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Deutsche Märchen und Sagen 51

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

51. Bestrafte Willkür

Im Jahre 1532 lebte in Deutschland irgendwo ein grausamer Ritter. Der befahl eines Tages einem Bauern, im nahen Wald eine überaus große Eiche zu holen und sie vor die Burg zu bringen, und drohte dabei, insofern der Bauer das nicht tue, müsse er die härteste Strafe gewärtigen. Der Bauer hielt das Fortschaffen des Baumes für unmöglich und ging seufzend und mit nassen Augen, halb verzweifelt dem Wald zu. Kaum hatte er den betreten, als er einen Menschen vor sich sah, der ihn fragte, warum er denn so traurig sei?

Der Bauer erzählte ihm alles und der Fremde sprach: »Gehe du nur ruhig nach Hause. Der Ritter soll die Eiche bald vor dem Schloss haben.«

Hocherfreut kehrte der arme Mann dem Dorf wieder zu. Eben hatte er dasselbe erreicht, als eine der größten und dicksten Eichen des Waldes geflogen kam, das Tor der Burg zerschmetterte und den Weg dermaßen versperrte, dass man mit großer Mühe nur in die Burg hinein oder aus derselben heraus gelangen konnte. Nun hätte man den Baum gerne zerschnitten, um den Weg wieder freizumachen, aber das Holz war so hart, dass keine Säge hindurch konnte und alle Beile daran stumpf wurden. Nach langer Mühe und Arbeit musste der Ritter den Baum liegen lassen, denn es war nichts damit anzufangen, und an einer anderen Seite des Schlosses ein neues Tor und neue Fenster brechen lassen, was er natürlich nur mit großer Schmach und Schande tun konnte. So strafte Gott seine Willkür gegen den armen Bauern.