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Deutsche Märchen und Sagen 32

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

32. Hühnchen mit einem Bein

Jesus ging einmal mit Sankt Peter auf Reisen und kam in die Nähe einer großen Stadt. Er wollte aber nicht hinein, auch nicht hindurchgehen, sandte darum Sankt Peter mit vier Stübern dahin, um etwas Essen zu kaufen. Peter schritt lustig auf den Markt los, fand aber wenig mehr, weil es schon Mittag war, und musste endlich mit einem gebratenen Hühnchen vorlieb nehmen. Das kaufte er und machte sich auf den Rückweg zu der Stelle, wo Jesus seiner wartete. Unterwegs aber roch ihm das Hühnchen so gut, dass er es ein paarmal unter die Nase hielt, am Ende ihm gar ein Beinchen abriss und aufschmauste.

Als er zu Jesus zurückkam, war der gar erfreut ob des schönen Hühnchens, sprach aber dabei: »Sieh doch, Peter, wie kommt das. Das Hühnchen hat ja nur ein Bein.«

»Natürlicherweise«, antwortete Peter, »denn hierzulande haben die Hühner alle nur ein Bein, das müsst Ihr doch schon gemerkt haben.«

»Bis jetzt noch nicht«, sprach Jesus, schüttelte den Kopf ein bisschen und zerteilte das Huhn.

Nachdem dasselbe verzehrt war, setzten beide ihre Reise fort.

Es dauerte nicht lange und sie kamen an einem Bauernhof vorbei, wo eine Menge von Hühnern auf Karren, Leitern u. a. saßen und schliefen, wie die Hühner pflegen, auf einem Bein. Alsbald zog Sankt Peter Jesus am Ärmel und flüsterte: »Sieh da, sieh da, Herr, die Hühner haben alle nur ein Bein.«

»Das ist in der Tat wahr«, sprach Jesus, »aber wie können die mit dem einen Bein laufen?«

»O, ganz gemächlich«, antwortete Sankt Peter, »sie hüpfen und schlagen mit den Flügeln dazu.«

»Das möchte ich gar zu gerne einmal sehen«, sprach Jesus darauf, »das muss sich wunderlich ausnehmen.« Damit machte er Psch, Psch, Psch! Und zugleich liefen die Hühner alle mit zwei Beinen von dannen. »Da hast du mir einmal etwas aufbinden wollen, Peter, Peter!«, sprach Jesus mit dem Finger drohend.

Aber Sankt Peter ließ sich nicht verblüffen, sondern fiel schnell ein: »Ei, nein, bewahre! Das ist mir schön. Hättest du unserem Hühnchen einmal Psch, Psch zugerufen, es würde auch schon seine zwei Beine bekommen haben.«