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Professor Zamorra Band 2 – Das Dorf der versteinerten Monster

A. F. Mortimer (Friedrich Tenkrat)
Professor Zamorra Band 2
Das Dorf der versteinerten Monster

Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 15.07.1974, 66 Seiten, 1,20 DM

Kurzinhalt:

Grollend fegte der Donner durch die Luft. Max Rintels hob den Kopf und blickte zum tintigen Himmel empor. Ganz in der Nähe war ein Gewitter niedergegangen. Rintels humpelte weiter. Er schleifte sein rech­tes Bein über den rissigen Straßenbelag. Es war steif, genau wie seine rechte Hand. Rintels war ein Krüppel. Ein Mensch, der nur noch für sich lebte, gemieden von den Bewohnern des Dorfes. Rintels Rücken wurde durch einen hässlichen Buckel ver­unstaltet, der ihm das Aussehen eines Gnoms ver­lieh. Der Krüppel hinkte durch die dunkle Dorf­straße. Bald musste der Morgen grauen. Silberne Streifen bedeckten schon den schwarzen Himmel. Wieder grollte der Donner über das Land. Max Rintels zuckte unwillkürlich zusammen. Eine klir­rende Kälte kroch in seine verkrüppelten Glieder. Er zitterte. Sein Rücken begann ihn auf einmal zu schmerzen, er musste sich noch mehr zusammen­krümmen. Die Augen quollen aus seinem Kopf. Er versuchte die Dunkelheit zu durchdringen.

Leseprobe:

Da! Ein unheimliches Knirschen. Max Rintels fuhr zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Ein schwerer, eiserner Reif legte sich um seine ausgewachsene Brust. Ein furchtbarer Druck quälte ihn und ließ ihn nur noch ganz flach atmen. Er japste aufgeregt nach Luft. Da war wieder dieses furchtbare Knirschen, das ihm durch Mark und Bein ging. Das schauderhafte Geräusch schwebte ihm aus der Finsternis der gegenüberliegenden Straße entgegen. Max wollte weiterhumpeln. Eine furchtbare Angst befiel ihn. Er wollte fortlaufen, doch seine Beine schienen feste Wurzeln in den Boden geschla­gen zu haben. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Eine undeutliche Bewegung war in der Dunkelheit zu erkennen. Der Schemen begann ganz langsam Gestalt anzunehmen. Max Rintels prallte mit einem heiseren Schrei zurück. Grauen und Entsetzen verzerrten sein schiefes Gesicht zu einer erschreckenden Grimasse.

Er stöhnte benommen und fuhr sich mit der linken Hand an die bebenden speichelnassen Lippen. Aus der schwarzen Dunkelheit der gegenüberliegenden Straße schälte sich mit einem Mal eine abscheuliche, grauenerregende Gestalt. Das Gesicht – halb versteinert, knöchern, ein Totenschädel mit stumpf glänzenden Augen. Zum Teil behaart wie ein Affe. Das Wesen hatte keine Lippen, kein Fleisch am ekelerregenden Schädel. Es war ein Monster, halb Affe, halb Mensch.

Der Krüppel wagte seinen Augen nicht zu trauen. So ein schauderhaftes Wesen konnte es nicht geben, durfte es nicht geben, hatte auf dieser Welt nichts zu suchen. Das Untier war tot und lebte doch. Es stand zehn Meter von dem zitternden Krüppel entfernt und hob nun langsam die behaarten Arme, die in krallenartigen Händen endeten.

Rintels glaubte, den Verstand verloren zu haben, als er plötzlich sah, wie sich die Unterarme mit den Hän­den von den Oberarmen des schaurigen Monsters lösten. Seine Augen traten weit aus ihren Höhlen. Er beobachtete das Unfassbare, während sich glühende Nadeln in sein brennendes Gehirn bohrten und ihn stöhnen und jammern ließen. Die Hände des furchterregenden Monsters schwebten auf ihn zu. Die schaurige Gestalt blieb zehn Meter weit entfernt stehen, während ihm die beiden krallenartigen Hände entgegenschwebten.

Näher, immer näher kamen die zuckenden Greifer der mordgierigen Bestie. Der Krüppel wollte vor ihnen zurückweichen, doch er konnte sich nicht vom Fleck bewegen. Nun waren die schrecklichen Hände auf einen halben Meter an ihn herangekommen. Sein Herz klopfte wie verrückt gegen seine Rippen. Die Hände standen einen Augenblick still. Standen einfach vor ihm in der Luft, zuckten, aber kamen nicht näher. »Nein!« stöhnte der Krüppel verzweifelt. »Nein! Heilige Jungfrau, nein!« Da schossen die Hände des Monsters auf seine heiße, trockene Kehle zu. Ein glühender Schmerz durchraste den Krüppel, als sich die Finger um seine Gurgel legten wie dicke Stahlklammern. Der furchtbare Druck dieser mörderischen Hände raubte ihm beinahe die Besinnung …

 

***

 

