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Der Konstanzer Hans Teil 13

W. Fr. Wüst
Der Konstanzer Hans
Merkwürdige Geschichte eines schwäbischen Gauners
Reutlingen, 1852

Dreizehntes Kapitel

Wie Hans einer Gefahr entrinnt, um in eine größere zu geraten, der er aber auch wieder entschlüpft.

Obwohl Hans wie ein verscheuchtes Wild nun umherirrte, um eine sichere Zufluchtsstätte zu gewinnen, obwohl überall verfolgt und geächtet, verlor er doch den Mut nicht. Dass er bisher allen Gefahren so glücklich entronnen war, das machte ihn tollkühn. Er schlug seinen Weg nach Schaffhausen ein, ungeachtet er gewarnt worden war und die Schleiferbärbel ihm dringend abriet.

Eine verhaftete Gaunerin hatte angegeben, dass auf den Schaffhauser Jahrmärkten sich immer sehr viele Gauner versammeln. Die Behörden dieser Stadt ließen es sich deshalb angelegen sein, jenen auf die Spur zu kommen, um sie gefangen zu nehmen.

In Schaffhausen angekommen, machte Hans gleich Jagd auf Beute.

Ein württembergischer Bauer, der ihn kannte, machte einen Gerichtsdiener auf den herumstreifenden Gauner aufmerksam mit den Worten: »Diesem sieht man es auch nicht an, dass er einer der größten Spitzbuben ist. Er ist schon in Tuttlingen eingesessen und dort ausgepeitscht worden.«

Nachdem der Gerichtsdiener den Namen des Verdächtigen erfahren hatte, setzte er ihm nach und brachte ihn zu dem Stadtbürgermeister. Ein anderer Häscher lieferte zugleich die Schleiferbärbel ein.

Hans gab sich als Zirkelschmied Johannes Schüle aus und sagte, er sei hierhergekommen, um Sägeblätter einzukaufen.

»Aber«, fiel der Bürgermeister ein, »um solche zu kaufen, geht man ja nicht auf den Leinwandmarkt, wo ihr herumgeschlichen seid.«

»Ich habe auch Hemden nötig«, gab Hans zur Antwort. »Überdies werde ich, wie jeder andere, auf dem Markt die Freiheit haben, hinzugehen, wohin es mir beliebt.«

»Ihr scheint mir ein rechter Spitzbube zu sein«, nahm jener wieder das Wort.

»Was, ich ein Spitzbube?« fuhr Hans im heftigsten Zorn auf, zog seinen Pass hervor und warf ihn mit Gewalt auf den Tisch. »Ich habe Reisen durch viele Länder gemacht, habe mit Fürsten und anderen hohen Personen gesprochen, aber so grob, wie ihr, ist mir noch niemand begegnet. Man darf in Österreich, in Sachsen und Böhmen nach mir fragen und wird erfahren, dass ich immer ein ehrlicher Kerl gewesen bin.«

Der Bürgermeister sprach hierauf: »Ich glaube, man darf nur nach Tuttlingen schreiben, um zu erfahren, wer und was Ihr seid.

»Was in Tuttlingen geschehen ist«, erwiderte Hans, »war nur ein Jugendstreich.«

Er wurde ins Gefängnis zurückgebracht.

Die Tuttlinger Angelegenheit glaubte Hans noch gut verfechten zu können. Als er aber des anderen Tags mehrere bekannte Stimmen seiner Kameraden aus den benachbarten Gefängnissen hörte, da schwand sein Mut, besonders auch deswegen, weil er seinen Vater unter den Gefangenen vermutete. Am vierten Tag nach seiner Verhaftung folgte er dem Stadtdiener mit großer Besorgnis in das Verhör. Als nun sein Kamerad, mit welchem er den Einbruch im Flözlinger Pfarrhaus begangen hatte, an ihm vorüber ins Verhör geführt wurde, glaubte er sich ganz verloren. Denn der trug den gestohlenen Rock des Pfarrers und eine kostbare goldene Uhr, was zum übrigen Anzug ganz und gar nicht passte und ihn sogleich als Dieb bezeichnen musste.

Hans sammelte sich aber bald wieder und sein Entschluss war, auf seinen Behauptungen mit Standhaftigkeit zu beharren.

Während die übrigen Gefangenen nicht streng verhört und bald wieder in Freiheit gesetzt wurden, war seine Vernehmung sehr genau. Man wusste von ihm die Gefangenschaft in Tuttlingen, man hielt ihn für den Konstanzer Hans, der als einer der größten Diebe bekannt war. Darum nahm man ihn auch ganz scharf ins Verhör und seine Rettung schien beinahe unmöglich. Dennoch verzweifelte Hans noch nicht.

Er erzählte die Sache von Tuttlingen so, wie er sie dort vorgebracht hatte. Das Auspeitschen aus dieser Stadt aber zog er, der Wahrheit gemäß, in Abrede und sagte, dass die Merkmale einer Züchtigung auf seinem Rücken im Gassenlaufen während des Soldatenstandes ihren Grund haben.

Auf die Frage, ob er den Konstanzer Hans kenne, erwiderte er, dass er von diesem gar nichts wisse.

Da man sich in Betreff der Tuttlinger Gefangenschaft Gewissheit verschaffen wollte, so wurde das Verhör nun beendet und dorthin um Auskunft geschrieben. Diese fiel ganz zu Hansens Gunsten aus. Dennoch lag noch sehr starker Verdacht gegen ihn vor und er wurde abermals ins Verhör genommen. Dass er der Konstanzer Hans sei, hätten seine Richter gar zu gerne aus ihm herausgebracht; aber vergebens. Auch der Vorhalt, dass einige seiner Kameraden alles verraten haben, was seine Person betreffe, war ganz fruchtlos und entlockte ihm durchaus kein Geständnis. Er blieb dabei, dass er der Zirkelschmied Johannes Schüle sei.

Ein angesehener Fabrikant aus der benachbarten Stadt Frauenfeld musste nahe verwandt mit Hans sein, wenn des Letzteren Angabe wahr sein sollte. Jener Mann wurde nun vom Bürgermeister gebeten, seinen angeblichen Vetter im Gefängnis zu besuchen und ihn über die Familienangelegenheiten auszuforschen.

Er tat es. Hans aber wusste auf alle an ihn gerichteten Fragen genügend Auskunft zu geben, sodass der Fabrikant ganz niedergeschlagen berichtete, es tue ihm sehr leid, einen so nahen Verwandten im Verdacht der Gaunerei zu wissen.

Dieses Zeugnis hob vollends allen Zweifel der Richter. Hans wurde gerichtlich für Johannes Schüle erkannt und mit einer kleinen Portion Schläge entlassen. Auch die Schleiferbärbel erhielt als Hans’ Frau, für welche sie sich ausgab, ihre Freiheit. Die Gefangenschaft hatte vier Wochen gedauert.