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Guido von Scharfenstein – Kapitel I

Guido von Scharfenstein, der mächtige Bezwinger der Zauberer und Hexen, und die wunderbare Rose
Eine Ritter- und Zaubergeschichte aus guter alter Zeit
J. Lutzenberger Verlag Burghausen

I.

Im trauten Kreise seiner Nachbarn und Freunde saß auf dem Schloss Scharfenstein der greise Burgherr Kuno in dem festlich erleuchteten Bankettsaal.

Es war ein Ehrenfest, das sie begingen, denn der einzige Sohn und einstige Erbe von Scharfenstein, Junker Guido, der sich bereits schon durch mehrere Waffentaten rühmlich ausgezeichnet hatte, empfing an diesem Tag den Ritterschlag und wollte schon am Nächsten die väterliche Burg verlassen, um, wie es zur damaligen Zeit einem wackeren Ritter geziemte, auf Abenteuer auszuziehen. Erst wenn er deren mehrere im Verlauf der Jahre glücklich bestanden hatte, nahm er sich vor, wieder zum Schloss seiner Ahnen zurückzukehren.

Viel wurde daher unter den anwesenden Rittern gesprochen von mancherlei Gefahren und Abenteuern, die auch sie glücklich bestanden hatten, und wobei ihnen nicht selten gar übel mitgespielt worden war.

In der Gesellschaft befand sich unter anderen ein Gast, der kein Rittersmann, sondern ein kleines dürres Männchen im grauen Habit mit klug blickenden Augen war. Auf allen Burgen wohl bekannt und wohl gelitten, wusste er in allen Fällen Rat zu erteilen, war bewandert in mancher geheimen Wissenschaft und verstand es, die Kräuter und Wurzeln zu heilsamen Salben und stärkenden Arzneien zu verarbeiten. Man wusste nicht, woher er stammte. Er selbst sprach nie darüber, und so befreundet man auch mit ihm war, so kam doch keiner dazu, ihn nach solchen Sachen zu befragen, denn ein seltsames Etwas in seinem Wesen hielt jede Neugier in den geziemenden Schranken. Er wusste sowohl am Hofe des Kaisers so gut Bescheid als auch auf dem Schloss Scharfenstein, wo er auch sehr häufig zusprach. Wenn er erschien, geschah es immer plötzlich. Man wusste nicht, woher er kam. Auch erschien er in der Regel nur, wenn irgendein wichtiges Ereignis bevorstand oder wenn man seines Rates bedurfte. Gern verweilte er mit den Rittern beim Humpen, aber er trank nur wenig, sprach auch nicht viel und schien sich nur der kräftigen treuherzigen Reden seiner Freunde zu erfreuen.

Auf Scharfenstein hatte er sich einen Tag vorher eingefunden, um dem Ritterschlag seines Lieblings, des wackeren Junkers Guido beizuwohnen. Dieser verdiente auch die Zuneigung des treuherzigen Vaters Leuthold, so nannte man den Unbekannten, im vollsten Maße, denn jegliche Rittertugend war ihm eigen. Sein furchtloses Herz bebte vor keiner Gefahr, er war bieder gesinnt und hatte vollen Abscheu gegen jede Unredlichkeit. Kein Makel haftete auf ihm, seine Seele war so rein wie ein Tautropfen, der in der Morgensonne gleich dem Kristall schimmert. Seine großes lichtblauen Augen waren der Abglanz seiner Seele, sein blühendes, von blonden Locken umwalltes Antlitz atmete Sanftmut und Milde. Aber dennoch war er furchtbar im Kampf. Mit seiner kräftigen Gestalt schmetterte er die Feinde nieder, wie der Sturmwind die Halme des Feldes, und im Schlachtgewühl glich seine Stimme dem fernen Grollen des Donners. Er war der Stolz seines Vaters und seiner Freunde. Der Erstere fand in ihm das Ebenbild seiner Jünglingsjahre wieder, so wie er in seiner einzigen sechzehnjährigen Tochter Ida das Ebenbild seiner längst verstorbenen Gattin erkannte.

»Aber mein lieber, junger Rittersmann«, sprach Dagobert von Adelsberg, »Ihr spielt fürwahr ein gewagtes Spiel! Morgen zieht Ihr aus, um Ruhm zu erwerben, die Unschuld zu beschützen gegen jegliche Unbill und allen Ruchlosen, so viel Ihr deren erreichen könnt, das Handwerk zu legen. Das ist wohl ein mannhaft ritterlich Fürnehmen, und ich traue Euch zu, dass Ihr vor keinem so leicht Eure Lanze senkt. Aber so ganz und gar solltet Ihr doch nicht bloß auf die unüberwindliche Kraft Eures Armes bauen, solltet ein wenig hinzutun, was die Begeisterung aufregt, wenn die Körperkraft im langen heißen Kampf erliegen will.«

»Ich verstehe Euch nicht, Ritter Dagobert. Worauf soll denn ein Ritter mehr vertrauen, als auf die Kraft seines Armes und sein gutes Schwert.«

»Ha, ha, ha!«, entgegnete Dagobert und lachte recht vergnüglich: »Sie bare liebe Unschuld! Solltet Ihr denn wirklich noch nicht wissen, dass ein Liebesfähnchen, ich meine eine Busenschleife oder eine von zarter Hand gestickte Feldbinde, ein Amulett, ein Talisman ist, der einen Ritter unbesiegbar macht? Sollte noch keine innigliche Maid imstande gewesen sein, Euer kaltes Herz zu rühren? He, ich habe es getroffen, wackerer Guido. Ihr werdet ja rot, wie Fräulein Ida, als sie beim letzten Turnier unserem Freund Edmund hier den ersten Preis übergab!«

Guido antwortete nicht. Er versuchte seine Verlegenheit dadurch zu verbergen, dass er den Humpen ergriff und ihn bis auf den Grund leerte.

»Nun, nun! Tut nur nicht gar so verschämt«, sprach Ritter Eberhard von Greifenstein. »Blickt nur auf meinen Bruder Edmund hier, der leistet Euch Gesellschaft im Erröten. Der Name Ida scheint eine wunderbare Gewalt über ihn auszuüben.«

»Und warum sollte ich es leugnen?«, versetzte Edmund. »Fürwahr, wenn man sich ein so sittsames frommes Burgfräulein zur Dame seines Herzens auserkoren hat, braucht man sich nicht zu scheuen, es zu gestehen, dass man durch den Zauberkreis ihrer Veilchenaugen gebannt ist.«

Während dieses Gesprächs hatte das kleine graue Männchen den jungen Ritter von Scharfenstein unverwandt beobachtet. Freude leuchtete aus seinen Augen, als es seinen Liebling sich so verhalten sah, denn es wusste am besten, wem Guidos geheime Minne galt. Leutholds lang gehegten Pläne näherten sich der Reife. Er hatte wie an geheimen Fäden Guidos ganzes Geschick gelenkt und freute sich nun, dass des Jünglings Handeln so ganz nach seinem Wunsch sich gestaltete.

Spät in der Nacht erst trennte sich die Gesellschaft. Jeder suchte mit schwerem Haupt sein Lager, das durch Ritter Kunos Gastlichkeit allen bereitet war.