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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schinderhannes – Siebzehntes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Siebzehntes Kapitel

Schinderhannes vor dem Geschworenengericht

Am 18. März 1803 fand das letzte Verhör des Schinderhannes statt. Am 20. Oktober desselben Jahrs nahmen die öffentlichen Sitzungen des Geschworenengerichts ihren Anfang. Welche Menschenmenge kam da aus der ganzen Umgegend zusammen, um den Gerichtsverhandlungen beizuwohnen und den Schinderhannes und seine Bande zu sehen, die aus mehr als sechzig Personen beiderlei Geschlechts bestand.

Das öffentliche Verhör dauerte ununterbrochen 30 Tage fort, wobei auch die Zeugen für und wider oder die Entlastungs- und Belastungszeugen vernommen wurden.

Ein berühmter Rechtsgelehrte sprach über Schinder Hannes folgendes Urteil aus, dass er sich zum Teil durch eigene Anschauung gebildet, zum Teil aus den Mündern der Richter gehört hatte. Es mag hier eine Stelle finden.

»Schinderhannes war von der Natur bei seiner Geburt nicht stiefmütterlich behandelt worden. Beim ganzen Verhör bis auf diese Stunde benahm er sich auf eine Weise, die bei einem wilden, rohen Räuber überraschen muss. Er war beinahe der Jüngste in seiner Bande und doch ihr Hauptmann. Selbst im Verhör erkennen seine Gefährten die Überlegenheit ihres ehemaligen Führers noch an, weil er in der Tat an geistiger Kraft weit über ihnen steht. Sein Blick und Urteil ist richtig. Schnell fasst er die Meinung des Richters und des Zeugen, und schnell und passend ist seine Antwort. Sein Betragen ist weder frech noch feige. Er leugnet nicht, schont in seinen Aussagen weniger sich selbst als andere und fordert selbst seine Mitschuldigen auf, der Wahrheit treu zu bleiben, wenn sie Miene machen, sich davon zu entfernen. Lügen scheint ihm zu niedrig. Mehrere wollen beobachtet haben, dass er sich voll Unwillen von einem Menschen abwendete, der sich durch eine Lüge zu retten glaubte und beim weiteren Verhör sich feige in dieselbe verstrickte. Das Gedächtnis dieses Menschen ist außerordentlich. Das unbedeutendste Ereignis erzählt er mit allen Nebenumständen, nennt geläufig Personen und Orte bei ihrem Namen und stellt so manche mangelhafte Aussage eines Zeugen wieder her, indem er demselben Vorfälle ins Gedächtnis ruft, die ihm entfallen waren und die er zugeben muss. Die Juden, deren Todfeind Schinderhannes war, machen das Schauspiel des öffentlichen Verhörs noch interessanter. Die grenzenlose Furcht, die sie ehemals vor dem Herrn Hannes hatten, wie sie ihn nannten, kämpft jetzt noch oft mit ihrer ganzen Erbitterung, die sich nicht selten sehr geschwätzig äußert. Sie sehen öfters nach seiner Kette, um sich Mut zu machen, und breiten sich gefällig über alles aus, was sie wissen. Bemerkenswert ist, dass sich Schinderhannes für einen Mann von Ehre hält. Er teilt in dem Verhör Mitschuldigen und Zeugen off Zeugnisse ihres guten oder schlechten Betragens aus.«

Am meisten zu schaffen machte dem Schinderhannes während des öffentlichen Verhörs das Schicksal seines Vaters und seiner Frau, bis man ihn versichert hatte, dass beide nichts am Leben geschehen werde.

Lange Zeit hatte er auch für sich noch einige Hoffnung auf Gnade gehabt. Als aber unter den Zeugen eine Frau aussagte, er habe ihr Feuer unter die Arme gehalten, um von ihr zu erfahren, wo sie ihre Schätze verborgen habe, sagte er danach: »Ich habe meine Totenvögel pfeifen hören.« Nun war seine Hoffnung auf Begnadigung dahin.