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Der Alte vom Berge – Kapitel 15

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

XV.

Auf einem goldenen, mit weißen seidenen Polstern belegten Thron saß in stolzer Ruhe der Sultan, als der Ex-Komtur von Wallis im Vorzimmer erschien. Die vornehmsten Sarazenen bildeten einen Halbmond um den Thron und blickten neugierig zur Tür.

Kaum öffnete sich diese, so kniete er nieder und legte die Arme kreuzweise auf der Brust zusammen.

»Komm näher!«, herrschte der Gebieter.

Mit einem Armensündergesicht rutschte er bis zu den Stufen des Thrones.

»Dein Anliegen?«, fragte der Sultan barsch und kurz.

«»Großmächtigster Sultan«, begann der Ex-Komtur, »wie sehr ich den Sarazenen gewogen bin, ist leicht daraus zu sehen, dass ich eine so weite und gefahrvolle Reise unternahm.«

»Du bist doch der Komtur«, fiel der Sultan hastig ein, »der die Stelle des Großmeisters versah?«

»Derselbe bin ich«, entgegnete der Befragte, »ich leistete für ein geringes Stück Geld den Bekennern des großen Propheten Mahomeds den wichtigsten Dienst, denn ich verließ mit meinen Templern die Johanniter in der Stunde der Gefahr und sah der Schlacht müßig zu.«

»Mitnichten«, fiel der Sultan hitzig ein, »nur durch die Tapferkeit deiner Leute gewannen die Christen die Schlacht.«

»Meine Leute gehorchten mir nicht mehr«, entschuldigte sich jener, »sie rissen mich mit fort in die Schlacht.«

»Dann musst du aber bei deinen Leuten in geringen Ansehen stehen«, spottete der Sultan und rief dann wieder heftig: »Dein Anliegen?«

Der Ex-Komtur wurde verlegen und stotterte Sachen hervor, die er den Sultan ganz hatte verschweigen wollen. »Der Großmeister der Johanniter«, begann er, »hat mich entehrt und das Kapitel mich meiner Würde als Komtur enthoben. Aus gerechter Rache ermordete ich den neuen Großmeister und bringe dir, großmächtigster Sultan, als Zeugen der Wahrheit den weißen verzierten Mantel des Großmeisters. Siehe, hier und dort klebt sein Blut. Durch den Tod dieses rüstigen und wahrhaft großen Mannes habe ich abermals meinen Eifer dir zu dienen bewiesen.«

»Aus eigener Rachsucht hast du ihn ermordet«, fiel der Sultan hitzig ein, »und nicht, um uns zu dienen. Dein Anliegen«, brüllte er zum dritten Mal, während seine Augen mordlustig auf den Knienden schauten.

»Ich komme also hierher«, fuhr der Verlegene fort, »um dir meine Dienste anzubieten, und um den Glauben des großen Propheten anzunehmen. Mein eifrigstes Bestreben wird stets das sein, meinen neuen Brüdern zu nützen. Da ich die schwachen Seiten der Christen kenne und genau in Jerusalem Bescheid weiß, so gelobe ich hier, wenn mir das Oberkommando von höchstens 40.000 Mann anvertraut wird, die Christen nicht allein aus Jerusalem, sondern aus ganz Asien zu vertreiben.«

»Du die Christen mit 40.000 Mann vertreiben, was ich mit 60.000 Mann nicht konnte?«, fragte der Sultan spöttisch. »Die wenigen hundert Templer gehorchten dir nicht in der Schlacht. Wie wird dir daher ein ganzes Heer gehorchen?«

»Ich setze mein Haupt zum Pfand ein«, beteuerte jener.

»Dein Haupt ist nichts wert«, entgegnete der Sultan, »es ist voll von Erbärmlichkeit und Ränke.«

Bestürzt über solche Worte schwieg der Schändliche und blickte mit flehender Miene zum Sultan empor. Dieser winkte einem Trabanten, sagte einige Worte zu ihm, worauf er sich schleunig entfernte. Grabesstille herrschte nun im Zimmer. Der Kniende musste sich Gewalt antun, um sich in seiner Stellung noch länger zu halten.

Die Stille unterbrach der zurückkehrende Trabant. Der Ex-Komtur erhielt Befehl seitwärts zu treten, worauf ein herabgelassener durchsichtiger Vorhang ihn vom Sultan trennte. Mit Ketten belastet wurde soeben der ehemalige tot geglaubte Großmeister der Templer in das Zimmer geführt. Mit Stolz blickte er umher und grüßte flüchtig den Sultan.

