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Im Zauberbann des Harzgebirges – Teil 9

Im Zauberbann des Harzgebirges
Sagen und Geschichten, gesammelt von Marie Kutschmann

Der Sargberg

Der Harz mit seinen herrlichen Wäldern, mit seinen Tälern und Höhen war vorzeiten der Zankapfel vieler Völkerstämme und häufig wechselte er seine Gebieter.

So versuchten auch einmal die Hünen, dieser gefürchtete Riesenstamm, sich des Landes zu bemächtigen. Sie kämpften fast überall siegreich, denn wo sich nur diese riesenhaften Gestalten blicken ließen, verbreiteten sie Furcht und Entsetzen. Ja, man hielt diese Giganten für Zauberer und unverwundbar. So wich ihnen jeder aus, der nur konnte.

Da die Hünen nun sahen, wie leicht ihnen allerorten die Eroberung gemacht wurde, trotzdem sie nur immer in kleinen Scharen ins Land gekommen waren, beschlossen sie, sich zu einem Heer zu vereinigen und den Harz ganz in Besitz zu nehmen.

Das hatten die Bewohner des Harzes, die Chatten, Wenden und Sachsen erkundet. Groß war die Furcht vor dem Feind. Die Erzähl­ung all der von demselben verübten Gräueltaten verbreitete überall Entsetzen. Dennoch beschloss man, nicht feige zu fliehen, sondern die Heimat bis aufs Äußerste zu verteidigen.

Zu einem zahlreichen Heer vereinigt, zogen die Harzvölker den Hünen in der Gegend von Quedlinburg entgegen. Als diese die ihnen an Zahl weit überlegene Schar bewaffneter Krieger erblickten, stutzten sie, denn mit einem allgemeinen Widerstand hatten sie nicht gerechnet, vielmehr geglaubt, dass, wie immer, so auch dieses Mal, ihr bloßes Erscheinen genügen würde, alles in die Flucht zu jagen.

Der König der Hünen bemerkte wohl das Zaudern seines Heeres. Grimme Wut bemächtigte sich seiner, drohend erhob er die Keule und schrie: »Ihr Feiglinge, fürchtet ihr euch vor jener Zwergenschar? Zurück denn! Ich allein werde gegen das ganze Heer kämpfen und es besiegen. Aber keiner soll Anteil haben an meinem Sieg, und wer sich naht, mir beizustehen, der sei des Todes.«

So sprach er und stürmte fort, dem Feind entgegen. Seinen Wurfspieß schleuderte er in die dichtesten Reihen und mit Streitaxt und Schwert brach er sich Bahn durch die ihm entgegendrängenden Haufen. Rechts und links fielen die Feinde, und hinter dem Häuptling türmte sich bald ein Wall von Leichen empor.

Mit Schrecken gewahrten die Harzer den Siegesmarsch des Hünen. Nur ein Zauberer, der gegen alle Angriffe gefeit war, konnte ihren vereinten Kräften widerstehen. Sie hielten ihren Widerstand für nutzlos. Mutlos wichen ihre Scharen zurück.

Als dies die Hünen sahen, stürzten sie jauchzend herbei, umringten ihren König und priesen dessen Tapferkeit. Der aber blickte matt und regungslos auf seine jubelnden Mannen. Als sie ihm Helm und Harnisch abgenommen hatten, stürzten Ströme Blutes hernieder und der König, der Tapferste seines Geschlechts, sank tot zu Boden.

Mit großem Schrecken und Kummer sah das sein Volk, in lautes Jammern und Klagen ausbrechend.

Aber der Älteste des Stammes trat in die Mitte der Mannen und sprach: »Hört auf zu klagen und zu jammern. Der Tod ist unser aller Los und wohl dem, der ihn siegend gefunden hat. Um seines Ruhmes willen aber wollen wir unserem König auf dem Feld seines Sieges ein Grab errichten, so mächtig, dass es den Ruf des Toten noch in die fernsten Zeiten tragen soll.«

Freudig wurde der Vorschlag angenommen. Mit großer Eilfertigkeit machte man sich an die Ausführung des Planes.

Nachdem der Leichnam des Hünenkönigs auf seinem Schild verbrannt war, tat man die Asche in eine Urne und bedeckte dieselbe mit dem Panzer. Dann wurde ein Grab gebaut, zu dem alle Erde und Steine herbeitrugen, bis ein riesenhafter Berg die Asche des tapferen Königs bedeckte.

Noch heute blickt dieser Berg mit seinen scharfen, eckigen Formen vom Ostrand des Harzes in die Ebene. Den Namen Sargberg aber hat er behalten.