Jerry Westbrook saß zu dieser Zeit in der Bibliothek seines Hauses. Vor ihm auf dem Lesetisch lag ein dickes Fachbuch, das sich mit den neuesten Erkenntnissen der Parapsychologie befasste. Obwohl schon bald der Morgen graute, war Westbrook von den Ausführungen des Autors so gefesselt, dass er nicht daran dachte, ins Bett zu gehen. Westbrook war dreiunddreißig. Mit zweiundzwanzig Jahren hatte er sich sehr intensiv mit dieser Wissenschaft befasst. Noch mit achtundzwanzig war er begeisterter Gasthörer an vielen Universitäten in England, Frankreich und Amerika gewesen, wenn Referate über Parapsychologie abgehalten wurden. Westbrook war stolz darauf, zahlreiche Kapazitäten über diese Wissenschaft sprechen gehört zu haben. Aber so klar und doch so erstaunlich in die Tiefe gehend wie dieses Buch war kaum jemals ein Vortrag gewesen. Mit einer einzigen Ausnahme. Westbrook erinnerte sich an eine fesselnde Vorlesung eines Professors namens Zamorra. Der Vortrag dieses Mannes war ihn wie ein Messer unter die Haut gegangen und hatte in seinem Innern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Westbrook wäre damals in New York mit Professor Zamorra gern persönlich bekannt geworden, doch das war ihm nicht gegönnt gewesen. Jerry West­brook, inzwischen Transportunternehmer geworden, überflog die letzten Seiten des fesselnden Werkes mit fiebernder Eile und fasziniert bis zur letzten Zeile des dicken, anstrengenden, aber auch beglückenden Buches. Nun schloss er das Werk, lehnte sich seufzend zurück und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die übermüdeten Augen. Beeindruckt schaute er sich noch einmal den Schutzumschlag des Buches an. Dann legte er es weg, erhob sich und verließ die Bibliothek mit steifen Schritten. Er hatte zu lange gesessen. Im Wohnzimmer machte er sich einen Drink. Trinkend und über das Gelesene nachdenkend, wollte er den Sonnenaufgang abwarten. Neben der Hausbar stand ein breiter Gewehrständer aus Mahagoni. Drei doppelläufige Schrotflinten leimten darin. Eine Elefantenbüchse und zwei Jagdgewehre. Alle fein säuberlich gereinigt und geölt. Ein Vermächtnis seines Vaters. Genau wie das Haus und das Transportunternehmen. Plötzlich gellte draußen vor dem Haus ein marker­schütternder Schrei auf. Er war so grässlich, dass sich Westbrooks Herz schmerzhaft zusammenkrampfte. Der Schock nahm ihm mit einem unbarmherzigen Ruck den Atem. Noch ein Schrei. Schrill. Sich in ein Gurgeln und Röcheln verwandelnd. Nacktes Entsetzen sprang Westbrook an. Sein Herz begann rasend zu hämmern. Der jagende Puls drohte seine Handgelenke zu sprengen. Beim dritten Schrei löste sich die fürchterliche Lähmung von Westbrook. Keuchend stürzte er zum Gewehrständer. Er riss eine von den drei Schrotflinten heraus. Das Röcheln, Ächzen und Stöhnen zerrte an seinen bis zum Zerreißen angespannten Nerven. In fiebernder Hast riss Westbrook eine kleine Lade auf, die sich unter dem Gewehrständer befand. Hier drinnen bewahrte er die Munitionsschachteln auf. Mit zitternden Fingern warf er den Deckel von der Schrotpatronenschachtel. Dann knickte er schnaufend die Flinte und stopfte zwei dicke Patronen in die dunklen Öffnungen des Laufs. Er war verwirrt. Er hatte keine Ahnung, was vor seinem Haus vorging, aber es musste etwas Grauenvolles sein, das spürte er. In seiner Aufregung wollte er noch einige Patronen in seine Taschen stecken. Doch er verstreute sie alle nur zitternd auf dem Boden. Schweißüberströmt und atemlos hetzte er aus dem Haus.

Max Rintels, der Krüppel, wälzte sich keuchend am Boden. Krampfartige Zuckungen schüttelten ihn. Er röchelte. Er versuchte sich verzweifelt mit der linken Hand etwas vom Hals zu reißen, das sich dort verkrallt hatte: Hände! Behaarte, grauenvolle Hände! Affenhände! Schreckliche Hände, die den bedauernswerten Krüppel zu erwürgen drohten …

Personen:

  • Max Rintels, Krüppel
  • Jerry Westbrook, Transportunternehmer
  • Burt Cross
  • Alba, Burts Frau
  • Professor Zamorra
  • Nicole Duval, Prof. Zamorras Sekretärin
  • Bill Fleming, Amerikaner, Zamorras Freund und Fachkollege
  • Kellner
  • Charles Vareck, Zamorras Vetter
  • Gayle Maud, Jerry Westbrooks Freundin
  • Taxifahrer
  • Mitchell Pick, blinder Klavierspieler
  • Wirt
  • Gerald Rintels, Max’ Bruder
  • Jock Mirish, Küster des Dorfes
  • Professor Filchock

Orte:

  • Dorf

Quellen:

  • F. Mortimer: Professor Zamorra. Band 2. Bastei Verlag. Bergisch-Gladbach. 15.07.1974
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog.Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000
  • Jochen Bärtle: Grusel, Grüfte, Groschenhefte. Der deutsche Grusel-Heftroman von 1968 bis 2008 – Eine Serienübersicht zum 40-jährigen Jubiläum. BoD. Norderstedt. Mai 2008