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Deutsche Märchen und Sagen 35

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

35. Die Schlange am Hals

Es war einmal eine Mutter, die hatte ihrem Sohn all ihre Güter übergeben, dachte, er wäre fromm und brav und würde wohl mit ihr handeln. Ja, man soll sich aber nicht eher austun, bis man schlafen geht. Als der Sohn alles hatte, nahm er sich eine Frau und da konnte die arme Mutter laufen. Einmal saß er mit seiner Frau am Tisch und hatte ein gebratenes Hühnchen vor sich stehen, da klopfte die Mutter an der Tür.

Da rief er schnell seinen Knecht und sprach: »Setz das Huhn in die Kiste da, bis die Alte weg ist.«

Das tat der Knecht. Als die arme Mutter nun hungrig hereinkam und um ein Bröcklein Brot anhielt, da wies er sie mit manchem Schimpf- und Schmähwort vor die Tür.

Wie sie nun weg war, sprach er zum Knecht: »Nun geh und hole das Hühnchen wieder.«

Der Knecht ging und machte die Kiste auf, aber da lag kein Hühnchen mehr auf dem Teller, sondern eine große Schlange. Man kann sich leicht denken, wie der Knecht erschrak und schrie. Der Sohn wollte das aber nicht glauben, schickte die Magd an die Kiste, aber die schrie auch und lief davon.

Da wurde er böse und sprach: »Und wenn der Teufel auf dem Teller liegt, dann hol ich ihn.«

Er ging an die Kiste und machte sie auf, doch da sprang die Schlange heraus, wand sich um seinen Hals, aß und trank mit ihm und wich nicht, denn wenn man ihr kein Essen gab oder gar Miene machte, sie vom Hals zu nehmen, dann würgte sie den Sohn so, dass er meinte, zu ersticken. Da konnte er mit der Schlange am Hals herumlaufen. Dies hatte er nun dafür, dass er so mit seiner Mutter zu Chor gegangen war.