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Der Alte vom Berge – Kapitel 17

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

XVII.

Ein von Ansehen wilder Sarazene geleitete den Templer wieder aus der Sommerwohnung.

Nachdenkend erreichte er erst beim Untergang der Sonne die Brücke wieder, wo zu seinem Erstaunen ein noch blutendes Haupt auf eine Stange gesteckt war. Etwas erschrocken erinnerte er sich der Worte des Sultans wegen des Agas.

»Wessen Haupt ist das?«, fragte er den Begleiter.

»Es ist der Kopf des Agas, der dich beleidigt hat«, entgegnete der Befragte, indem er sich tief verbeugte.

»Bei euch artet Strafe in Barbarei aus«, murmelte er, winkte dem Begleiter, zurückzubleiben, und entfernte sich eilig über die Brücke. Mit sich selbst noch uneinig, was er für eine Ausrede wegen der Mirza bei seinen Gefährten vorbringen wollte, stand er plötzlich vor ihrer Wohnung. Belügen wollte er sie nicht, und die Wahrheit sagen, hieß so viel, wie sich selbst dem Tod zu opfern.

Überrascht über seiner Erscheinen sprangen seine Gefährten ihm freudig entgegen. Nur der Großmeister musterte ihn mit finsterer Miene.

»Marschall Hugo«, sagte er, »seid ihr rasend geworden, dass Ihr es wagt. die Gemahlin des Sultans Mirza meine Mirza zu nennen?«

»Ich war sonderbar überrascht durch ihren herrlichen Wuchs«, entgegnete er in der höchsten Verwirrung.

»Ein echter Templer darf weder nach einem Mädchen noch nach einer Frau schauen.

Ihr seid bis zur Würde eines Marschalls gestiegen, habt also den Rang eines Fürsten

zeigtet deutlich, dass Mirza der Name Eurer Geliebten ist. Sobald wir nach Jerusalem kommen, werde ich das Kapitel deshalb zusammen berufen lassen.«

Hugo wollte antworten, als die Tür aufflog und ein Bedienter des Sultans erschien, dem Großmeister ein beschriebenes Stück Pergament überreichend. Mit düsterer Miene las er es durch und überreichte es dann den übrigen Templern, mit Ausnahme Hugos. Nach einigem Zögern schrieb der Großmeister seinen Namen darunter. Seinem Beispiel folgten die zwei Komture und der Drapier, worauf das Pergament der Überbringer zurückerhielt.

»Ihr habt einen guten Fürsprecher«, begann der Großmeister, zu Hugo gewendet, »der Sultan schreibt, dass ein Missverständnis obwaltet habe, und bittet uns, dass Ihr weder hier noch in Jerusalem zur Verantwortung gezogen werdet. Um dies noch zu bekräftigen mussten wir unsere Namen beifügen.«

»Ich bin auch unschuldig«, erwiderte Hugo zaghaft.

»Nun kein Wort weiter über diese Sache«, gebot der Großmeister, »denn man muss die Fehler der Großen dem Untergebenen so viel wie möglich zu verbergen suchen!«

Das Fest der Moslem war vorüber. Segelfertig lag die Galeere im Hafen und mit Ungeduld erwarteten die Templer die Erlaubnis, nebst Sicherheitskarte, zur Abreise.

Düster nach den Wolken sehend, stand Hugo vor der Tür der Wohnung, als zwei Tartaren mit zwei herrlich geschmückten Kamelen erschienen. »Ist hier die Wohnung der Templer?«, war ihre erste Frage. Als dies Hugo bejaht hatte, fragte jener weiter: »Wo ist der starke Herr, der den Aga in den Fischteich geworfen hat?«

»Der bin ich selbst«, entgegnete er überrascht. »Hier überschickt dir«, begann der andere Tartar feierlich und zog einen Brief aus dem Koller, dessen Siegel er küsste, »meine erlauchte Gebieterin, die hohe Sultanin, diesen Brief mich und meinen Kameraden als Sklaven und diese Kamele nebst Gepäck zum Geschenk!«

Hugo öffnete überrascht den Brief. Es lag darin ein Erlaubnisschein zur Abreise und eine Sicherheitskarte.

Die Sultanin selbst schrieb:

Anbei übersende ich dir und meiner Schwester Mirza, welche ich seit zehn Jahren nicht gesehen habe, einen kleinen Teil meines Überflusses. Entsage deinem Gelübde der Ehelosigkeit, welches Allahs Wille nicht ist, entfliehe mit meiner Schwester in ein fremdes Land und werde ein glücklicher Gatte.

Hugo verbarg dies Papierchen sorgfältig und überreichte dem Großmeister Erlaubnisschein und Sicherheitskarte. Da Hugo zu ihm sagte, dass die Kamele, nebst Gold, Silber, Perlen und Shawls für jemandem in Jerusalem bestimmt wären, so wurde der Großmeister wieder misslaunig.

Hugo schenkte in der Freude seines Herzens den beiden Tartaren die Freiheit, worüber diese so entzückt waren, dass sie seine Füße küssten und dann jubelnd davoneilten.

