drängten die Connecticuter zu ihrem Quartier zurück, wo sie sich ebenfalls bewaffneten. So wütete die Schlacht, bis Militär aus der Stadt kam, sämtliche Streiter von neutralen Mächten entwaffnet und etliche siebzig Mann als Gefangene abgeführt wurden. Wir hatten sieben Tote und viele Verwundete. Da kein Obdach für die Gefangenen vorhanden war, wurden sie im Freien bewacht. Da sie sich im Rausch auf den Schnee legten und einschliefen, so fand man sie am Morgen beinahe alle erfroren.

Am nächsten Tag kam unser Regiment auf ein Transportschiff, um nach Savannah im Staat Georgia gebracht zu werden. Das Meer war sehr stürmisch und wir wurden so ziemlich alle seekrank. Selbst ich lag zwei Tage auf dem Verdeck, wo die Wellen oft über mich schlugen, ohne dass ich mich darum kümmerte.

Am vierten Tag liefen wir in die Mündung des Flusses Savannah bei Fort Pulasky ein und dampften nun den Fluss hinauf zur Stadt Savannah, wo wir ankamen, zwei Tage, nachdem General Sherman sie vom Feind genommen hatte. Wir wurden zum Garnisonsdienst verwendet. Obwohl schon Ende Dezember, war das Wetter schön und sehr warm. Wir nahmen sogleich von einigen Häusern Besitz für unser Quartier. Ein Bankgebäude war zum Hauptquartier bestimmt, obwohl sich der rebellische Eigentümer dagegen sträubte. Ich spekulierte im Haus herum, als ich ihn im Kontor mit einer Zeitung beschäftigt fand. Neben ihm stand ein Kistchen Zigarren, wovon ich mir eine wählte und ihn um Feuer ersuchte, was er mir aber verweigerte, sodass ich mir selbst dazu helfen musste. Da ich die Zigarre sehr gut fand, nahm ich einen Bogen Papier und wickelte das Kistchen ein, nahm es unter den Arm und empfahl mich höflichst. Lebensmittel waren sehr wenig und gar keine in der Stadt und die Bevölkerung war ganz und gar auf die Regierung angewiesen. Für ein kleines Laibchen Brot bezahlte ich einen Taler. Reis war genug zu finden.

Als Sherman vorrückte, kamen die befreiten Sklaven zu Taufenden in die Stadt, um sich unter den Schutz der Truppen zu stellen und verpflegt zu werden. In der Stadt waren zwei große Magazine mit Amunition gefüllt. Da die Südlichen fortwährend versuchten, uns auszubrennen, so hatten wir eine Zeit lang sehr strengen Dienst. Es gelang ihnen endlich, doch einen Teil der Stadt in der Nähe des größeren Magazins in Brand zu stecken. Bald schlug das Feuer um sich und ergriff auch das Magazin. Nun konnte man nichts mehr tun, denn die Bomben und gefüllten Kugeln fingen zu platzen an. Stücke davon schwirrten durch die Luft. Wir Soldaten hatten uns sogleich daran gemacht, so viel Eigentum und Güter wie möglich zu retten und nach Hause zu schleppen. Ich mühte mich mit einem großen Fass ab, da ich dachte, es wären Schinken hineingepackt. Als ich es aber zu Hause öffnete, war es getrockneter Stockfisch.

Am Morgen lag ein Viertel der schönen Stadt Savannah in Asche. Bibliotheken konfiszierten wir auch einige, sodass es uns nicht an Unterhaltung fehlte. Da die schwarzen Blattern in der Stadt ausgebrochen waren, besonders stark unter den Negern, so wurde ich kommandiert, die Kranken in der Stadt ausfindig zu machen und zu einem Hospital vor der Stadt zu bringen. Es standen mir Wagen zur Verfügung, und ich hatte eine Zeit lang sehr viel zu tun. Da ich aber kein Arzt bin, kann es vorgekommen sein, dass ich hier und da einen Patienten, dem gar nichts fehlte, mit hinaus nahm aus Furcht, dass er die Blattern bekommen mochte, was gewiss jedes Mal der Fall war, nachdem er einige Tage im Hospital gelegen hatte. Darauf wurde ich mit einem Freund auf eine Farm, sieben Meilen von der Stadt kommandiert als safe guard (Schutzwache), wo ich mich sehr gut amüsierte. Doch da wir gerade außerhalb der Vorpostenlinie und die Vorposten von Neger-Soldaten bewacht waren, hatten wir manches kleine Scharmützel mit denselben; besonders als ich einen, der mir Widerstand leistete und eine alte Pistole auf mich anlegte, erschoss, so schworen sie uns Rache. Manche Nacht, wenn Miller und ich auf unserer Plantage patrouillierten, feuerten sie auf uns, welches Kompliment wir, nachdem wir hinter großen Bäumen postiert, mit Interesse zurückbezahlten. Ja, in einer Nacht unterhielten wir ein so heftiges Feuer, dass am Morgen alle Zeitungen meldeten: »Die Vorpostenlinie sei in der Richtung von Mr. Geils Farm von einer Guerilla-Bande angegriffen worden, welche sich erst nach dreistündigem schweren Gefecht mit großem Verlust zurückgezogen hätte«. (Das heißt, als wir keine Patronen mehr hatten, gingen wir heim zu Bett) Am nächsten Tag wollten wir einen Besuch in der Stadt abstatten. Da wir einige alte Maultiere auf der Farm hatten, sattelten wir zwei und trabten, nachdem ich eine alte Reiterpistole ohne Schloss in den Gürtel gesteckt hatte, der Stadt zu. Obwohl wir beide schlechte Reiter waren, gelangten wir doch glücklich bis in die Hauptstraße, Bull street genannt, wo mein Maulesel, der auf einem Auge blind war, vor irgendetwas scheu wurde und nun anfing, seitwärts auf die blinde Seite zu gehen. Ich hielt mich fest an Zügel und Sattel, konnte ihn aber nicht dazu bewegen, geradeaus zu gehen. So schob er halb rückwärts, halb seitwärts auf das Trottoir, dann mit dem Hinterteil in einen Vegetabilienladen, wo er gleich sämtliche Körbe mit Kartoffeln, Gemüse, Zwiebeln etc. umstürzte. Die Eigentümerin, eine alte Frau, stürzte aus dem Laden mit einem Besen bewaffnet und fing an, damit meine Rosinante zu bearbeiten. Bald kamen ihre Freunde als Freiwillige gut bewaffnet zu Hilfe und machten einen wütenden Angriff auf den Esel, dem es bald zu warm wurde. Nachdem er einen der Angreifer mit beiden Füßen auf den Magen geschlagen hatte, ging er im rasenden Galopp die Straße hinauf unter einem donnernden Hoch der Zuschauer.