Dieser begann: »Christ, zum letzten Mal frage ich dich heute, ob du deiner falschen Religion entsagen und die Lehre des großen Propheten annehmen willst oder nicht?«

»Nimmer verleugnet ein guter Christ seinen Heiland«, erwiderte der Großmeister fest, und setzte keck hinzu: »Wer etwas Schlechtes von jemanden verlangt, ist selbst am schlechtesten.«

Der Sultan erglühte etwas vor Zorn, doch wurde seine Miene schnell wieder freundlich. Nicht ohne Wohlgefallen schaute er auf den rüstigen Greis. »Du stößt dein Glück mit Gewalt von dir«, fuhr er fort, »Pascha oder Sklave ist doch gewiss ein bedeutender Unterschied.«

»Lieber Sklave und Christ, als Pascha und Mohammedaner«, entgegnete der Großmeister eifrig.

»Nun so sollst du sterben!«, schrie der Sultan.

»Dass ich gern für meinen Glauben sterben will«, meinte der Greis, »habe ich in der Veste am Tal Josaphat bewiesen.«

»Aber so mancher Christ und sogar einige Templer haben unseren Glauben angenommen«, fuhr mit gemäßigter Stimme der Sultan fort, »ich dächte, auch du könntest mir diese Freude machen, denn ich schätze dich sehr.«

»Dann aber müsstest du mich verachten!«, rief jener feurig.

»Selbst der Komtur von Wallis, den du zum einstweiligen Großmeister ernannt hattest, will seinem trügerischen Glauben entsagen und die Lehre des großen Propheten annehmen.«

»Du hast wohl Lust, mir Märchen zu erzählen«, meinte der Großmeister.

»Nicht so«, rief er, »überzeuge dich selbst.« Bei diesen Worten rollte der Vorhang in die Höhe. »Komm näher!«, herrschte er. Als er wieder an den Stufen des Thrones kniete, fragte der Herrscher: »Ist es dein Ernst, die Lehre des Propheten anzunehmen?«

Ein zitterndes Ja war die Antwort.

»Hör ich recht, Komtur von Wallis, Ihr wollt ein Sarazene werden? Ha! Die Schande! Ein Komtur der Templer will seinen Glauben verleugnen?«

»Aus voller Überzeugung will ich dieses tun«, rief sich ermannend der Komtur, »denn mir ist der große Prophet selbst im Traum erschienen!«

Auf einen Wink des Sultans nach einem Trabanten, und des Großmeisters Fesseln fielen.

»Dieser schändliche Mensch hat sich von uns bestechen lassen«, sprach der Sultan zum Großmeister, »wogegen er uns versprach, an der nächsten Schlacht keinen Anteil zu nehmen. Er wollte zwar sein Wort halten, aber seine Templer rissen ihn mit fort in die Schlacht. Um mir einen Dienst zu erweisen, so ermordete er den Großmeister von Montfourat, doch war persönliche Rache gewiss der wahre Trieb hierzu.«

»Komtur, wie habe ich Euch verkannt, was seid Ihr für ein schlechter Mensch!«, rief erstaunt und unwillig der Großmeister aus.

Da hob gar trotzig der Verworfene das Haupt in die Höhe und fragte höhnisch: »Darf ein Sklave hier auch sprechen?«

Indessen stieg der Sultan einige Stufen des Thrones herab, zog behutsam die Damaszenerklinge aus der Scheide und schrie heftig: »Dem würdigen Großmeister schenke ich die Freiheit, dir aber, schändlicher, nichtswürdiger Bube, den Tod!« Bei diesen Worten trennte er das Haupt des Unglücklichen vom Rumpf. Sein Blut färbte die Umstehenden und die Stufen des Thrones. Der Großmeister schauderte, aber doch konnte er den Sultan nicht hassen.

»Aus dem Grunde«, begann der Sultan, »damit ihr Christen seht, dass auch wir die Tugend belohnen und das Laster bestrafen, so habe ich dir, Großmeister, die Freiheit geschenkt und diesen nichtswürdigen Buben hier bestraft! Sobald unser Fest vorüber ist, kannst du unter sicherer Begleitung wieder nach Jerusalem reisen.«

Der Großmeister wollte ihm danken, allein er winkte mit der Hand, als ein Zeichen der Entlassung.