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Die Gespenster – Zweiter Teil – Fünfundfünfzigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Fünfundfünfzigste Erzählung

Eine Unsichtbare klopft an die Tür des Herrn

Ich hatte einst des Abends, erzählt Herr Hofrat und Professor Hennings zu Jena, einen Freund, den jetzigen Lehrer vom Gotha’schen Gymnasium, Herrn B., bei mir. Wir waren in einem zu ernsthaften Gespräch begriffen, als das uns Störungen hätten angenehm sein können. Nun klopfte jemand leise an meine Stubentür, zu der von außen ein langer schmaler Gang hinführte. Da es nur schwach anklopfte und ich unsere Unterhaltung nicht gern unterbrechen wollte, dachte ich bei mir selbst, wenn jemand da ist, so wird er wohl noch einmal und stärker anklopfen. Wie ich dachte, so geschah es. Es klopfte wieder. Ich sagte, es schien mir schon vorhin jemand anzuklopfen. Meinem Freund war es auch so vorgekommen. Daher rief ich: Herein! Allein es kam niemand, obwohl ich gleich das Herein wiederholte. Da ich keinen Beruf fand, aufzustehen, so sagte ich zum Magister B., wer nicht herein will, mag draußen bleiben. Wir setzten daher unsre Unterredung fort. Aber bald wurde sie durch ein abermaliges Klopfen an die Tür, das sehr deutlich war, und wobei sogar der nicht festschließende Türriegel im Schloss in Bewegung gesetzt wurde und einen Klang von sich gab.

Nun stand ich auf und öffnete die Tür; aber es war niemand da.

»Wahrscheinlich ein Student, der seinen Scherz mit mir haben will«, schrie ich und machte unwillig die Tür wieder zu.

Wir beschlossen, sobald wieder angeklopft würde, mit dem Licht in der Hand die Tür sogleich aufzuschlagen. Der Anklopfende, dachte ich, muss dann betroffen werden, weil der Gang so eng ist, dass die aufstehende Tür beinahe die ganze Breite des Ganges einnimmt. Um dem Neckenden unsere Absicht nicht merken zu lassen, sprachen wir laut und unbefangen fort und hörten hierauf draußen ein Hinrauschen, als ob ein rasch vorbeigehendes Frauenzimmer im seidenen Kleid mit diesem in dem engen Gang die Wand berührte.

»Ei, wohl gar ein Frauenzimmer«, flüsterte ich meinem Freund zu.

Dieser lächelte kopfnickend meiner Vermutung Beifall zu.

Bald darauf klopfte es auch an die Tür und der Querriegel klimperte abermals. Die Empfindung dieses Anpochens und mein gewaltsames Aufwerfen der Tür war das Werk eines und des nämlichen Augenblicks. Wir erleuchteten sogleich nur dem Licht den ganzen langen Gang und bemerkten kein lebendiges Wesen. Wir durchsuchten in banger Erwartung die Ofenlöcher, ob vielleicht die in Seide gehüllte Unsichtbare sich dahinein versteckt habe, aber unser Nachsuchen war fruchtlos.

Wir sahen einander mit großen Augen an und gingen schaudernd in die Stube zurück. Uns wandelte unwillkürliche Furcht an, die ein schamhaftes Verstummen zur Folge hatte. Endlich gaben wir einander auch durch Worte zu erkennen, wovon unser Erstaunen und unsere blassen Gesichter uns gegenseitig schon überzeugt hatten. Die Furcht vermehrte sich, wir wünschten der Aufwärterin zu klingeln und hatten doch kaum den Mut, am Ende an das Fenster zu treten und an einem Draht daselbst zu ziehen. Nach einigen Überlegungen fing endlich die schier in den Schlaf geklopfte Vernunft wieder an, zu erwachen. Ich fasste den Entschluss, mit bewaffneter Hand und in Begleitung meines Freundes den Gang nochmals zu durchsuchen. Wir gingen mit einem Licht zur Stube hinaus, machten die Stubentür hinter uns zu, um in dem Gang selbst zu warten, ob das Frauenzimmer wieder erscheinen werde.

Gedankt sei es der Vernunft, die uns endlich tun hieß, was wir längst hätten tun sollen. Nun, wo wir ernstlicher auf alles achteten, sahen wir das am Ende des Ganges befindliche Fenster, welches sonst beständig zu war, geöffnet. Der Wind strich durch den ganzen langen Gang hin. Das dadurch verursachte Säuseln glich vollkommen dem Zischen, welches entsteht, wenn ein seidenes Kleid an einer rauen Wand sanft hin und her bewegt wird. Die Tür, welche, wie schon gesagt, nicht ganz fest anschloss, wurde durch den nämlichen Windstoß etliche Male kurz hintereinander so bewegt, dass es vollkommen so schien, als klopfe jemand an die Tür an. Diese Entdeckung war uns äußerst angenehm und machte uns plötzlich wieder beherzt. Keiner wollte dem anderen gestehen, dass er sich gefürchtet habe, und ich namentlich führte den Beweis, von meinem Löwenherzen aus der spät genug gefassten Entschließung zur nochmaligen Untersuchung.

Wie viele unerklärte Gespenstererscheinungen mögen ähnlichen Veranlassungen ihr Dasein verdanken! So wurde zum Beispiel dem Kurfürstlich Brandenburgischen Hofprediger Ursinus, als er das erste Mal predigen sollte und zur Nachtzeit auf die Predigt studierte, das Licht ausgeblasen. Er hörte sogar das Blasen des Mutwilligen. Da er an den etwaigen Zugwind oder an irgendeine anderweitige, zufällige Ursache im Zimmer nicht dachte, so konnte, nach der sehr natürlichen Schlussfolgerung des kranken Mannes, der Blasende kein anderer als der Teufel selbst gewesen sein. Denn als er das Licht wieder angezündet hatte, um in seinen Betrachtungen fortzufahren, spielte der Teufel in der Gestalt einer Maus auf dem Spinett, welches in der Kammer stand, so, dass er auch sein Studieren abbrechen und    sich zu Bett legen musste.