Als die Kamele mit ihren Kostbarkeiten auf die Galeere gebracht wurden, staunte man über den hohen Wert der Geschenke. Der Großmeister konnte sich mancher beißenden Anmerkung nicht enthalten. Obwohl der Wind nicht sehr günstig war, so verließ die Galeere dennoch den Hafen. Die Fahrt war ziemlich gefährlich, denn ungünstige heftige Winde spielten mit der Galeere wie Kinder mit einem Ball und drohten zuweilen sie auf Klippen oder Sandbänke zu schleudern.

An dem Tag, als die Templer wieder Land erblickten, legte sich der heftige Wind.

Die Wolken verschwanden vom Horizont und ein freundlicher blauer Himmel lächelte auf sie herab. Am Abend desselben Tages stiegen sie bei Gaza an Land.

Hugo eilte, von der Hoffnung begeistert, seine geliebte Mirza bald wiederzusehen, zu einer Herberge. Hier holte er schnell das Briefchen der Sultanin hervor, um es zum zweiten Mal zu lesen. Er traute seinen Augen kaum, als er las:

Wenn es dir möglich ist, so befreie meinen und deiner Mirza Vater aus dem entehrenden Käfig.

Diese wenigen Worte standen ganz am Rand des Briefes, welche er beim Durchlesen des ersten Mals in der Verwirrung übersehen hatte. »Gern wollte ich den Alten befreien«, rief er aus, »aber ich würde dem Orden dadurch einen zu großen Schaden zufügen und kann ihn also nicht retten.«

Als die Kamele nebst den Kostbarkeiten an Land gebracht wurden, fragte der Großmeister den Marschall Hugo kurz: »Wollt Ihr mir den Namen des Empfängers dieser Geschenke nennen oder nicht?«

»Ich darf nicht«, entgegnete er verlegen.

»So bleiben diese Geschenke in Verwahrung des Ordens«, fuhr er gebieterisch fort, »denn leicht könnte damit der Sultan einen Spion hier besolden oder die Geschenke sind an Euch und gehören daher mit vollem Recht den Orden.«

Hugo versuchte zwar zu widersprechen, doch blieb der Beschluss des Großmeisters unabänderlich.

In einem engen Tal, wohl noch zwei Stunden von Jerusalem, ankommend, wurden plötzlich die hohen Berge belebt und sämtliche in Jerusalem anwesende Templer schrien ein freudiges Willkommen! Willkommen! Heil und Segen unserem Großmeister! In den allgemeinen Jubel mischte sich die Musik. Es gewährte wirklich einen sonderbaren Anblick, die vielen Ritter mit entblößten Schwertern auf den hohen Bergen zu sehen, deren Stimmen von oben herab feierlich in das Tal ertönten. Der Großmeister war gerührt und wischte sich einige Tränen aus den Augen.

Plötzlich verschwanden die Templer wieder von den Bergen und man erblickte sie am Ausgang des Tales.

Die Häupter des Ordens und unter diesen auch der Großmeister der tapferen Johanniterritter wünschten den Geretteten Glück. Gerührt dankte er und reichte den meisten seiner Brüder die Hand.

Unter allgemeinen Jubel zog die Schar mit dem geehrten Führer wieder in der heiligen Stadt ein.

Von einer starken Begleitung umgeben ritt selbst der König dem Helden bis an das innere Tor der Stadt entgegen und begrüßte ihn hier herzlich. Zugleich bat er ihn zu einem Bankett auf den nächsten Tag. Ein Page überreichte hierauf im Namen des Königs auf einem blauseidenen Kissen dem Großmeister ein kurzes Schwert, dessen Griff stark vergoldet und mit Diamanten besetzt war. Überrascht über dieser Ehre nahm es der Großmeister nur zögernd vom Kissen und gelobte feierlich, sich und alle seine Leute aufzuopfern, wenn es das Wohl dieses Landes und des Königs erfordere.

Ehe die Ritter den Tempelhof erreichten, hatte sich eine erstaunliche Volksmenge versammelt. Aus jedem Mund ertönte ein freudiges Willkommen.

Hugo gewahrte nirgends seine geliebte Mirza und eilte voller Ahnung, sich ihrer Worte beim Abschied erinnernd, zu ihrer Zelle, welche aber von einem anderen Waffenträger besetzt war. Hugo konnte seine Neugierde nicht unterdrücken, er fragte daher, wo der Waffenträger sei, welcher früher diese Zelle bewohnt habe?

»Der ist von hier wie verschwunden«, entgegnete der Befragte kurz.

Nun war Hugos Freude verschwunden. Er starrte wie geistesabwesend den Waffenträger an und sprach kein Wort mehr mit ihm.

Einige Seufzer machten endlich der gepressten Brust Luft, und langsam entfernte er sich wieder.

Der Unter-Turkopolier Brömser von Pleissenburg eilte mit geöffneten Armen auf ihn zu und drückte ihn, wie es schien recht herzlich, an seine Brust. Hugo zwang sich nur mühsam ein Lächeln ab, um den Turkopolier nichts von seiner inneren Stimmung merken zu lassen.