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Der Welt-Detektiv Band 6

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Elbsagen 33

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

33. Der wunderbare Stein auf dem Dresdener Markt

Prinz August, ein Sohn des Kurfürsten Christian I., war im Frühjahr 1614 schwer erkrankt, sodass in den Kirchen für seine Genesung gebetet wurde. Dem Gottesdienst wohnte auch der Puppenmacher Christoph Ufer bei. Nachdem er sich dem Gebet für die Herstellung des kranken Prinzen aufrichtig angeschlossen hatte, ging er nach Dresden-Neustadt, das damals noch die Altstadt hieß. Unterwegs wurde ihm am hellen Tag von einem Geist ein Mittel anvertraut, um den Kranken herzustellen. Nämlich als er zu der Elbbrücke kam, traf ihn dicht beim Zahlhaus ein heftiger Wirbelwind, warf ihm den Mantel über den Kopf und wickelte ihn so ein, dass er kaum Atem schöpfen konnte.

Als er sich aber mit vieler Mühe ein wenig ausgewickelt hatte, sprach eine starke Stimme laut und vernehmlich zu ihm: »Geh nach Alten-Dresden auf den Markt, da wirst du einen Stein finden, den hebe auf und trage ihn in des Herren Haus und lass ihn dem Kranken unter das Haupt legen.«

Darauf ging der Puppenmacher sogleich zum Rathaus zu Alten-Dresden und sah davor auch bald einen Stein liegen, der lebhaft in der Sonne glitzerte. Er nahm ihn auf. Als er ihn in der Hand hielt, fühlte er, wie der Stein wärmer und immer wärmer und zuletzt so heiß wie eine glühende Kohle wurde. Er begab sich nun wieder zurück in die Festung. Unterwegs traf er den Stadtpfeifer, Meister Nickel, erzählte ihm sein Erlebnis und fragte ihn, was er wohl tun sollte. Der antwortete ihm, mit so vornehmen Herrschaften sei nicht zu scherzen, da müsse er andere Leute um Rat fragen. Nach solchen Reden kam er bis an den Stall.

Als er an der Ecke bei den Fleischerbänken die Stufen herunterstieg, redete ihn abermals eine Stimme an und sagte dreimal: »Geh fort, geh fort, geh fort!«

Nun ließ es ihm keine Ruhe, bis er vor Ihrer Fürstlichen Gnaden Haus den Stein dem Kurfürstlichen Küchenmeister gezeigt und übergeben hatte. Diesem erschien die Andeutung des Puppenmachers geheimnisvoll und unklar. Er zeigte die Sache an. Ufer wurde nun von zwei Hofräten gütlich und glimpflich vernommen, wobei er den Vorgang so zu Protokoll gab, wie er ihn erlebt hatte. Als er um seine Ansicht gefragt wurde, erklärte er, dass nach seiner Meinung zwei Geister im Spiel gewesen seien: ein böser Geist, der ihn durch den Wirbelwind habe verhindern wollen, zum Marktplatz zu gehen, und ein guter, der es ihm befohlen habe. Zwar sei ihm nicht bekannt, dass in der Heiligen Schrift von solchen Geistern die Rede sei, die dem Menschen Befehle und Verheißungen geben, dennoch glaube er aber, es sei Gottes Stimme gewesen. Den Stein halte er für einen gewöhnlichen Kieselstein, glaube auch nicht an die Wunderkraft von Steinen oder dass Gott sie zu solchen Zwecken sollte erschaffen haben, aber um der Stimme willen, die ihm geheißen habe, den Stein herzutragen, nehme er an, dass er helfen solle.

Es schien aber, dass weder der Kurfürst noch der Kranke Vertrauen zu der Kur mit dem Stein gehabt habe, sodass seine geheimnisvolle Kraft anscheinend nicht erprobt worden ist. Dauernde Genesung wenigstens ist nicht eingetreten, denn Herzog August ist am Ende des folgenden Jahres gestorben.